Handelsvertreter in Baltimore
Wir schreiben das Jahr 1963, die gute alte Zeit, als die Welt vor allem in Amerika noch in Ordnung war, dominiert von Cadillacs, Anzügen und Hochfrisuren. In dieser Welt nun gab es andere Statussymbole als in der heutigen Zeit, und ganz sicher gehörten die ungemein praktischen und sehr stark ein altes Haus verschönenden Aluminiumfassaden dazu. Diese zu verkaufen ist die Aufgabe der „Tin Men“, denen dazu jeder Verkäufertrick recht war. Ein ganz besonders guter Vertreter ist BB ( Dreyfuss ), der eines Morgens direkt nach dem Kauf eines Neuwagens mit dem kleingewachsenen Vertreter Tilley zusammenstößt. Eine Lappalie, sollte man meinen, doch das Ego der beiden Männer läßt Gutmütigkeit nicht zu, und Verzeihen sowieso nicht. Also beginnt man einen Kleinkrieg, der sein vorläufiges Ende darin findet, daß BB Tilleys Frau ausspannt. Doch ob er damit wirklich gewinnt, ist angesichts der Reaktion des gehörnten Mannes mehr als zweifelhaft. Daneben müssen sich die Vertreter noch mit einer Kommission auseinandersetzen, die ihre zwielichtigen Verkaufsmethoden überprüft, und schließlich werden aus den Rivalen Partner…mit sehr filigranen Banden.
Schon der erste Kameraschwenk zeigt uns, mit welcher Art von Film wir es zu tun haben. Hier setzt man nicht auf Klamauk oder Slapstick, sondern auf die Macht des pointierten Dialogs und daneben noch auf die Ausstrahlung der beiden Hauptdarsteller. Begleitet von ruhiger Musik und dem Verzicht von aufdringlichen Pointen entwickelt sich eine ruhige, aber niemals langatmige Komödie. Man lauscht den Gesprächen der Handelsvertreter, sieht die Tricks, die man anwenden kann, um etwas zu verkaufen, und leidet mit, wenn sich durch die Wendungen der Geschichte gerade Tilley immer weiter in Richtung Abgrund begibt. Doch die Figur ist keine tragische, denn dem kleinen Mann wohnt ein gewisser Stolz inne, der ihn auch in den schwierigsten Situationen aufrecht hält.
Der Film ist niemals zu einem großen Erfolg geworden, und auch im Fernsehprogramm der letzten Jahre sucht man ihn vergeblich, denn er hat leider eines, was für die zunehmend einfacheren Zuseher nicht leicht zu verdauen ist: Anspruch. Vordergründig sehen wir zwei Männer im Streit, etwa so, wie Dick und Doof einst einen Weihnachtsbaum an Ostern verkaufen wollten und sich mit Albert Finley duellieren durften. Jedoch herrschen hier, wie man es von Regisseur Levinson gewöhnt ist, die leisen Töne vor. Und im Hintergrund breitet sich ein Portrait Amerikas in der Zeit vor dem Vietnamkrieg aus, als man noch Möglichkeiten hatte, durch eigene Arbeit den amerikanischen Traum zu leben. Auch die Liebesgeschichte, die sich aus dem Streit heraus entwickelt, ist eine luftig-leichte Begebenheit, die niemals plakativ wirkt. Man verzichtet auf die Moralkeule, sonder zeigt statt dessen Menschen wie Dich und mich, die einfach nur ihr Stück vom Glück haben wollen - wer will ihnen das verwehren? 7/10.