Eine Überraschung der anderen Art erlebt, wer seine WiP-Sammlung erweitern möchte und dabei auf Exzesse im Frauengefängnis stösst: Statt einer weiteren Jess-Franco-artigen Trashgurke mit begrenzter Darstelleranzahl, die mit rostigen Ketten spielen und dabei völlig talentfrei irgendwelche Folterlaute von sich zu geben sich bemühen, gibt es hier eine Art Krimi um ein Frauengefängnis bzw. die US-Botschaft in Prag, wobei öfters als in vergleichbaren Krimis Oberweiten zu sehen sind.
Die US-Touristin Alex (Kimberley Kates) will ihre Schwester Susan (Kari Whitman) in Prag treffen, wird dort aber wegen Rauschgifthandels (ein Päckchen ist ihr im Zug untergeschoben worden) verhaftet und per Schnellverfahren zu 10 Jahren Knast im Frauengefängnis Razik verurteilt. Susan bemüht sich vergeblich, ihre Schwester über den US-Botschafter freizubekommen, erst als sie sich mittels eines tschechischen Helfers ins Gefängnis einschleichen kann, kommt Bewegung in die Sache. Subplots sind Rauschgifthandel der Gefängnisleitung, Zwangsprostitution der Insassen inklusive deren Ermordung sowie Verstrickung des US-Botschafters.
Mit dem klassischen WiP-trash der Siebziger und Achtziger Jahre hat Exzesse im Frauengefängnis, erst 1993 gedreht, nicht viel zu tun, sieht man einmal davon ab, daß sich Titel, Cover und Texte alle Mühe geben, das Gefängnis so schrecklich wie möglich erscheinen zu lassen. Dabei sind die Wachmannschaften zurückhaltend und die Insassinnen bekommen saubere Anstaltskleidung und dürfen sich ungezwungen unterhalten. Die Oberaufseherin Magda Kassar (Brigitte Nielsen) bedient sich eines weiblichen Kapos Rosa (Jana Svandová) - beide sind lesbisch und verleihen die Mädels an ein vornehmes Bordell außerhalb, ab und zu "gönnen" sie sich auch selbst für eine Nacht einen hübschen Häftling, außerdem dürfen manche
Insassinnen nachts Rauschgift eintüten. Der Sleaze-Faktor hält sich in argen Grenzen, Brüste sind immer wieder mal zu sehen und auch eine genauso kurze wie langweilige Duschszene fehlt nicht, weitergehende Nudity dagegen (Stichwort brauner Bär) kommt in Exzesse im Frauengefängnis gar nicht erst vor.
Noch ein Wort zum Cover (es liegt die ungeschnittene X-Gabu-Fassung in der großen Hartbox vor): Dass dies mal wieder grenzenlos übertreibt, ist für den geneigten WiP-Freund nichts wirklich Neues, die Auslegung der deutschen Sprache ist jedoch selbst für diese Form des Marketing ziemlich peinlich: "Perverse, mitreisend, erbarmungslos realistisch" brüllt es einem da vom Back-Cover entgegen - wirklich pervers sind eigentlich nur solche mitreißenden Rechtschreibfehler...
Brigitte Nielsen, die vor langer Zeit einmal aus Versehen mit Sylvester "Rambo" Stallone verheiratet war und kürzlich im Dschungelcamp gesichtet wurde, war schon damals schauspielerisch ein hoffnungsloser Fall: als Gefängnisdirektorin stolziert sie herum, hat ein paar belanglose Zeilen aufzusagen und verbreitet mehr oder weniger gähnende Langweile. Sie profitiert allerdings davon, daß ihr Kapo Rosa (gnadenlos unsympathisch: Jana Svandová) die ganze Zeit herumbellt und man Nielsens ausdruckslose Mimik dagegen als beruhigend, ja fast schon angenehm empfindet. Ich muß wohl nicht extra erwähnen, daß die Nielsen im ganzen Film bestenfalls in einem Korsett zu sehen ist und ihr Silikon keinen Millimeter freilegt.
In weiteren Rollen sind Paul Koslo als Botschafter Goff und Marek Vasut als tschechischer Helfer zu sehen; weder mit ihnen noch mit sonst irgendjemand in diesem Film kann man mitfiebern oder sich gar identifizieren - wenn man dies aber unbedingt möchte, dann noch am ehesten mit diesen beiden. Erstaunlich fesch sind die beiden US-Schwestern, wie übrigens auch die gecasteten Gefängnis-Insassinnen allesamt junge, hüsche Damen sind. Auch in diesem Punkt - das Fehlen älterer, vom Knast gezeichneter Häftlinge - unterscheidet sich Exzesse im Frauengefängnis von einschlägigen WiP-Streifen.
