Im Jahre 2000 sorgte der kanadische Regisseur John Fawcett mit „Ginger Snaps“ für angenehm frischen Wind im Werwolf-Subgenre. Im Gewand eines Teenager-Horrorfilms zeigt er das junge Geschwisterpaar Ginger und Brigitte, das sich dem Erwachsenwerden verweigert, mit pubertären Spielchen ebenso wenig zu tun haben möchte wie mit der Realität der verachtenswerten, perspektivlosen Kleinstadt, in der sich die beiden Langeweile und uninteressanten, aus ihrer Sicht idiotischen, oberflächlichen Mitschülern ausgesetzt sehen. Sie frönen dem Außenseiterdasein, leben ihre Vorliebe fürs Morbide als Reaktion auf die äußeren Umstände aus und halten zusammen, wo es nur geht. Das Verhältnis zu ihren zerstrittenen Eltern ist unterkühlt und geprägt von Respekt- und Kommunikationslosigkeit, man lebt quasi nebeneinander her („Ich hasse unseren Gen-Pool!“). Man entzieht sich gängigen, als primitiv erachteten Balzritualen und kleidet sich betont unaufreizend. Diese Ausgangssituation wird schwarzhumorig und gut nachvollziehbar dargestellt, schnell werden die schrägen Schwestern aufgrund ihrer teenieklischeearmen Charakterisierung zu Sympathieträgern. Der Alltag ändert sich jedoch schlagartig, als bei der ein Jahr älteren und attraktiveren Ginger die Menstruation eintritt und sie zudem von einem Werwolf gebissen wird. Ginger erlebt eine Entwicklung vom zynischen Freak zur selbstbewussten, an Jungs und Sexualität interessierten Frau bis hin zur Appetit auf Fleisch bekommenden, aggressiven Werwölfin, die die Kleinstadt unsicher macht. Diese Metamorphose treibt einen Keil zwischen Ginger und Brigitte und das einst so starke Duo bricht auseinander. Zwar bleibt der schwarze Humor über weite Strecken erhalten, doch gesellen sich nun „echtes“ Blut und tatsächliche Gefahr für Leib und Leben hinzu, wobei der Film mit entsprechenden, gut umgesetzten Szenen nicht geizt, dabei aber nie in reinen Selbstzweck verfällt. Die unheilvolle Entwicklung wurde dramaturgisch unterhaltsam und spannend inszeniert, wenn auch das Drehbuch bei näherer Betrachtung die eine oder andere Wendung als gegeben auftischt, ohne sie logisch 100%ig nachvollziehbar herzuleiten. Damit ist man im Horrorgenre aber in guter Gesellschaft und diese Details verleiden die Freude an „Ginger Snaps“ nicht wirklich. Den beiden Mädels zuzusehen, macht einen Heidenspaß. Emily Perkins (die bereits in „Es“ die kleine Beverly March spielte!) und Katharina Isabelle mimen die angepissten Teenies absolut klasse, schauspielerische Ausfälle gibt es generell keine zu verzeichnen. Mit der Zeit schlägt der Film allerdings einen ernsteren Ton an, der sich immer weiter steigert, bis im düsteren, traurigen Finale praktisch nichts mehr von der vorausgegangenen Leichtfüßigkeit der Handlung vorhanden ist. Dabei funktioniert „Ginger Snaps“ hervorragend als Parabel auf das Erwachsenwerden, damit einhergehende Veränderungen, das Entdecken der Sexualität und das Ende der unbedarften Kindheit. Der Pessimismus dabei steht dem Horrorfilm gut zu Gesicht und wird viele kleine Gingers und Brigittes da draußen bestätigen. Das einzige, das den Filmgenuss ein wenig stören könnte, ist das Creature Design, das man in anderen Werwolf-Filmen schon wesentlich effektiver gesehen hat. Alles in allem ist „Ginger Snaps“ eine erfrischende, intelligente Neuinterpretation der klassischen Lykanthropen-Schauermär, eingebettet in eine Kleinstadtatmosphäre, die alleine schon der Alptraum eines jeden Teenagers sein dürfte. Zudem schwer unterhaltsam mit überzeugenden Jungschauspielerinnen umgesetzt. Vielleicht der beste Werwolf-Horror seit den Achtzigern?