Da fehlen mir doch ein wenig die Worte. Auf Grund zahlreicher in den Himmel lobender Rezensionen hab ich mir jetzt doch mal den Anime „Death Note“ zu Gemüte geführt und bin, wie alle anderen, so scheint’s, restlos begeistert.
Die Geschichte vom jungen Studenten Light der sich vom rechtschaffenen Kämpfer gegen Verbrechen und Korruption zum gewissenlosen Mörder wandelt ist trotz ellenlanger Laufzeit faszinierend. Seltsam eigentlich dass die Serie überhaupt funktioniert, denn es gibt eigentlich keinen Sympathieträger, keinen Helden im eigentlichen Sinne des Wortes mit dem man mitfiebert. Yagami Light ist eher sogar das krasse Gegenteil. Er ist hochnäsig, eitel und absolut bar jeder Moral. Um es kurz zu machen, er ist ein verdammter Kotzbrocken. Aber ein extrem intelligenter. Und genau das macht den Reiz von „Death Note“ aus.
Nach einem visuell (zumindest für Serienniveau) grandiosen Einstieg, wird der Zuschauer erstmal gebauchpinselt, oder besser gesagt er wird leicht dazu gebracht sich mit dem idealistischen Light anzufreunden. Hätte ich doch nur gewusst was da auf mich zukommt, ich wäre den Machern nicht so leicht in die Falle getappt. Denn nach einigen wenigen Episoden merken wir, das Light eine gehörige Tendenz in Richtung Gerechtigkeitsfaschismus zeigt.
Ja, ich habe ihm wirklich Anfangs gegönnt dass der ebenso schlaue und vor allem extrem spleenige Supercop „L“ (und es ist von immenser Bedeutung, dass wir nur einen Buchstaben seines Namens kennen) ihm nichts entgegensetzen kann. Doch eben durch diesen Kampf Super“schurke“ gegen Superbulle entgleist die Psyche unseres Protagonisten. In die Ecke gedrängt findet er immer skrupellosere Möglichkeiten sich seiner Gegner zu entledigen. Zu den beklemmendsten Szenen gehört da etwa der Tod einer jungen Polizistin. Spätestens ab diesem Zeitpunkt begann ich mich dafür zu schämen immer noch mitzufiebern, mir insgeheim zu wünschen Light würde es schaffen. Vielleicht kennt der ein oder andere Leser das vor einigen Jahren erschienene Spiel Fahrenheit. Dort spielte man sowohl einen (mutmaßlichen) Mörder, als auch die ihn verfolgenden Polizisten und entwickelte im Laufe der Zeit für beide Seiten (zwangsläufig) Sympathien. So ähnlich geschieht das bei „Death Note“ auch. Nur dass wir es hier mit zwei äußerst skrupellosen Vertretern unserer Spezies zu tun haben. Während „L“ zwar durchaus die Polizeiethik vertritt hat er jedoch auch nicht unbedingt Probleme damit ein junges Mädchen zu „foltern“ um an die gewünschte Information zu kommen. Auf der anderen Seite haben wir eben Light, der zwar die lautere Absicht einer Verbrechensfreien Welt vertritt, mit zunehmender Zeit jedoch (auch weil alle seine Pläne zu klappen scheinen) einen Gottkomplex entwickelt und sich in eine Richtung zweiter Hitler zu entwickeln beginnt.
Und – wie gesagt, aber ich muss es einfach erwähnen, denn so etwas ist mir bisher seltenst untergekommen – der Zuschauer ist irgendwie auf seiner Seite. Wartet gespannt darauf, nein hofft sogar, dass sein Plan glückt. Und das alles bei einem solchen Arschloch von Streber-Yuppie, der auch noch diese gewisse japano-typische Asexualität verkörpert. Denn die einzige Frau die er an sich heran lässt, tja, die lässt er auch nur gewähren weil sie seinem Ziel dient (auch hier hat er keine Probleme sie auszunutzen bis es nicht mehr geht und denkt auch zuweilen an die besten Möglichkeiten sie sich vom Hals zu schaffen – natürlich nicht im Sinne von „ich mach Schluss“ sondern „ich bring dich unter die Erde“). Der triste, düstere Zeichenstil unterstützt das Anime so gut er nur kann (kommt natürlich Kostenbedingt nicht an Knaller wie Afro Samurai ran, aber ich denke Samurai Champloo kann als Vergleich ganz gut herhalten), ebenso die Musikuntermalung, die im Verlauf der Serie zwar kaum Variation zeigt, aber einen wunderbaren Klangteppich zu den Bildern darstellt.