Gedreht wurde vor Ort in Prag: Ebenso wie viele Jahre später Eli Roth mit Hostel bedient sich Regisseur Lloyd A. Simandl einer vorhandenen Industriekulisse, die allerdings eher wie eine kleinere ehemalige Fabrik aussieht. Statt Zellen gibt es einen Gemeinschaftsraum mit vielen Betten und Stacheldraht, Suchscheinwerfer oder Ähnliches sucht man auch vergeblich. Daß das Film-Budget nicht sehr hoch war, erkennt man auch an anderen Kleinigkeiten: Da wären zum Beispiel die Wände dieses "berüchtigten Frauengefängnisses", die mit diversen Graffiti verziert sind ("Hools"), zum anderen tragen die Wachmannschaften zwar Uniformen, haben aber keinerlei Abzeichen. Die Anfangsszene spielt nicht etwa am Prager Hauptbahnhof, sondern an einem kleinen Vorstadtbahnhof (Dejvice), und die reichlich eingesetzten Maschinenpistolen sind nur mit Platzpatronen geladen, da sie an keinem Auto, Lastwagen oder Wand Einschußlöcher hinterlassen. Immerhin sind wenigstens ein paar näher gezeigte Einschüsse mit dezentem Filmblut hinterlegt. Für das Bordell wählte man das Rokoko-Schloss Dob?íš in der Nähe von Prag, hier passt die Kulisse ganz gut, während das Frauengefängnis Razik frei erfunden ist - hierfür hat man extra eine Tafel malen lassen. Detail am Rande: Die aufgebrachte Inschrift stellt eine wortwörtliche Übersetzung des amerikanischen Wortes "Besserungsanstalt" ins Tschechische dar - das macht allerdings überhaupt keinen Sinn, da es diese übersetzte Bezeichnung im Tschechischen gar nicht gibt, die haben eine andere Bezeichnung dafür...
Was mir dagegen gut gefallen hat, sind ein paar der (viel zu) wenigen Trash-Einlagen, z.B. die Verfolgungsjagd, in der zwei herrliche alte Ladas im Wald bzw. im Fluss landen, während deren Besatzungen ganze MP-Magazine leerschiessen und einen 10 Meter vor ihnen fahrenden Lieferwagen nicht treffen oder auch die Gefängnis-Meuterei ganz am Schluss, für die man sogar einen kleinen Radpanzer aufgetrieben hat und bei der einer der beiden Ladas endgültig mittels Explosion geschrottet wird. Daß letzteres durch den unsachgemäßen Gebrauch einer Panzerfaust geschieht (das meuternde Häftlingsmädel legt nämlich genau verkehrt herum an, sodaß der Schuß nach hinten losgeht) übersieht man in diesem dynamischen Schlußakt genauso wie zuvor das Öffnen der "Zellentür", als ein angelockter Wärter den Schlüssel schön hochhält, während ein Mädel ihn unbemerkt durch das Gitter mit einem dünnen Holzscheit k.o. schlägt... Herrlich auch die nächtliche "Zwangsarbeit" der Mädels, die am Küchentisch sitzend weißes Pulver mit einem Folienschweissgerät eintüten - ein echter Horrorknast halt. Gleich in der allerersten Szene ist ein junger Leopard an einer Kette zu sehen, im Umschnitt dann schreiende flüchtende Mädels, dann nochmals die Wildkatze, aufgenommen vielleicht im Prager Zoo, nur nicht am Drehort im "Gefängnis"...
Woran es aber am meisten bei Exzesse im Frauengefängnis krankt, ist das Drehbuch, das von allem nur ein bißchen etwas zeigt (Krimi, WiP, Sleaze, Trash, Gewalt) aber zu keinem Genre wirklich in die Vollen geht. Vieles wird angerissen, einige Handlungsfäden eröffnet, aber nichts stringent durchgezogen. Auch die Gewalt hält sich in Grenzen: Zwei Morde werden abgeblendet bzw. erfolgen im off, und eine Folter oder Organentnahme(?) wird mit einer Kamerafahrt über Pinzetten nur angedeutet. Ordentlich sind dagegen die grundsätzliche Bildführung und auch der Score steht einem "Derrick" o.ä. in nichts nach.
Viele Fragen bleiben offen: Was hat es mit den Dokumenten auf sich, die Goff am Schluß verbrennen will? Warum ballern die Wachmannschaften wie wild, wenn ein Pritschenwagen losfährt? Was hat es mit der bunt bekleideten Tunte auf sich, die kryptische Hinweise gibt und das Büro der Direktorin offenbar abhören kann? Wie kamen die Gefängnisinsassinnen wirklich zu Tode, von denen es Videobänder gibt, deren Inhalt aber nicht gezeigt und kaum angesprochen wird? Wieso meutern die Frauen (dies hat sich mit keiner Handlung/Silbe angedeutet) und woher haben sie die vielen Waffen?
Das Frauengefängnis Razik, einleitend als Überbleibsel aus der Ostblockzeit beschrieben, wird am Schluß geschlossen, so verkündet es die Stimme aus dem Off. Ruhe in Frieden, Razik: 3 Punkte.