"The City of the Dead" ist sicherlich eine kleine Perle des Horrorfilms, leider auch eine nahezu vergessene Perle, was recht tragisch ist, da Moxeys Hexen-Horrorfilm nicht nur über einige Qualitäten verfügt, die keineswegs selbstverständlich sind, sondern weil sein kleines Meisterwerk auch in vielerlei Hinsicht innovativ ist.
Dass er trotzdem weitestgehend in der Versenkung verschwunden ist (und das, obwohl er mit Christopher Lee einen großen Namen aufweisen kann) liegt sicherlich daran, dass seine Ansätze ziemlich genau zeitgleich in zwei anderen Klassikern des Horrorfilms Verwendung gefunden haben, die diesem Werk dann doch überlegen sind.
Zu Beginn des Films spielt die Vorgeschichte noch im 16. Jahrhundert und präsentiert eine Hexenverbrennung an einer gewissen Elizabeth Selwyn, die kurz vor ihrem Tode noch in triumphierendes Gelächter verfällt und auf Lucifers Beistand hofft. In ihr kreischendes Gelächter mischt sich das "Burn Witch! Burn Witch!" der Dorfbewohner.
Es folgt ein Schnitt, das "Burn Witch!" hält jedoch an, nun ausgestoßen vom einige Jahrhunderte später lebenden Prof. Alan Driscoll (Christopher Lee), der einen Vortrag über Hexerei und Hexenwahn hält - wobei er selbst keinen Hehl daraus macht, dass er an die tatsächliche Existenz von Hexen glaubt.
Seiner Schülerin Nan Barlow rät er im Anschluss zu einer Fahrt nach Whitewood, wo vor langer Zeit die Selwyn verbrannt worden ist und wo nun Nan Barlow ein paar Informationen für ihre Arbeit über Hexerei einholen soll.
Kaum in Whitewood angekommen [Achtung: Spoiler], breitet sich schlagartig die typische Gruselatmosphäre des klassischen Horrorfilm aus: Der Ort scheint nahezu menschenleer zu sein und ständiger Nebel zieht durch die Gassen... (vermutlich wurde nur noch in Fulcis Fantasy-Epos "La Conquista" (1983) mehr Kunstnebel verströmt.) Auch die Atmosphäre im Inn, wo Nan Unterschlupf findet, bedient sich klassischer Motive: Neben der strengen, distanzierten Wirtin Mrs. Newless ist auch eine stumme, von ihrer Chefin gegängelte Angestellte anwesend (das Pendant zum buckligen Gehilfen des Mad Scientists oder des vampirischen Grafen etc.); viel verheerender erscheint aber dem Zuschauer die Tatsache, dass Mrs. Newless die Züge Selwyns trägt.
Spätestens als Nan auf ihrem Bett noch einen aufgespießten Vogel findet (ein Akt, der ihr aus ihren Studien über Hexerei vertraut ist) kann der Zuschauer sich ein Bild der Situation machen und wird kurz darauf bestätigt. In der Nacht hört Nan nämlich einen Sprechgesang aus den Kellergängen klingen und sieht auf den Straßen Kutten tragende Gestalten umherziehen. Ihr Versuch der Sache auf den Grund zu gehen endet tödlich: Sie wird entdeckt - oder viel eher erwartet - überwältigt, auf einen steinernen Altar gezerrt und von Mrs. Newless erstochen - unter der Anwesenheit Professor Driscolls.
Das eindringende Messer wird dem Zuschauer zwar vorenthalten - Moxey schneidet über zu einer Feier von Nans Freunden und lässt im richtigen Moment ein anderes Messer in einen Kuchen gleiten (ein makaberer Scherz, basierend auf Eisensteinschem Prinzip) - die Drastik des Geschehens überrumpelt den unvorbereiteten Zuschauer dennoch beispiellos.
