Ingrid Noll ist die Meisterin des schwarzen Humors. Zahlreiche Leichen pflastern den Weg ihrer Protagonisten, auch im vorliegenden Fall "Die Apothekerin". Hella Moormann sehnt sich nach der Liebe und meint diese im jüngeren Studenten Levin gefunden zu haben. Dessen Großvater ist rich, alt und herzleidend - zusammen also optimale Voraussetzungen sowohl für Hellas Zukunftspläne wie auch für Ingrid Noll, hieraus eine klasse rabenschwarze Krimikomödie zu schaffen.
Rainer Kaufmann verfilmte diesen Roman getreu der Vorlage und schaffte ein Kunststück: die Story in ihrer Gänze umzusetzen ohne dabei liebenswerte Details auszulassen. Er räumt den Charakteren genug Raum ein sich zu entwickeln und setzt auch Nebenhandlungen in liebenswerter Weise um. Köstlich ausgearbeitete Details runden das Gesamtwerk ab, so daß man wirklich den Hut ziehen muß. Der Film transportiert den schwarzen Humor in perfekter Art und Weise zum Rezipient inklusive aller nolltypischen Eigenarten der Protagonisten.
Aber was will man von diesem Team auch anderes erwarten. Die Truppe um Riemann und Zirner mit Regisseur Kaufmann haben wir so schon in "Stadtgespräch" erlebt, ein voller Erfolg und Garant, daß auch "die Apothekerin" gelingt.
Überhaupt die Auswahl der Schauspieler läßt tief blicken: So versammelt Kaufmann ganz bewußt erprobte Teammitglieder um sich. Katja Riemann sicherlich als Hauptfigur ohne Konkurrenz, keine andere könnte Hella so perfekt wiedergeben. Kühl und berechnend, dabei doch zart und verletzlich wirkend - das ist Riemanns Domäne, hier fühlt sie sich wohl. Auch ihr Wutausbruch nach der Kotzorgie in der Küche ("Schaff mir diese Sau vom Hals!") bringt Riemann perfekt rüber. Privat mag sie zwar eine Zicke sein, aber als Schauspielerin ist sie einfach einsame Spitze und kann jede erdenkliche Gemütsregung absolut authentisch darstellen.
Jürgen Vogel als Levin Graber ist sowieso Idealbesetzung. Dessen jugendlicher Charme, sein gewitztes Auftreten, seine Kindlichkeit - das paßt zu Vogel, auch hier ist sein Spiel mit der Liebe wie geschaffen für ihn. Vogel fühlt sich sichtlich wohl in seiner Rolle und geht mit großem Elan an die Sache ran.
Bemerkenswert August Zirner: Wie schon zuvor in erwähntem "Stadtgespräch" trifft er wieder als Galan auf die Riemann. Diesmal spielt er den mehr oder weniger allein erziehenden Vater Pavel, der Dauerkunde in Hellas Apotheke ist und letztlich als Gewinner der ganzen Turbulenzen hervorgeht. Zirner darf wieder einen zurückhaltenden liebenswerten Charakter verkörpern, dessen Charisma zwar im Keller zu suchen ist, aber genau das seine Stärke ist.
Die zweifellos witzigsten Charaktere sind natürlich die beiden Primitivcharaktere Dieter und Margot, von Richy Müller und Isabella Parkinson hervorragend gegeben. Parkinson heidelbergert so richtig sympathisch (übrigens ebenso wie Dominic Raacke als Kripobeamter und Rainer Werner als Sanitäter), übrigens das einzig sympathische an diesem billigen Flittchen Margot.
Richy Müller als dummdreister Rüpel Dieter verleiht der Rolle Herz und das notwendige Quentchen Liebenswürdigkeit, so daß man Hellas Stelldichein durchaus nachvollziehen kann. Doch hier ist die Kürze der verfügbaren Zeit ein deutliches Hindernis für die weitere Ausarbeitung der Beziehungskiste. Ebenfalls bleibt zu wenig Raum für die Daueraffäre zwischen Margot und Levin, wer nur den Film kennt reduziert dies schnell auf einen Ausrutscher, ganz entgegen der Romanvorlage.
Zum Schluß darf Andrea Sawatzki als durchgeknallte Alma auftreten und dominiert durch ihre eigenwillige Rolle sofort den Film. Ebenfalls interessant sind zwei Kurzauftritte: Regisseur Rainer Kaufmann ("wohin?") als Schweineträger und Jan-Gregor Kremp als schwanzgesteuerter Hella-Bruder.
Alles in allem ist "Die Apothekerin" eine gelungene, detailreiche und vorlagentreue Romanverfilmung, die Lob und Respekt vor der schwierigen Aufgabe verdient hat. Ingrid Noll kann zufrieden sein. Unterhaltsam und amüsant ist der Streifen allemal - einem vergnüglichen Filmabend steht nichts im Wege.
(8/10)