Martin Scorsese war und ist, immer noch, ein Regisseur, dessen Film für mich stets schwer verdaulich sind. Er führt dort Regie, wo die Figuren nicht nur eintönig sind sondern meist vielschichtige Charaktere.
Aufmerksam geworden auf ihn bin ich durch einen Beitrag in einer Doku, in der es um die Brutalität in Boxfilmen ging. Ich glaub das war in Zusammenhang mit Rocky. Hier zeigte man einen Ausschnitt aus „Wie ein wilder Stier“ mit Robert De Niro. Blutfontänen spritzten aus klaffenden Platzwunden und das ganze in Zeitlupe. Toll, dachte ich, da geht’s ja richtig heiß her. Den Film musst du unbedingt haben. Mein erster Eindruck war dann eher ernüchternd, denn ich erwartete ja einen Actionstreifen. Am Ende war ich sehr überrascht. „Wie ein wilder Stier“ ist eine Biografie eines Boxers, der kein netter Mensch ist. Der Film hat mir nicht wirklich gefallen, doch respektiere ich seine Qualität. Er ist keineswegs schlecht, ganz im Gegenteil, nur eben nicht so ganz mein Thema. Dennoch bin ich froh ihn in meiner Sammlung zu haben, denn, gerade wo ich diese Zeilen hier schreibe kommt er mir verstärkter ins Gedächtnis und bekomme ich Lust darauf ihn nochmals zu sehen. Scorseses bester Darsteller war hier ohne Frage Robert De Niro, den ich mit zu den absoluten Top Darstellern der Filmgeschichte zähle. Seine Recherche für die Rolle ging so weit, dass er das Boxen erlernte und sogar in den Ring stieg um einige Kämpfe zu bestreiten. Für den Film futterte er sich ziemlich viel Pfunde an und kratzte damit schon arg an seiner Gesundheit. Ebenso, wie es Christian Bale für die Glaubwürdigkeit seiner Rolle in „The Mechanic“ tat. Hier nur in umgekehrter Richtung. Er nahm soviel ab, dass er sich zeitweise sogar kaum auf den Beinen halten konnte. Ärzte am Set waren drauf und dran die Reisleine zu ziehen.
Wie dem auch sei. Mein zweiter Kontakt mit Scorseses Werken kam dann mit „Kap der Angst“ und abermals schockierte mich dieser Regisseur. Zum einen mit der Szene mit Juliette Lewis und De Niro und zum anderen mit De Niros Vergewaltigung von Illeana Douglas. Mit diesem Film trat Scorsese dann verstärkt in meinen Fokus und so schaute ich mir vor kurzem GoodFellas an. Dieser besticht durch seine unvergleichliche Atmosphäre und der Porträtierung der Mafia-Szene, einem Thema, dessen sich Scorsese des öfteren widmet, denn er kommt auch aus solch einer Umgebung.
Da des Meisters Filme für mich so schwer verdaulich, da doch sehr realistisch, sind, tat ich mich schwer mit „Taxi Driver“, der mir von verschiedenen Stellen empfohlen wurde. Auch mit der Aussage, er sei sehr brutal. Nun wusste ich ja von „Wie ein wilder Stier“, dass Scorsese nicht plakativ auf Action setzt, sondern dies stets im Kontext einer sehr ausgefeilten und tiefsinnigen Geschichte präsentiert. Also erwartete ich einen unkonventionellen Film und sollte nicht enttäuscht werden.
De Niro spielt Travis Bickle, einen Taxifahrer. Einen Menschen, der in sich zerrissen eine tickende Zeitbombe ist. Am Rand einer Psychose versieht er stur seinen Dienst, bis zur völligen Erschöpfung. Dabei empfindet er immer mehr Hass und Verachtung für die Welt um sich herum. Die aufkommende Romanze mit einer Wahlhelferin gibt ihm etwas Aufwind. Doch wird der jäh zerstört, als er meint, das Leben wie er es führt wäre normal. Und so führt er seine Errungenschaft in ein Pornokino, nichts ahnend, dass dies eben nicht normal ist. Die Konsequenz dessen ist der Verlust einer sich aufbauenden Beziehung. Dieses Ereignis treibt ihn nur noch schneller an den Abgrund und so verschiebt sich seine Wahrnehmung immer mehr und werden seine Gedanken immer düsterer. Der letzte Akt, bei dem er Jemandem etwas Gutes tun will, mündet in eine brutale Auseinandersetzung.
Martin Scorsese hat es wieder einmal geschafft. Recht verstört saß ich nach dem Abspann auf der Couch und sicherlich wird mich der Film noch lange beschäftigen. Taxi Driver ist wie erwartet keine leicht verdauliche Kost. Kein Film, denn man ebenso einmal konsumiert. Dabei Popcorn futtert, Cola trinkt und zwischendurch beeindruckt ruft: „Hey er hat ihm die Finger abgeschossen“. Wer mit solchen Erwartungen an diesen Film geht wird garantiert nicht zufrieden gestellt werden.
