Review

Meiner Meinung entstanden die besten Filme in den siebziger und achtziger Jahren (quasi die Jahre meiner Aufzucht) und so möchte ich an dieser Stelle nun einen weiteren Meilenstein dieser Zeit besprechen:

Martin Scorsese und Robert de Niro können auf eine beeindruckende, gemeinsame Filmografie, die Filme wie „Casino“ oder „Kap der Angst“ beinhaltet, zurückblicken. „Taxi Driver“ war nach „Hexenkessel“ ihre zweite Kooperation. Inzwischen zum Klassiker avanciert, hat dieser Film nichts von seiner Qualität eingebüßt.

Scorsese nimmt sich wieder mal New York als Kessel des Schmutzes und der Sünde vor. Einmal mehr ist es das negative Portrait des „Big Apple“, in welcher das Leben nie zur Ruhe kommt. Ganz besonders in den Slums nicht. Hier regiert der Schmutz, die Prostitution, das Drogengeschäft und die Gewalt. Das Bild ist geprägt von bedrohlicher Dunkelheit, Dreck und zwielichtigem Gesindel. Ex-Soldat Travis Bickle (Robert de Niro), der seinem Vaterland im Vietnamkrieg gedient hat, findet sich in der „normalen“ Gesellschaft nicht mehr zurecht. Er kann nicht schlafen und fährt deshalb Nacht für Nacht Taxi, Schicht für Schicht. Er bekommt die merkwürdigsten und widerwärtigsten Personen zu Gesicht und gerade deshalb ist sein Bild der dort Lebenden so durch und durch negativ. Ziellos und ohne jeden Lebensmut taumelt er durch das Leben. Die im Stil eines Tagebuchs verfassten Monologe des Travis Bickle machen uns klar, dass er ein Verlorener auf der Suche nach Liebe, Zuneigung und Beachtung ist. Seinen Kollegen ist er nicht ganz geheuer oder egal. Wenn Travis sie um Rat fragt, antworten sie mit Allerweltsrezepten oder irgendwelchen Floskeln. Ist denn kein Mensch da, der noch wirklich Mensch ist und ihn versteht?
Die Lösung alles Übels scheint die Wahlhelferin des aktuellen Präsidentschaftskandidaten Charles Pallantine Betsy (Cybill Shepard) zu sein. Der schüchterne Travis spricht sie an, lädt sie auf einen Kaffee ein und glaubt in ihr alles zu finden, was er bislang gesucht hat, wird aber letztlich, aufgrund seines fehlenden Feingefühls, enttäuscht. Wie die Kamera sich während des letzten Telefonats mit Betsy (sie beendet die Beziehung nach einem unpassenden Kinobesuch) dem langen, leeren Flur nähert, ist wohl einer der wichtigsten Einstellungen des Films, zeigt sie doch die Leere, die nun wieder in Travis Gedanken Einzug halten. Nach dem schnellen Ende dieser sich anbahnenden Beziehung, sieht Travis nur noch eine Möglichkeit aus seiner Tristesse: Gewalt. Er bereitet sich auf eine Mission vor. Ein Amoklauf wird geplant. Ein Anschlag auf den Präsidentschaftskandidaten soll Bickle die Aufmerksamkeit bringen, die er verdient. Legendär ist die Szene, in der Bickle mit seinem Spiegelbild spricht : "Du laberst mich an?".Der einzige Lichtblick in all der Tristesse ist die 12-jährige Prostituierte Iris (die damalig 14-jährige Jodie Foster in einer sehr frühreifen Lolita-Rolle). Das Ende entlädt sich dann spektakulär und schonungslos. Nachdem das Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten scheitert, mäht Travis mit unkontrollierbarer Gewalt Iris' Zuhälter Sport (Harvey Keitel) und dessen Helfer nieder. Dieser Showdown sucht in seiner Konsequenz und seiner unter die Haut gehenden Brutalität seinesgleichen. Die perfekte Visualisierung von befreiender Gewalt. Bickle gerät in einen Blutrausch, metzelt alles nieder, was ihn aufhalten könnte. Als er dann zu Iris vordringen kann, wird er in der Boulevardpresse als Held gefeiert, der das arme minderjährige Mädchen aus der Prostitution befreit hat.
Travis Bickle fährt wieder in die Nacht hinein... bis zur nächsten Entladung seines inneren Hasses.Robert de Niro ist in seiner Rolle umwerfend und schlicht und einfach großartig. Wie üblich hat er sich intensiv mit seiner Rolle auseinander gesetzt (er fuhr vor Drehbeginn mehrere Wochen Taxi) und das spürt das Publikum. Wir wissen nicht was in Vietnam passiert ist, aber er ist „anders“ von dort zurück gekehrt und muss sich nun, auf sich allein gestellt in der Gesellschaft zurecht finden, für die er gekämpft hat, ihn aber letztendlich verachtet (Betsy). Bickle ist kein schlechter Mensch. Nein, er ist unsicher und naiv. Der direkte Weg führt ihn nicht zum Ziel. Man will ihn nicht und das tut weh. Er verliert damit jegliche Hoffnung, wird depressiv und schottet sich ab. Selbst seinen Eltern flunkert er was vor. Sein Problem ist, dass er nur diese von Egoismus angetriebene Gesellschaft voller Schmutz und Gewalt kennen gelernt hat. Würde er andere Perspektiven sehen, würde er vielleicht den Ausbruch wagen. So bleibt er im Moloch stecken.

