Dabei hatte doch alles so hoffnungsvoll angefangen. Nach einem atmosphärischen und sehr gelungenen Einstieg scheitert das deutsche Independentprojekt „Kabinett“ nach und nach auf ganzer Linie. So bleibt der Kurzfilm letztens Ende nur ein Bewerbungsschrieben der Specialeffekts-Abteilung, die ganze Arbeit leistet, den inszenatorischen Diletantismus zu kaschieren. Für das nächste Mal sei dem Regisseur Daniel Schreiber angeraten, lieber ein paar Stunden mehr in eine gelungene Schauspielführung und den Szenenaufbau zu investieren, statt die Grenzen der technischen Machbarkeit im Amateurfilmbereich auszuloten.
Die Jäger Alia (Nikki Geb) und Vico (Tobias Hoesl) werden engagiert, um einen Minotaurus, der eine Dorfgemeinschaft terrorisiert, zu töten. Eine unvorhergesehene Wendung bringt das Team schnell in zusätzliche Gefahr.
Das eigenwillige Szenario, das scheinbar wahllos klassische Motive mit der Moderne mischt, erzeugt zu Beginn eine eigenständige und sehr interessante Atmosphäre. Das fängt mit der gelungen Exposition an, die in Form einer äußerst ansprechenden Bilderkollage in die Hintergrundgeschichte einführt. Ein alter Fluch verlangt ein jährliches Menschenopfer. Der Selbstjustiz eines bigotten Dorfklünkels folgt die übernatürliche Rache des Opfers – eine geradezu klassische Konstellation, die aber durch die ansprechende Präsentation und das ungewöhnliche Setting der Geschichte frisch und interessant wirkt. Der Dorfgemeinschaft mit verfallenem Kuriositätenkabinett aus dem vorigen Jahrhundert und ein Minotaurus, der den Rachedurst seines Herren Minos befriedigt, wird dabei eine moderne Spezialeinheit gegenübergestellt. Einen tieferen Sinn, oder ein engerer Bezug zur griechischen Sage sind nicht erkennbar und wahrscheinlich auch nicht beabsichtigt. Daniel Schreiber ist an Oberfläche interessiert. Vergleichbar mit George Lucas reißt er wahllos interessante Motive aus den verschiedensten Ecken der populären Kunst aus ihrem Zusammenhang und konstruiert daraus seine eigene Welt. Sobald die Geschichte beginnt und die Darsteller den Mund öffnen, werden die hoffnungsvollen Erwartungen, die der Anfang weckte, allerdings jäh zunichte gemacht. Uninspiriert und stoisch sondert die offenbar professionelle Darstellerriege ununterbrochen heroische Worthülsen und Gesichtsausdrücke ab und benimmt sich, als hätte der Regisseur sie zu lange der Matrix-Trilogie ausgesetzt. Ihre vermeintlich coolen Posen und pathetische Gesten verkommen unter der Regie von Daniel Schreiber zur Karikatur und wirken unfreiwillig komisch. Das größere Ärgernis stellt allerdings die Handlungsführung dar. Schauplätze werden stümperhaft oder gar nicht eingeführt, manches Mal verhindert die merkwürdige Montage der Bilder, dass sich dem Zuschauer der Sinn des gerade Gesehenen erschließt und Höhepunkte werden durch ungeschickt gesetzte Spannungsbögen ihrer Dramaturgie beraubt – Alles Anfängerfehler, die man in einem Amateurs-Splatterfilm, aber angesichts der netten Optik nicht bei einem solch ambitioniertem Projekt erwarten würde. Auf diese Weise wird auch der für Kurzgeschichten obligatorische Plottwist versenkt. Mal abgesehen davon, dass er nicht gerade sehr originell und vorhersehbar ist, wird er im Mittelteil der Handlung, statt im Finale angesiedelt.
Leider kranken auch die Konfrontationen der Helden mit dem Monster und seinem Herren an der mangelhaften Inszenierung. So darf der Zuschauer zwar eine recht aufwändig gestaltete, animatronische Wildschweinmutation bestaunen, der Schnitt erreicht es jedoch zu selten, dass die Illusion erzeugt wird, Darsteller und Monster befänden sich in ein und demselben Raum. Dieser Mangel erreicht bei dem Auftritt des Herren Minos seinen traurigen Höhepunkt. Der klischeetriefende Abgang der beiden Helden setzt schließlich den Schlusspunkt eines Werkes, das interessant und eigenständig beginnt, aber sich leider sehr schnell als eine amateurhafte Spezialeinheit-Blaupause entpuppt.
Für das nächste Projekt sollte Regisseur Daniel Schreiber einen Gang zurückschalten. In „Kabinett“ gleiten ihm seine überambitionierten Grundideen leider zu oft aus den Händen. Darüber hinaus ärgert die Tatsache, dass dem kreativen Setting eine derart seelenlose Geschichte und zahlreiche Dialog-Plattitüden entgegensetzt werden.
Daran werde ich mich noch lange erinnern:
Die gelungene Exposition in Form einer Bilder(buch)kollage.
Spoiler Anfang
So ganz erschloss sich mir der Sinn auch nicht, warum die Dorfbewohner jedes Jahr ein neue Spezialeinheit anheuern, um diese dem Monster zu opfern. Wollen wir mal unterstellen, dass es in diesen merkwürdigen kleines Universum, in dem der Film angesiedelt ist, so etwas wie eine Söldner-Branche gibt, die auf solche Aufträge spezialisiert ist, dann dürfte sich doch das jährliche Verschwinden von Kollegen in diesem Dorf doch ziemlich schnell rumsprechen. Und noch viel Schlimmer. Wieso opfern die Dörfler zuerst einen aus ihren Reihen? Ich dachte dieses Problem sollte durch das Verheizen er Spezialeinheit gelöst werden.
Spoiler Ende