Nun ist natürlich nicht alles Gold, was glänzt – und so gut „Death Note“ auch sein mag, über eine Dauer von 37 Folgen á 25 Minuten schleicht sich natürlich auch irgendwann mal ein Negativpunkt ein. Besser gesagt mehrere. Da gibt es zuerst mal dieses kleine Modell, das an ein zweites „Desu Noto“ gelangt (die Umstände dafür sind eher bizarr) und sich unsterblich in Light verliebt – und ihm für den Rest der Serie (soweit gesehen) nicht mehr von der Pelle rückt. Klar ein wenig Variation war nötig zum ewigen Gehirnjogging-Marathon zwischen L und Light, aber leider zerstört sie mit ihrem Auftreten immens die dunkle Stimmung. Dazu kommt – zumindest im japanischen Original – die typische Anime-Mädchen-Stimme (ihr wisst schon, klingt wie ne 12-jährige auf Speed). Tatsächlich müssen wir in (zum Glück nur) einer Folge sogar die berüchtigten (und von mir seit Hellsing OVA zutiefst gehassten) Riesenschweißtropfen sehen. Musste das wirklich sein? Kann man nicht einfach mal über die gesamte Laufzeit ernst bleiben? Nächster Negativpunkt. Etwa ab der Hälfte der Laufzeit gibt es einen krassen Bruch in dem plötzlich ein anderer Charakter zu Kira wird (so nennen die japanischen Medien den „Death Note“-Killer). Die grundsätzliche Idee dahinter ist wahrlich grandios, nur passt der extreme Bruch nicht und man hat eher das Gefühl, man hätte versucht die Geschichte weiter in die Länge zu ziehen. Irgendwie hat mir das Psychoduell am Anfang viel, viel mehr Spaß gemacht. Zwar blitzt es später immer wieder auf, aber zu der Stärke des ersten Teils findet der Anime einfach nicht mehr zurück. Endgültig Schluss ist dann aber nach der grandiosen 25. Folge. Und hier habe ich auch erstmal aufgehört, denn ich bin mir nicht wirklich sicher ob ich mich mit dem neu eingeschlagenen Weg anfreunden kann. Gut das dachte ich schon mal bei der eben erwähnten Hälfte und auch hier hat die Serie es geschafft die Kurve zu kratzen, aber der Verlust einer ganz bestimmten Person hat mich doch etwas erzürnt.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass „Death Note“ trotz all der kleinen Mängel eine, gerade für Anime-Verhältnisse, erstaunlich reife, intelligente und (trotz unblutiger 12er-Freigabe) vor allem erwachsene Serie ist. Die Tiefepsychologie der Personen erreicht für Zeichentrickverhältnisse wirklich ungeahnte Dimensionen und solch spannungsgeladene Cliffhanger gab es wohl seit 24 nicht mehr zu bewundern. Die Serie ist eine absolute Empfehlung, das gilt im übrigen eben auch für den Soundtrack, der geschickt zwischen dramatischer Klassik (inklusive schmetternder Chöre), stimmungsvoller Depristücke (die extrem an Teile der Silent Hill – Soundtracks erinnern) und ab etwa Folge 20 auch noch ein grandioses Opener-Stück im Cannibal Corpse Stil bietet (das vorherige fand ich eher mau, Japan Rock for the masses halt), das irgendwie perfekt zu den oft vorkemmenden „what-the-fuck“ Momenten von „Death Note“ passt. Gehört bis jetzt zusammen mit Elfenlied zu meinen Top-Favoriten im Bereich Anime-Serie.
Ob die Serie die hohe Qualität, nach dem Twist bis zum Ende durchhalten kann? … Ich bin gespannt.