„Haunted by Death. Beaten by Life. No one escapes the Pain.”
2005 debütierte Tim Sullivan mit seiner durchgeknallten wie nicht gerade unblutigen Hershell Gordon Lewis Hommage Schrägstrich Fortsetzung „2001 Maniacs“ als Regisseur und bescherte der Genre-Gemeinde mit jenem spaßig-unterhaltsamen Flick einen netten Zeitvertreib, der eigentlich weitestgehend positiven Anklang fand. Knappe zwei Jahre später realisiert, liegt dem Publikum nun sein Nachfolgewerk vor: „Driftwood“ – ein düsteres, eher zurückhaltendes, beinahe vollkommen ernsthaftes Psycho-Drama, das eine in der Realität verwurzelte, mit Sozialkritik und einigen übernatürlichen (Horror-) Elementen anreicherte „Coming of Age“-Geschichte erzählt…
Driftwood ist der Name eines „Attitude Re-Adjustment Centers” – so die Bezeichnung einer dieser vornehmlich privaten Institutionen in den USA, in die besorgte oder überforderte Eltern ihre minderjährigen Kinder (selbst gegen deren Willen) „einweisen“ können und fortan nicht unerhebliche Summen Geld dafür zahlen, dass die zuständigen Betreiber den Kids „helfen“ und sie im Zuge dessen mit harter Hand und Durchsetzungsvermögen zu vorzeigbaren wie nützlichen Rädchen im Getriebe der Gesellschaft formen. Das neuste „Mitglied“ dieses Camps ist David Forrester (Ricky Ullman): Nachdem sein älterer Bruder Dean (Russell Sams), seines Zeichens Sänger einer Rock-Band und David´s großes Idol, vor einiger Zeit an einer Überdosis starb, verschloss sich der Teenager allen um sich herum, zog sich in einen von Trauer, Wut und Schuldgefühlen genährten Depressionszustand zurück, fing über den Tod nachzudenken an sowie seine Empfindungen schriftlich festzuhalten – und als seine Eltern (Lin Shaye/Marc McClure) schließlich jenes intimes Journal fanden, wussten sie sich nicht mehr anders zu helfen, als diesen einschneidenden (Interventions-) Schritt in die Wege zu leiten…
Vorsteher der betreffenden Einrichtung ist „Captain“ Doug Kennedy (Diamond Dallas Page), ein ehemaliger Marine, der gemeinsam mit seinen Assistenten Norris (David Eigenberg) und Yates (Talan Torriero) ein strenges Regiment führt – entsprechend stehen Schläge und Erniedrigungen an der Tagesordnung. Seinen Stuben-Kameraden gegenüber verhält sich David überwiegend distanziert und abweisend, da er einfach allein gelassen werden will, was natürlich umgehend ein gewisses Maß an Mißstimmung innerhalb der Gruppe erzeugt – nur der seinen Aufenthalt seiner homosexuellen Neigung „verdankende“ Noah (Jeremy Lelliot) gibt sich fortan noch einigermaßen Mühe, ihn in die Runde zu integrieren, was ihm so dann auch schrittweise gelingt. Als wäre die Situation nicht schon schwierig genug, suchen David seit der Nacht seiner Ankunft regelmäßig merkwürdige Visionen eines (allem Anschein nach toten) Jugendlichen heim – wie es sich später herausstellt, handelt(e) es sich bei diesem um den ehemaligen „Leidensgenossen“ Jonathan (Connor Ross), welcher, wie man ihm berichtet, bei einem Fluchtversuch in den umliegenden Sümpfen ums Leben kam. Irgendetwas stimmt aber offenbar an der Geschichte nicht – und augenscheinlich versucht diese rastlose Seele ihn in Richtung der entscheidenden Antworten zu lenken. Unliebsame Fragen werden aufgeworfen, die eng mit einigen gar nicht mal so lange vergangenen Geschehnissen auf dem Gelände in Zusammenhang stehen – und immer deutlicher zeichnet sich ab, dass des Rätsels Lösung, also ein Lüften jenes dunklen Geheimnisses, nicht nur David, sondern ebenso die jungen Männer in seiner direkten Nähe imminent in Gefahr bringt…