Zu sehen wie die Figur des Travis Bickle langsam in eine Psychose rutscht ist bedrückend und unbequem. Dieser Mann ist innerlich so kaputt, dass man sich fragt, was der Auslöser dafür gewesen sein kann. Den ganzen Film über hat man das Gefühl, dass er irgendwann einmal austickt und so sind die finalen Geschehnisse nur die unausweichliche Konsequenz seiner Krankheit. Es ist eine interessante Entwicklung, die man hier beobachtet, auch wenn sie einen persönlich abschreckt, schockiert oder auch anwidert. Man selbst glaubt, nie in solch eine Situation rutschen zu können. Doch ist das wirklich so. Ich denke schon, dass uns das Umfeld indirekt, oder auch direkt beeinflusst. Man kann nicht genau sagen, ob man nicht auch in solch eine Situation verfallen könnte. Am Ende entscheidet darüber aber wohl der eigene Charakter und die Erziehung. Doch wie wirken sich Grausame Erlebnisse darauf aus. Betrachtet man es so, dann muss Travis Bickle in seinem vorherigen Leben etwas Schreckliches erlebt haben. Leider erzählt uns Scorsese nicht wirklich davon. Das Travis ein verstörter Vietnamveteran sein soll erfährt man doch lediglich von dem Inhaltstext der DVD.
Robert De Niro, stieg für seine Rollenrecherche ins Taxi und arbeitete einige Tage als Taxifahrer. Sein Kollege Peter Boyle wollte es ihm gleich tun, nahm dann aber doch abstand davon, denn so etwas macht wohl eben nur ein Robert De Niro. Jodie Foster war zum Zeitpunkt des Drehs erst 12 Jahre. Sie hier eine Prostituierte spielen zu lassen war ebenso riskant, wie bei Natalie Portman in „Léon“, von Luc Besson. Sie profitierte hier viel von De Niro und lernte einiges für ihre spätere Schauspielkarriere. Scorseses Liebe für Improvisation stieß abermals auf nahrhaften Boden, denn De Niro, Keitel und auch Miss Shepherd , lieben die Improvisation. Und De Niro zeigte auch Miss Foster, dass Improvisation einer Rolle mehr Tiefe geben kann. Diese Art des Schauspiels gibt dem ganzen auch ein hohes Maß an Realismus und das unterstützt der Regisseur noch immens durch die Kameraarbeit. Hier handelte er sich auch gewisses Missfallen bei den Kameraleuten ein, denn in einer Szene verlangte er einen Schwenk durch die Taxi Garage. Statt nun Travis Bickle beim Schwenk zu folgen, mussten sie genau in die entgegengesetzte Richtung durch die Garage schwenken. Ähnliches geschieht auch als Travis an einem öffentlichen Telefon mit Betsy spricht um die Beginnende Beziehung noch zu retten. Hier schwenkt man in einen leeren Hausflur und verlässt damit, gegen jegliche Regel der Kameraführung, den Blick auf den Darsteller. Zu guterletzt dann noch der Schwenk nach dem Finale, in dem die Kamera vom Geschehen wegfährt und zwar in einer überaus stilistischen Kameraperspektive, bzw. Führung. Denn man sieht das Geschehen direkt von Oben. Wirklich eine überaus interessante Kameraarbeit, die zusätzliche Qualitäten einbringt. Am Ende dann noch die Musik. Auch diese ist überaus gelungen, stammt sie doch vom Meister und Hitchcocks Hauskomponist Bernard Herrman. Besonders das Hauptthema des Filmes klingt auf seine Art so verspielt und ähnelt für mich einer Melodie aus einem Film-Noir. Die Klänge dazwischen sind unheilvoll und verheißen nichts Gutes. Am Ende schaffen sie die richtige Atmosphäre in der „Taxi Driver“ seine ganze Wirkung entfaltet.
Abschließend sei also gesagt, dass ich „Taxi Driver“ als unheimlich intensiven und ganz besonderen Film sehe, der keineswegs einfach ist, mir wieder Denkanstöße gegeben hat und enorm zum nachdenken anregte. Scorseses Filme haben das bisher immer geschafft und das wird sich sicherlich auch in Zukunft nicht ändern. Die unheimlich realistische und bedrückende Atmosphäre des Filmes fesselt bis zum Schluss. Bis zum blutig-brutalen Finale. Was mir nicht so ganz gefallen hat ist das Ende, welches danach dem Zuschauerpräsentiert wird. Um einige Vorgänge in der Gesellschaft zu verdeutlichen ist es sicherlich nutzbringend gewesen, doch kann man es auch missverstehen. „Taxi Driver“ wurde in der Vergangenheit, heiß diskutiert und ihm vorgeworfen er wäre Gewaltverherrlichend. Nun, betrachtet man Das Ende könnte man tatsächlich den Eindruck gewinnen, denn statt nach dem Schusswechsel zu enden, als Travis Bickle tödlich getroffen auf der Couch zusammensackt, und damit eindeutig zu zeigen, dass Gewalt kein Mittel ist und am Ende kein Happy-End zu erwarten ist, setzt man hinten dran einen Epilog in dem der brutale Psychotiker als Held gefeiert wird und die Titelblätter der Tagespresse schmückt. Diese verschobene Realität begegnet uns in unserer heutigen Medienwelt am laufenden Band. Die Bild widmet solche Dingen tagtäglich ihre Titelseite, doch kann es auch missverstanden werden, indem man nun annimmt wenn du Gewalt ausübst und das ganze unter dem Deckmantel der Rechtschaffenheit, dann wirst du als Held gefeiert. Ergo könnte man Gewalt dann als legitim ansehen. Somit sehe ich gewisse Aspekte der Anschuldigungen bestätigt und hätte nach dem Final den Abspann gebracht, als die Kamera vom Geschehen wegfährt.