Review

Mir wurde der Film Ginger Snaps anfangs als Horrorkomödie im Stile der Buffy TV-Serie empfohlen, so bin ich beim ersten Schauen mit gänzlich falschen Erwartungen an den Film gegangen. Das dieser Film eher ein Drama ist wird schon während der tollen Eröffnungssequenz deutlich, wenn wir die beiden Schwestern Ginger und Brigitte (inzwischen hab ich raus wie man den Namen richtig schreibt) als, sich dem oberflächlichen Alltagsleben ihrer Altersgenossen verweigernde, unter Todessehnsucht leidende Außenseiter präsentiert bekommen, die in ihrer Freizeit am liebsten ihre eigenes Ableben auf makabere Weise inszenieren.

Eines Nachts, als die beiden gerade auf Hundejagd sind, wird Ginger von einem unidentifizierbaren Tier angefallen und gebissen. Natürlich war es ein Werwolf und die gute Ginger bekommt von nun an einige Probleme mit ihrer Körperbehaarung und ihrem Heißhunger auf rohes Fleisch. Brigitte versucht nun alles um die Verwandlung ihrer Schwester vor der Außenwelt zu verbergen und ein Gegenmittel gegen die immer heftigeren Anfälle tierischen Verhaltens zu finden.

Der Film fokussiert sich völlig auf die beiden Hauptdarstellerinnen und deren Bemühungen sich durch die Pubertät, das vorstadtinterne Spießbürgertum und natürlich durch die Probleme, mit der zunehmenden Werwolfverwandlung Gingers, zu schlagen. Es ist wirklich toll gelungen durch die Horrorelemente das pubertäre Verhalten Gingers zu überzeichnen und so quasi die Verwandlung als Visualisierung und Verdeutlichung des Erwachsenwerdens zu benutzen. Diese Rolle fällt Ginger zu, Brigitte nimmt den Gegenpart ein, verzweifelt muss sie mit ansehen, wie sich ihr ihre Schwester, die einzige Bezugsperson in ihrem Leben, entfremdet. Für die Seitenhiebe auf das scheinbare Vorstadtidyll sorgen zum einen einige fiese Kommentare Gingers, zum anderen einige wirklich treffend eingefangene Familiendiskussionen ala American Beauty. Das klingt jetzt alles nicht wirklich nach Horror, doch diese Befürchtungen kann ich zerstreuen, es gibt in der zweiten Hälfte des Films einige blutige Todesfälle und die finale Konfrontation zwischen, der nun völlig zur Bestie mutierten, Ginger und Brigitte ist auch beim mehrmaligen Ansehen an Spannung kaum zu überbieten. Man sollte halt gewarnt sein, dass der Film kein Schema-F High School- oder Sonstwie-Horrorfilm ist, sondern etwas eigenständiges ist, was nicht wirklich in eine Genre-Schublade passen will.

Der Hauptgrund, warum diese verschiedensten Elemente so gut zusammen passen und einen wirklich fantastischen Film bilden, sind vor allem die beiden Hauptdarstellerinnen. Katharine Isabelle (Ginger) und Emily Perkins (Brigitte) kommen als, in seiner eigenen Welt lebendes, Schwesternpaar völlig natürlich und glaubwürdig rüber. Beide haben unterschiedliche aber schwierige Parts zu bewältigen um dem Film die emotionale Tiefe zu verleihen, die ihm von vielen Genrekollegen abhebt und sie schaffen das vorzüglich. In einem Filminternen Darstellerkontest gewinnt aber knapp Emily Perkins, die in der Fortsetzung übrigens noch mal eine Klasse zulegt.

Wirklich hoch anzurechnen ist dem Film, das er trotz des Handlungsortes High School nicht nur geschickt gängige Genre-Klischees vermeidet, sondern auch auf eine dämliche zielgruppengerechte Inszenierung verzichtet. Der Film verwendet größtenteils lange Einstellungen mit einer sich langsam bewegenden Kamera, auch in den Actionszenen bleibt die Handlung überschaubar dank nachvollziehbarer Schnitte. Nur der erste Angriff auf Ginger ist unerkennbar hektisch geschnitten, aber das liegt wohl daran das man dem Zuschauer das Monster noch ein wenig vorenthalten wollte. Einige Einstellungen überraschen durch ihren Einfallsreichtum, wie beim Dialog zwischen den Schwestern durch die Badezimmertür mit, durch den Fußboden nach oben filmender Kamera, oder die Kamerafahrten auf Bodenhöhe. Auch mit der Farbgebung hat man sich einiges einfallen lassen, beginnt der Film noch recht warm mit vielen Brauntönen, werden mit zunehmender Handlung die Farben immer kälter und blässer, vor allem grün und grau kommen später zum Einsatz. Der Soundtrack ist wirklich spitze, Rock und Metal wenn es halt direkt in den Szenen vorkommt, ansonsten kommt das tolle erstaunlich ruhige Ginger Snaps Theme von Michael Shields öfters im Film vor, schade das es diese Erkennungsmelodie nicht in die Fortsetzungen geschafft hat.

Fazit: Wirklich einer der besten Horrorfilme der letzten Jahre, sehr beeindruckend, vor allem wenn man bedenkt, dass es sich um eine Low-Budget Produktion handelt. Ein Film mit Herz, Sinn und Verstand sowie zwei fantastischen Hauptdarstellerinnen, irgendwo zwischen Teenager-Drama, Gesellschaftssatire und Horrorthriller. Für Genre-Fans ist Ginger Snaps ein absolutes Muss, aber auch Menschen die eine Abneigung gegenüber Horrorfilmen haben können sich hier gerne belehren lassen, dass man Blut und Werwölfe auch in einer tollen doppelbödigen und äußerst sehenswerten Story unterbringen kann.

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