„Driftwood“ basiert in Teilen auf wahren Begebenheiten: Einer der Jungs, mit denen Sullivan mal im Rahmen einer Jugendgruppe zusammenarbeitete, erzählte ihm davon, wie er aufgrund seines „unkonformen Auftretens“ (dunkle Kleidung, aggressive Musik etc) von seinen Erziehungsberechtigten in eine solche Institution „abgeschoben“ wurde und was ihm dort bis zu seiner Entlassung (mit Erreichen der Volljährigkeit) so alles widerfuhr – bis dato fehlten ihm nämlich die Rechte, individuell über seinen Verbleib entscheiden zu dürfen. Das Blutbad an der Highschool von Littleton (20.04.1999), ebenso wie diverse ähnlich geartete Taten seither, hat die geradezu natürliche, oftmals mit Unverständnis gepaarte Unsicherheit vieler Eltern, wenn es um die Eigenheiten ihrer Kinder sowie der spezifischen Deutung dieser geht, um eine gehörige Portion Angst und Paranoia ergänzt – etwa davor, dass ihre Liebsten eventuell dem Beispiel der beiden Amokläufer Eric Harris und Dylan Klebold folgen könnten. Um genau das zu verhindern, greifen viele heute noch auf Einrichtungen wie die im Film hier aufgezeigte zurück – trotz ihres umstrittenen Rufes. Es ist halt eine einfache wie bequeme Entscheidung, die Erziehung in dieser Hinsicht anderen Personen zu überlassen. Für Kennedy markierte die Columbine-Tragödie gar eine effektive Form von Werbung – hinter vorgehaltener Hand erklärt er an einer Stelle, dass sie das Beste war, was seiner Branche überhaupt passieren konnte. Primär geht es ihm allerdings keinesfalls darum, drohendes Unheil abzuwenden oder erzieherische Maßnahmen zum Wohle einer guten Sache auszuüben – nein, unter dieser präsentierten Fassade leitet ihn in erster Linie der finanzielle Profit, welcher sich auf diese Weise relativ unaufwändig erwirtschaften lässt, denn einerseits setzt er seine „Schützlinge“ dazu ein, das heruntergekommene Gelände kostengünstig zu sanieren, um es im Anschluss dann gewinnbringend weiterzuverkaufen, während er darüber hinaus ja simultan dafür bezahlt wird, dass ihnen seine gewählten Methoden, zu denen diese Tätigkeiten im Speziellen nunmal zählen, Gehorsam und Pflichtbewusstsein vermitteln.
Eingangs ist man sich als Zuschauer nicht ganz sicher, was man von dem Captain halten soll: Er ist knallhart, jedoch nicht ohne Humor, gelegentlich gar fast kumpelhaft und weiß offensichtlich, wovon er redet (eine seiner regelmäßigen Ansprachen in der kleinen Kapelle lässt einem das unmissverständlich klar werden) – er glaubt auch fest an die Dinge, welche er zu vermitteln versucht, agiert bloß auf falschen Grundlagen, die ihrerseits an einem bestimmten Punkt eine fatale Ereigniskette in Gang setzten, in deren Verlauf er mehr als nur eine Grenze überschreitet. Der ehemalige Profi-Wrestler Diamond Dallas Page („the Devil´s Rejects“/„Gallowwalker“) verleiht ihm die nötige physische Präsenz – nur ließ mich das Gefühl nicht los, dass er die richtigen bzw notwendigen filigranen Töne im kritischen Bereich der Balance zwischen ausdrucksvoller Ernsthaftigkeit und satirischer Überspitzung öftermals knapp verfehlt. Ich hätte mir schlichtweg eine Gestalt mit stärkerem Charisma gewünscht – dadurch wäre es möglich gewesen, den inneren Abgründen seines nach außen getragenen Charakters stärkeres Gewicht zu verleihen sowie ihn noch bedrohlicher und unberechenbarer wirken zu lassen. Zusammen mit Kennedy lebt dessen Tochter Myra mit auf dem Grundstück – sie ist eine reizvolle Figur, welche man aber leider nicht genügend auszuschöpfen vermochte: Vorliegend bildet sie einen „erotischen Tease“ für die anwesenden Männer (knappe Kleidung, offenherziges Auftreten, Verspeisen von Wassermelonen-Scheibchen in der Öffentlichkeit etc) – nur existiert da wesentlich mehr im Hintergrund, besonders im Rahmen der Beziehung zwischen ihr und ihrem Vater. Die Deleted Scene „Dark Daddy“ auf der US-DVD greift diesen Aspekt gut auf und verleiht Myra mehr an Tiefe, weshalb es schade ist, dass man gerade diesen Clip im fertigen Film nicht verwendet hat. Baelyn Neff („Frostbite“/„I-See-You.Com“) ist von Natur aus sexy und einigermaßen talentiert, wurde also passend gecastet. Und wo wir schon bei der Verwandtschaft des Captains sind: Irgendwann stellt sich heraus, dass Jonathan, dessen Leiche im Übrigen nie gefunden wurde, Doug´s Neffe war, welchen jener als eine große Enttäuschung ansah…
