Review

Animes sind ja so eine Sache: Alle naselang hat man es mit großäugigen, knubbelnasigen Schulmädchen zu tun, die sich mit ihren hochgepitchten Stimmchen verzweifelt gegen omnipotente Tentakel wehren und dabei in einem Meer aus Blut ertrinken. Oder man muss sich mit gezeichneten Allmachtsphantasien á la Power-Rangers begnügen in denen alle paar Sekunden Sprüche wie „Super-Mega-Power-Handkanten-Kickflick“ um die Ohren des Zuschauers gehauen werden. Ultrabrutale Schlachtplatte, perverser Pornofetisch oder kindischer mist für Vorpubertäre. Wie gesagt das Klischee Anime hat nicht zu Unrecht einen gewissen Ruf. Doch immer wieder sticht aus der Menge ein Film hervor der beweist dass es auch anders geht. Erwachsene Unterhaltung mit Niveau, die zeigt dass auch Zeichentrickfilme Anspruch haben können. „Ohje,“ wird jetzt der geneigte Asiafreund aufschreien,“wenn ich Anspruch will, geb ich mir ´nen Kurosawa!“ Und so Unrecht hat er dabei nicht. Die meisten japanischen Zeichentrickfilme, die auf Niveau bauen, entfalten eine – freundlich ausgedrückt – unglaubliche Langeweile die zwischendrin im allseits präsenten Pseudophilosophiediskurs, wie ihn nur Asiaten inszenieren können, zu ertrinken droht. Seien wir uns ehrlich: Mononoke mag ein guter Film sein, schöne Zeichnungen haben, nur er ist gefühlte drei Stunden zu lang. Das Ende ist hanebüchener Unsinn und zerstört die aufgebaute Atmosphäre und diese verdammten Sidekicks, die so eine Art Humor reinbringen sollen gehen mir auf den Zeiger.

Als westlich orientierter Zuschauer nerven diese dramaturgisch ausgewalzten Szenen und der fernöstliche moralische Zeigefinger. Dass es auch anders geht hat mir dieses Wochenende das japanische Studio 4° C bewiesen.
 
Es beginnt schon mal bei den Namen. Entgegen dem allgemeinen Trend dem Zuschauer einen geballten Haufen asiatischer Familiennamen vorzusetzen, bei denen man nach spätestens fünf Minuten die Übersicht und die Geduld verliert, hat man es hier mit Reduktion probiert. Schwarz, Weiß, so heißen unsere Protagonisten. Das mag profan erscheinen, doch mehr ist nicht nötig. Es funktioniert!  

Dann die Geschichte. Hier kann man es sich eigentlich aussuchen: Will man es einfach, dann folgt man einfach der gebotenen Geschichte, eine Parabel über Freundschaft, das Gute und das Böse, das ohneeinander nicht existieren kann, meinetwegen Yin und Yan. Will man es kompliziert, verliert man sich in den unglaublich detailreichen Hintergründen, entdeckt in jedem neuen Bild Hinweise, Andeutungen. Ich glaube allein um alles was dieser Film vermittelt zu erkennen bräuchte man 4 – 5 aufmerksame Sichtungen. 

Die Zeichnungen. Nun, da war ich erstmal etwas vor den Kopf geschlagen. Keine detaillierten Gesichter, kaum Schattenspiele in den Zeichnungen. Nein stattdessen Reduzierung. Zurück bleiben skizzenhafte, grobe Figuren. Es braucht schon ein Weilchen bis man sich darauf einlassen kann. Das hier ist kein Afro Samurai, so viel steht fest. Und doch; in Zusammenarbeit mit den Hintergründen, der Kamera, und dem – was viele so an Animes hassen – so gut wie nie statischen Bild, den ausgefallenen Kameraperspektiven funktioniert das wundervoll. Ab einem gewissen Zeitpunkt wechselt die „man ist das mies gezeichnet“-Stimmung in ein wohlwollendes „das sieht einfach nur toll aus!“. Verschiedene Stilmittel und Brüche tragen ihren Teil dazu bei, und spätestens das psychedelische Ende verlässt völlig die ausgetretenen Pfade des gewöhnlichen Animes. Einfach atemberaubend. 

Die deutsche Synchro ist zum allergrößten Teil sehr gut gewählt. Etwas seltsam ist zu Beginn das Weiß, der ein Junge ist, von Lisa Simpsons Synchronstimme gesprochen wird. Das klingt schon sehr nach Mädchen, stellt aber auch einen tollen Kontrast zu Schwarz´ tiefer Stimme dar. Die Musik von Plaid fügt sich wunderbar ein und unterstreicht die besondere Stimmung von Tekkonkinkreet

Eigentlich gibt es nichts auszusetzen. Die Geschichte ist erwachsener als sie zunächst erscheint. 12-jährige sollten auf Grund des schweren Themas und des durchaus vorhandenen Blutgehalts eher ferngehalten werden – sie werden ihn sowieso nicht mögen. Die Zeichnungen könnten besser sein, dafür ist es toll, dass die Kamera fast immer in Bewegung ist. Gut, nach den knapp zwei Stunden Film ist man etwas geschafft, aber ich konnte keine richtigen Längen ausmachen, da liegt es eher daran dass man irgendwann versucht auf alles zu achten, was sich auch im Hintergrund abspielt. Kurzum: Eine absolute Empfehlung!Ich freu mich schon wie ein Schnitzel auf Mind Game!

8,5 pts mit Tendenz zur 9!

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