Oder vielmehr fast beispiellos. Denn wie Moxey ging auch Hitchcock nahezu zeitgleich mit seiner Heldin in "Psycho" (1960) um, der knapp 10 Wochen vor Moxeys Film Premiere feierte, und ließ die Hauptfigur nach der Hälfte des Films sterben. Hier wie dort ist kein Einstich zu sehen, in seiner ruppigen Art erinnert "The City of the Dead" allerdings schon fast stärker an das "Texas Chainsaw Massacre" (1974) eines Tobe Hoopers, da nutzlose Gegenwehr und panisches Geschrei hier noch effektiv ausgekostet werden.
Der zweite Horrorklassiker, mit dem "The City of the Dead" grundlegende und damals neuartige Elemente teilt, ist Mario Bavas "La Maschera del Demonio" (1960), der nur einen knappen Monat zuvor Premiere hatte.
Beide Filme beginnen mit der Hinrichtung einer Hexe um dann lange Zeit später ihre Racheakte vorzuführen. Insofern liefern beide Filme den Grundstein späterer Hexenjägerfilme, zu denen Roger Cormans Lovecraft-Verfilmung "The Haunted Palace" (1963) und besonders Michael Reeves "La sorella di Satana" (1966) eine Brücke schlagen sollte, ehe dann (ebenfalls durch Reeves) mit "Witchfinder General" (1968) die eigentliche Welle losgeschlagen werden sollte, bei der sich die Thematik der Rache einer gerichteten Hexe gewandelt hatte in das Leid unschuldig Gerichteter. Bei Jess Franco schienen hier und da die früheren Aspekte nochmal durch (und schwächten damit auch die späteren Aspekte wieder etwas ab), etwa in seinem "Les Demons" (1972), der laut Vorspann auch auf einem Roman David Khunnes (als Franco selbst) basieren soll.
Auf die späteren Hexenjägerfilme schielte man offenbar auch hierzulande, als man den Film in einer Super 8 Fassung als "Hexen - Quälen - Schänden - Töten" an den Mann bringen wollte.
Dass Moxey mit diesem Werk sowohl hinter Hitchcock als auch hinter Bava zurückbleibt, ist nicht zu leugnen. Hitchcock hat den intelligenteren Stoff und einen perfektionierten Stil, Bava gibt sich ungleich poetischer und bildgewaltiger. Dennoch ist Moxeys Werk eine kleine Perle, die - gerade auch hierzulande - noch immer auf eine erstklassige DVD-Auflage wartet.
Abgesehen von den Innovationen kann Moxey aber auch ansonsten noch unterhalten: In der zweiten Hälfte des Films machen sich Nans Freunde auf die Suche und entfachen im Finale einen gewalttätigen Kampf zwischen ihnen und den Hexen, Hexern und Satanisten in Whitewood, die schon auf der Suche nach neuen Opfern sind, durch die Macht des Kreuzes (zugegebenermaßen ein etwas naives Ende) in Flammen aufgehen und nun endgültig dahinscheiden.
Bis zu diesem vergleichsweise actiongeladenem Finale kann Moxey den Spannungsbogen nahezu dauerhaft aufrecht erhalten, was ihm schon aufgrund der atmosphärisch stimmigen Sets ein Leichtes ist. Zum Ende hin erzielt er sogar einige kunstvolle Bilder (die Kreuze auf dem Friedhof, die Kirchturmglocken etc. erreichen fast schon die Qualitäten vergleichbarer Einstellungen in Dreyers "Vampyr" (1930)), die handwerklichen Qualitäten sind auch ansonsten durchgängig solide und nur die spärlich eingesetzte Musikuntermalung überspannt am Ende den Bogen vielleicht ein wenig und strapaziert sicherlich das Nervenkostüm des einen oder anderen Zuschauers.
Bei der zeitgenössischen Kritik kam das naive und stellenweise ungewöhnlich drastische Werk weniger gut an.
Satte 7/10.