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"Und das übrige…ist das auch echt?"

Die hübsche Blondine bejaht. Sie will den Job und das Geld, denn sie mag die Dinge, die sie sich davon kaufen kann. Die eine Hälfte sofort, die zweite bei Erfolg. Ihr Auftrag wird nicht genannt, aber der deutsche Filmtitel lässt keinen Zweifel daran: "Verführung am Meer". Sie reist vom winterlichen Berlin an die jugoslawische Adria-Küste. Schnell bekommt sie Kontakt vor Ort, denn die junge als Urlauberin getarnte Deutsche weckt Begehrlichkeiten, die sie für ihre Zwecke nutzen kann. Sie verfolgt eine klare Strategie - ihre körperlichen Vorzüge am richtigen Ort so zu präsentieren, dass sie der Zielperson ins Auge fallen. An dessen Reaktion hegt sie keinen Zweifel.

Das Wort "Prostitution" fällt nicht im Film, aber die Unmoral ist mit Händen zu greifen. Elke Sommer ist "Eva" und sie nähert sich dem Mann, um ihn aus dem Paradies zu vertreiben. Sie täuscht eine Notlage vor, um den so herbei gelockten Peter (van Eyck) zum Sex zu verführen. Er, der auf einem felsigen Eiland vor der Adria-Küste sein Refugium abseits der Menschen gefunden hat, soll wieder in eine bürgerliche Existenz nach Deutschland zurückkehren. Verlockt von dem einzigen, was ihm in seiner selbst gewählten Einsamkeit vermeintlich fehlt - die Nähe zu einer Frau.

"Wer bist du?“ – „Ein Mann, und du?“ – „Eine Frau“

"Verführung am Meer" hätte eine böse, mahnende Geschichte erzählen können über vorgetäuschte Gefühle und die zunehmende sexuelle Verkommenheit in der Gesellschaft - Elke Sommer ("...und sowas nennt sich Leben", 1961) und Peter van Eyck ("Endstation 13 Sahara", 1963) besaßen ausreichend Erfahrung im Genre des Moralfilms - doch der Film wählte einen anderen Weg. Eva und Peter kommen sich näher und die junge Frau verliebt sich in den deutlich älteren Mann. Eine Entwicklung, die wiederum reflexartig den Verdacht provoziert, hier handelte es sich um eine lüsterne Alt-Herren-Fantasie, untermalt von den für diese Zeit offenherzigen Bildern einer hübschen jungen Frau. Dieser Vorwurf will oder kann den entscheidenden Unterschied zu einem solchen Männer-Traum vielleicht nicht erkennen - nicht der Mann steht hier im Mittelpunkt, sondern die Frau, aus deren Perspektive der Film erzählt wird.

Zwar entfaltet sich im Lauf der Handlung die Vergangenheit Peters und werden seine Beweggründe deutlich, warum er an diesem einsamen Ort lebt, aber sein Charakter erfährt keine Entwicklung. Ganz anders dagegen die junge Frau, auch wenn der Betrachter bis zum Schluss kaum etwas über sie weiß. Sie agiert, während er reagiert. Zuerst auf ihre Verführung, dann auf das beginnende Liebesspiel bis zur Offenbarung ihrer ursprünglichen Intention. Nicht der Mann ist es, der dank seiner moralischen und geistigen Überlegenheit bzw. seines liebenswerten Wesens der Frau den richtigen Weg weist – Grundvoraussetzung eines feuchten Männertraums – sondern sie selbst zieht eigene Konsequenzen. Peter wäre ihr sonst wie geplant auf den Leim gegangen.