Als David Forrester überzeugt Ricky Ullman (TV´s „Phil of the Future“/„Havoc 2”) restlos: Er ist ein ganz normaler Teen, den ein persönlicher Schicksalsschlag aus der Bahn geworfen hat und der sich jetzt in einer Umgebung wiederfindet, in die er eigentlich nicht hineingehört. Ullman transportiert David´s (zum Eigenschutz) unter einer vermeintlich harten Schale verborgene Verletzlichkeit treffend. Er fühlt sich von allen verlassen – sein Bruder ist tot, seine Eltern (stark: Lin „2001 Maniacs“ Shaye und Marc „Superman returns“ McClure) haben ihn einfach nach Driftwood in die Hände Fremder abgeschoben, statt selbst mehr Verständnis, Geduld und Einfühlungsvermögen aufzubringen. Er ist nicht dazu bereit, sich der Situation um sich herum zu ergeben – entsprechend eckt er ständig sowohl bei seinen Kameraden als auch den Aufsichtspersonen an. Zwischen ihm und Kennedy geht es permanent vor und zurück – hinsichtlich des Vertrauens, der Gunstverteilung und letztendlichen Oberhand. Die Entwicklung seines Charakters empfand ich als durchweg gelungen – was gerade angesichts der Tatsache sehr wichtig ist, dass die anderen Protagonisten (Wärter wie Insassen) eher den gängigen Stereotypen entsprechen, was natürlich den Aufbau einer intensiveren Bindung zu ihnen erschwert. Aus jenen Reihen ragen an und für sich nur Jeremy Lelliot („Gacy: the Crawl Space“) und Talan Torrenio (MTV´s „Laguna Beach“) auffallend hervor – letzterer als zum Aufseher aufgestiegener „Resozialisierter“, dessen Furcht, diesen Status erneut zu verlieren und somit ohne Perspektive im Leben dazustehen, ihn zu manch einer Aktion treibt, die er im Innern gar nicht ausführen will. Ersterer indessen hat wegen seiner Homosexualität keinen leichten Stand – ferner leidet er an der Belastung des Glaubens, er hätte seinen besten bzw gar einzigen wahren Freund getötet. Und noch eine interessante Notiz am Rande: Nebendarsteller David Skyler („Sydney White“) hat sogar mal selbst einige Zeit in einer solchen Institution verbracht, wie er im „Making Of“ berichtet...
Das Drehbuch aus der Feder von Sullivan und Chris Kobin ist auf jeden Fall in vielerlei Bereichen kompetent und verbindet etliche aus Werken wie „One flew over the Cuckoo´s Nest“, „Cool Hand Luke“, „Holes“, „Sleepers“ oder diversen Stephen King Geschichten bekannte Motive mit realen Gegebenheiten zu einer anregenden, zum Glück nicht abgegriffen anmutenden Kombination, welche zum Nachdenken anregt, sich weitestgehend erfolgreich die Aufmerksamkeit des Publikums sichert (u.a. dank der intensiv angegangenen Inhalte) und auf diese Weise auch einzelne Vorhersehbarkeiten passabel kaschiert. Es ist erschreckend, was in derartigen Einrichtungen zum Teil für Zustände herrschen – wie Existenzen dem Profit untergeordnet werden (in Seniorenheimen ist es ja oftmals nicht anders), was hinter verschlossen Türen so alles getan oder gar verbrochen wird, zum Beispiel unter dem Deckmantel der „Disziplinierung“, und welche Auswirkungen das Erfahrene auf die Psychen der Betroffenen haben kann. Die solide, von Recherchen untermauerte Ausgangsbasis hätte demzufolge locker das Fundament einer nachdrücklichen, sozialkritischen Studie über die heutige Jugend, Angstformen sowie autoritäre Gewalt bilden können – nur leider wurde dieser Ansatz per Zugabe einer übernatürlichen Komponente, die mich von ihrer Beschaffenheit her unweigerlich an „Stir of Echoes“ erinnerte, unvorteilhaft verwässert, was „Driftwood“ letzten Endes das Ausschöpfen seines vollen Potentials bzw seiner umfassenden Kraft verwehrt. Es wäre zweifelsohne sinniger gewesen, die Story für sich selbst sprechen, sich also voll auf ihre Figuren und deren Umstände konzentrieren zu lassen, statt den realen Horror mit phantastischen Beimengungen anzureichern und ihm dadurch eine nicht unerhebliche Dosis Authentizität zu rauben. Selbst der sich um das Geheimnis um Jonathan´s Schicksal rankende Plot-Strang hätte genauso gut ohne den „Weg-weisenden Geist“ funktioniert.
