Der Prolog führt uns durch ein Gefängnis. Wir sehen zu, wie ein Mann freigelassen wird, doch er nimmt nicht etwa ein Taxi, geschweige denn einen Bus, nachdem er draußen ist. Nein, nicht weniger als eine stattliche Limousine nimmt ihn auf und kutschiert ihn erhaben durch die Straßen von New York, vorbei am Straßenstrich und durch dunkle Gassen. Auch ohne plumpe, langwierige Erklärungen ist klar, dass hier das hohe Tier eines Verbrechersyndikats dahinrollt. Selbiges nennt sich Frank White und wird vorzüglich von Christopher Walken verkörpert. Ihn umgibt stets eine Aura der Stärke und Unnahbarkeit, was man von seinen Schergen (u.a. Laurence Fishburne) nur bedingt behaupten kann. Diese entledigen sich in der Zwischenzeit einer konkurrierenden Drogenbande und in der Folge legt auch Frank selbst Hand an, wenn es darum geht, seinen alten Status wiederherzustellen und seinem Namen in der Szene Nachdruck zu verleihen. Er ist zurück. Er mischt in jedem Geschäft mit. Er ist der (Rauschgift-)König von New York.
Der Film schlägt sich latent auf die Seite der Gangster, wobei die Polizei lange Zeit eher ein Dasein als bessere Statisten fristet. Frank White wandelt scheinbar völlig außerhalb der Reichweite des Gesetzes zwischen seinen Gangsterrapper-Handlangern, lokalen Politikern und Anwälten (wovon eine sein Betthupferl ist). Er lässt sich auf Banketten als lokaler Förderer und Menschenfreund feiern und scheint dies sogar ein stückweit selbst zu glauben. Wenn er sagt, er wolle die verlorene Zeit im Knast wieder aufholen, legt er beinahe berechnend ein „live fast, die young“-Motto an den Tag, welches ihn letztlich auch so ereilen soll, gleichwohl er natürlich nicht mehr der allerjüngste ist. Diese fehlgeleitete Robin Hood-Attitüde zieht zwar bisweilen eine leicht manipulierende Wirkung nach sich, doch handelt es sich auch immer noch um einen Gangster- und Actionfilm und außerdem werden die erstrebenswerten Ziele mit den falschen Methoden stets mit brutalsten Morden und Straßenkämpfen konterkariert, sodass der Film durchaus nicht zu sehr Partei ergreift.
Aus ihrer zunehmenden Machtlosigkeit und dem daraus resultierende Frust heraus, entschließt sich eine Gruppe der ermittelnden Polizisten (David Caruso, Wesley Snipes) auf eigene Faust zu handeln und zur Not auch die Grenzen des Gesetzes außer Acht zu lassen, um den König von New York zu stürzen. Der sich über verschiedene Stadien hinziehende Showdown ist, wie alle Actionszenen zuvor auch, angenehm bodenständig inszeniert und insgesamt einfach ein positives Beispiel dafür, wie es aussehen kann und sollte. Ich will eigentlich kein ausuferndes Hohelied auf handgemachte Effekte anstimmen und selbige aus dem Computer verteufeln, denn wenn man beide Techniken komplementär und sinnvoll einsetzt können ebenso gute und noch bessere Ergebnisse dabei herauskommen. Aber vergleicht man die einschlägigen Szenen mal mit diversen heutigen Produktionen, in denen des eben nicht immer der Fall ist und man zudem vor lauter hektischen Schnitten und teilweise exzessiven Wackeldackelkameras kaum noch was erkennen kann, so jubiliert man förmlich bei „King of New York“. Die Schießereien sind famos und gut zu erfassen, die Verfolgungsjagden einfach große klasse und das Duell zum Showdown ist schnörkellos und effizient, aber keineswegs öde und allemal gut gespielt.
Nicht unbedingt jeder würde behaupten, dass Regisseur Abel Ferrara sonderlich viele Glanzstücke in seiner Karriere gelungen sind. Doch zeichnete er immerhin bei einigen sehenswerten Filmen, die im Crime-Bereich anzusiedeln sind, verantwortlich für die Regie. Und auch gelegentliche Perlen sind darunter, so landete er beispielsweise einige Jahre später, wiederholt mit einem großartigen Christopher Walken in der Hauptrolle als Boss des organisierten Verbrechens, mit „The Funeral“ ein beeindruckendes fatalistisches Milieudrama.
„King of New York“ ist wesentlich actionlastiger, birgt aber auch bereits die dann im genannten Film Überhand nehmenden reflektierenden Momente und ruft durch seine ambivalente Hauptfigur eine zwiespältige Haltung beim Zuschauer hervor – der Intellekt verurteilt Frank White aber trotzdem ertappt man sich ständig dabei, wie man zu ihm hält und ihm fast Glauben schenken möchte, wenn er sich als Krankenhausretter und Schmutzbefreier darstellt. Und so funktioniert das Ende als elegischer Abgang. (8/10)