„Du spielst mit mir?“ – „Und warum nicht?“

„Verführung am Meer“ ist ein Wunder. Er moralisiert, wertet und relativiert nicht, sondern erzählt eine einfache Geschichte inmitten einer in ihrer felsigen Kargheit wunderschönen Landschaft. Die üblichen halbseidenen Assoziationen – Sex, Nacktheit, junge Frau, älterer Mann – verfangen hier nicht, denn „Verführung am Meer“ oder schlicht „Ostrva“ (Inseln), wie der Film auf serbo-kroatisch heißt, ist tief im jungen jugoslawischen Kino der frühen 60er Jahre verankert, das sich an der französischen „Nouvelle Vague“ orientierte. Im Jahr zuvor hatte Regisseur Jovan Zivanovic die Romanverfilmung „?udna devojka“ (Studentenliebe, 1962) herausgebracht – die Geschichte einer jungen Studentin, die unangepasst und sexuell offensiv ihren eigenen Weg sucht. „Cudna devojka“ spielte vor dem Hintergrund der sozialistischen Gesellschaft in Jugoslawien und war nur in der DDR in die Kinos gekommen, weshalb „Verführung am Meer“ – mit westdeutschen Produktionsgeldern entstanden und den Filmstars Elke Sommer und Peter van Eyck prominent besetzt - vordergründig wenig Gemeinsamkeiten mit seinem Vorgängerfilm aufzuweisen scheint.

Tatsächlich überwiegen die Parallelen, denn Regisseur Zivanovic versammelte dasselbe Kreativ-Team um sich - nur um den damaligen Newcomer Rolf Schulz ergänzt, der für die deutschsprachigen Dialoge zuständig war. Gemeinsam mit Drehbuchautor Jug Grizelj, Kameramann Stevan Miskovic, Komponist Darko Kraljic und Cutterin Jelena Bjenjas variierte Zivanovic die in „?udna devojka“ verfilmte Story einer selbstbewussten jungen Frau neu – vor dem Hintergrund einer Urlaubslandschaft und ohne offensichtliche Nähe zur gesellschaftspolitischen Tagesaktualität. Besonders in der Gegenüberstellung beider Filme wird deutlich, dass die Geschichte um Peter nur als Rahmen dient – die Charakterisierung der jungen Frau und ihr Weg der Selbstfindung blieb dem Geist von „?udna devojka“ treu. Zivanovic betrachtete seine weiblichen Protagonistinnen mit Sympathie und verurteilte ihre offene sexuelle Attitüde nicht. Im Gegenteil erweisen sich Beide als intelligent und in der Lage ihr eigenes Verhalten zu hinterfragen und zu korrigieren.

Damit widersprach „Verführung am Meer“ den damaligen moralischen Standards, die einforderten, dass junge Frauen für ihr promiskuitives Verhalten büßen sollten. Zumindest ihr Ruf wurde nachhaltig beschädigt, wie auch ihre Auftraggeberin annimmt. Doch Eva ordnet sich nicht unter, sondern behält die Hoheit über ihr Handeln – am Ende wirkt ihr Verhalten moralischer als das der alten Dame. Unterstützt wurde Zivanovics Gespür für die beginnenden soziokulturellen Veränderungen durch eine kontrastreiche Bildsprache, deren Perspektiven die Menschen immer in Bezug zu ihrer Umgebung setzen. Mal verleiht er ihnen Dominanz, mal bleiben sie im Hintergrund oder assimilieren sich fast bis zur Unsichtbarkeit in der Landschaft. Obwohl nur wenige Minuten zu Beginn ins Bild gerückt, vermittelt der Weg Evas durch Berlin (auch wenn die Anordnung geografisch nicht logisch ist) eine Verlorenheit, die ihre späteren Motive verständlich werden lässt.

In stilistischer Hinsicht ähnelt „Verführung am Meer“ seinem Vorgänger „?udna devojka“, aber Regisseur Zivanovic konnte für den westdeutschen Markt etwas mehr wagen – Elke Sommer inszenierte er in ihrer Erotik konkreter als zuvor Spela Rozin. Beim Publikum geholfen hat es ebenso wenig wie die Küstenlandschaft und die populäre Besetzung. Obwohl dem Film seine inszenatorischen Qualitäten nicht abgesprochen wurden, lassen die wenigen Kritiken die Unfähigkeit erkennen, sich auf die inneren Beziehungen der Protagonisten, besonders aber auf die weibliche Hauptrolle einlassen zu wollen - bis hin zu der zwar werbewirksamen, die Intention des Films massiv missverstehenden Bezeichnung einer „modernen Robinsonade“. Sowohl „?udna devojka“ (Studentenliebe) als auch „Verführung am Meer“ waren hinsichtlich ihres Umgangs mit der Sexualität und den Geschlechterrollen ihrer Zeit voraus – und sind es immer noch. (9/10)

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