Sullivan realisierte dieses ihm sehr nahe stehende Projekt in nur 15 Tagen mit einem bescheidenen Budget auf dem Gelände der vor Jahren geschlossenen „Fred C. Nelles Youth Correctional Facility“ in Kalifornien – eine kalte, düstere, großartig passende sowie unheimliche Atmosphäre ausstrahlende Location: Die leeren Gänge und verwohnten Räumlichkeiten spiegeln viele vergangene Dinge wieder – besonders ein bis zur Decke hinaufreichender Stapel alter Fahrräder in einer der Hallen bietet einen einprägsamen Anblick und lässt sich ebenso als Metapher für die verlorene Kindheit der Jugendlichen ansehen. Die Szenen am Tage sind hell und bilden einen gewollten Kontrast zu den Dingen, die nachts in den Schatten lauern. Die rastlose, ein groteskes „Grinsen“ tragende Seele wird kaum direkt und jeweils länger als ein paar Sekunden gezeigt – zumeist in Form von kurz aufblitzenden Schwarzweiß-Images, die ich im Kontext eher als überflüssig empfand, während sporadische länger andauernde Begegnungen (wie als Kennedy David mal im „Loch“ einsperrt) schön creepy daherkommen und im Zuge ihrer Beschaffenheit die psychologische Ebene bereichern. Humoristische Elemente wurden nur punktuell eingebunden, die vorhandene Gewalt dient nie einem Unterhaltungs- oder Selbstzweck, Blut setzte man nur spärlich ein – schon das veranschaulicht ja bereits überdeutlich den Unterschied zu „2001 Maniacs“. Das ruhige Tempo ist der Materie angemessen und einige Momente weisen ein angenehmes Suspense-Level auf – die ungemütliche Stimmung überträgt sich unvermeidlich auf den Zuschauer. Allein deshalb ärgert es mich geradezu, dass mir der Streifen insgesamt nicht besser gefiel, was zudem mit einer Reihe Details in Zusammenhang steht, wie etwa der Nicht-Verwendung einiger Einstellungen des in meinen Augen runderen alternativen Endes. Handwerklich beweist Sullivan mit seiner vorliegenden „Softmore-Arbeit“ nichtsdestotrotz eindeutig, dass er ein Regisseur ist, den man unbedingt auf dem Radar behalten sollte – er besitzt ein starkes Gespür für das, was er transportieren und auf Film bannen möchte, und hat diverse herausragende Sequenzen inspiriert arrangiert, wie etwa die gegen die Gruppenmitglieder gerichteten disziplinarischen Maßnahmen, ein aufwühlender Besuch von David´s Eltern oder eine angespannte Konfrontation zwischen ihm, Noah und Kennedy. Ähnlich wie Regie-Kollege Adam Green, der nach „Hatchet“ den vollkommen anders gearteten Psycho-Thriller „Spiral“ vorlegte, hat auch Sullivan hiermit eindrucksvoll bewiesen, dass sein Schaffen nicht bloß auf eine Schublade des Genres limitiert ist – unabhängig der Gegebenheit, dass dieses Projekt an sich bedauerlicherweise nicht übers Mittelmaß hinausreicht…
Fazit: „Driftwood“ ist ein ruhige, unbehagliche, solide inszenierte (Low-Budget-) Indie-Produktion, deren zentrale „Coming of Age“-Geschichte allerdings letzten Endes von der insgesamt etwas ungünstig anmutenden übernatürlichen (Horror-) Komponente leider ein merkliches Stück weit geschwächt wird … „5 von 10“ – jedoch nahe der Grenze zur „6“