Bickles Entwicklung zeichnet sich ab. Spätestens während seines berühmten Monologes vor dem Spiegel muss der Zuschauer erschreckt feststellen, dass er plötzlich in ein anderes, hässlicheres Gesicht blickt.
Der Zuschauer weiß, welch psychopathischer und labiler Geist in Bickle wohnt, und dass es wohl nicht lange dauert, bis die nächste Gewalttat folgt. Und dennoch wird Travis als Held gefeiert. In einer der letzten Szenen wird sogar ein Dankesbrief der Eltern Iris' aus dem Off vorgelesen. Da kann man nur denken: "Wenn die wüßten..." Und nach dem Abspann geht einem vielleicht ein Licht auf. Sind wir alle in einen solchen fatalen Irrglauben geraten - und unser bester Bekannter ist eigentlich ein Psychopath? Schon ziemlich harter Tobak, den Martin Scorsese uns da vorhält, da-bei ist die Interpretation des Ganzen (ich sah sie im making of der DVD) ganz einfach:

Travis will die Vaterfigur der Frau töten, die er nicht haben kann und tötet schließlich die Vaterfigur der Frau (wir wollen Jodie Foster an dieser Stelle mal als Frau bezeichnen, obwohl sie damalig erst 14 Jahre alt war) die er bekommen kann.

Fazit:

„Taxi Driver“ ist eine beängstigend realitätsnahe und fesselnde Auseinandersetzung mit der Zeitbombe Mensch und seiner Einsamkeit in einer ihn nicht beachtenden Gesellschaft. Begleitet von der melancholischen, unvergesslichen Musik Bernard Hermanns und unterstützt von einer fabelhaften Besetzung in den übrigen Rollen (Harvey Keitel, Jodie Foster, "Wizard"-Peter Boyle) schickt uns Scorsese in „sein“ New York. Es ist nicht hübsch, nicht freundlich und schon gar nicht einladend (ich möchte da nicht wohnen), aber es ist da. Der genial aufspielende Robert de Niro verkörpert einen psychisch gebrochenen Außenseiter, der sich nie in der Gesellschaft zurecht finden konnte und schlussendlich ein Ventil findet, sich einmal in den Mittelpunkt zu stellen. Kein böser Mensch, nur einer, der sich nicht ausdrücken konnte und dank seiner Naivität und fehlenden Fähigkeit im Umgang mit Menschen ausgenutzt worden ist. Dieser Film ist ein Klassiker, den man sich immer wieder anschauen kann und dabei immer etwas Neues entdecken und abgewinnen kann. Dieser Nachttrip gehört ins Pflichtprogramm eines j

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