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Was kann man eigentlich noch aus einer Romanvorlage wie Bram Stokers „Dracula“ herausholen?
Der Stoff wurde unzählige Male verfilmt, mal mehr mal weniger nah an der Romanvorlage, wobei die Figur des Dracula auf unterschiedlichste Weise interpretiert wurde. Es gab den „klassischen“ Dracula (Bela Lugosi), den wohl bekanntesten und vielleicht auch unheimlichsten Dracula (Christopher Lee) und den witzigsten Dracula (George Hamilton). Die meiner Meinung nach interessanteste Verfilmung durch Francis Ford Coppola existierte zwar zu dieser Zeit noch nicht, aber um dem Thema und der Figur etwas neues, unterhaltsames oder auch sonstwie interessantes abzugewinnen musste schon viel passieren.
Ausgerechnet John Badham, der kurz davor mit „Saturday Night Fever“ einen Riesenerfolg landen konnte fühlte sich dazu berufen 1979 dem toten Grafen sozusagen neues filmisches Leben einzuhauchen.

Auf die Grundstory will ich hier jetzt gar nicht eingehen, die kennt sowieso jeder. Eher interessant dürfte sein, was Darsteller, Regie usw. aus dem bereits bekannten gemacht haben bzw. welche neuen Facetten man einem gelinde gesagt zu dieser Zeit ziemlich ausgelutschten Thema abgewinnen konnte.
Meiner Meinung nach sind das nicht viele, eigentlich fast keine und diese Verfilmung rechtfertigen sie auf gar keinen Fall – aber ich fange mal mit der Story an. Gegensätzlich zu den meisten Dracula-Verfilmungen setzt die Handlung hier erst ein als der Vampir sich an Bord eines Schiffes in Richtung England befindet und gerade von den letzten Überlebenden der Besatzung mitsamt seinem Sarg ins Meer gekippt werden soll…
Aus früheren Verfilmungen kennt man meist noch die Reise von Jonathan Harker in das unheimliche Transsylvanien, die erste Begegnung mit dem Untoten usw. usw.
Ich persönlich finde es schade, dass auf diesen Teil der Handlung verzichtet wurde, trug er doch meistens recht gut zum Aufbau der Spannung bei und besonders durch das spätere Übersiedeln des Blutsaugers ins zivilisierte England wurde dieser Effekt noch gesteigert. Auch wenn sich das Kino leider immer mehr von einem soliden Spannungsaufbau zugunsten von Action, Tempo und Effekten wegbewegt hat, funktioniert Badhams Version auch in dieser Hinsicht nicht, denn die Action auf dem Schiff ist kurz und danach kommt erstmal lange nichts dergleichen mehr.
Dafür hätten die Darsteller jetzt Zeit ihr Können unter Beweis zu stellen. Mit Laurence Olivier steht ja immerhin ein sehr namhafter Schauspieler auf der Besetzungsliste. Leider hat er seinen ersten Auftritt erst gegen Mitte des Films. Aber eigentlich wartet ja sowieso jeder in einem solchen Film auf den Auftritt des Bösen. Der wird hier vom damals absolut und auch heute noch weitestgehend unbekannten Frank Langella dargestellt und wirkt leider in keiner Sekunde des Films bedrohlich oder unheimlich.
Schlimmer ist aber noch, dass der Arme in einigen Szenen auf Grund der Kleidung, der Frisur und auch seines südländischen Aussehens wie eine schlechte Kopie von Tony Manero (John Travolta) aus Saturday Night Fever aussieht.
Die anderen DarstellerInnen, wie Donald Pleasence und Kate Nelligan, spielen zwar ordentlich, können aber den Mangel an Spannung, der sich durch den größten Teil der Spielzeit schleicht, nicht ausgleichen.
Als dann Sir Laurence Olivier alias Prof. Van Helsing in das Geschehen eingreift wird der Film dann endlich etwas interessanter ohne allerdings nennenswert an Spannung zu gewinnen. Aber immerhin sorgt Olivier für die beste Szene des ganzen Filmes.Und zwar die, als Van Helsing (L. Olivier) in den Höhlen auf seine tote Tochter stößt. Das Make-Up der Tochter und der in jiddisch geführte Dialog zwischen den beiden machen diese Szene sehr intensiv und bemerkenswert.

Natürlich bietet ein „Dracula“-Streifen auch immer wieder für Make-Up- und Special-Effects-Leute die Gelegenheit sich auszuzeichnen. Das Make-Up habe ich schon erwähnt, die Effekte bestehen eigentlich bloß aus einigen Szenen als Dracula ein paar Hauswände erklimmt und Verwandlungen in eine Fledermaus oder einen Wolf und zurück. Allesamt sind sehr simpel gemacht und absolut nicht beeindruckend umgesetzt.

Um noch eine Person zu nennen, die ihr Talent an diesem Film verschwendet hat, fällt mir da noch Maurice Binder ein. Das ist derjenige der die meisten der Vorspänne der James-Bond-Filme gemacht hat. Auch er hat in der Szene als Kate Nelligan eine Quasi-Liebesnacht mit Dracula verbringt seinen unverkennbaren Touch eingebracht ohne das der Streifen dadurch an Klasse gewinnen würde.

Schließlich will ich nun noch zum Regisseur, John Badham, kommen. Der Mann hat für meine Begriffe das Kino von den frühen 80er Jahren bis Anfang der 90er Jahre mit jeder Menge an kommerziell erfolgreichen und auch heute noch unterhaltsamen Filmen wie War Games, Stakeout – Die Nacht hat viele Augen u.v.a. geprägt. Ihm will ich eigentlich keinen Vorwurf machen. Das Badham Filme machen kann ist klar, aber aus diesem Stoff zur damaligen Zeit etwas zu machen war meiner Meinung nach fast unmöglich.
Ich erinnere mich noch, als ich die damalige Ausgabe der Cinema in den Händen hielt und mich fragte, wer denn wohl Interesse an einer (dieser) Neuverfilmung von Dracula haben könnte. Die Antwort bekam ich recht schnell. Nachdem der Film in unserer Stadt im Kino anlief vergingen exakt vier Tage bis zur Absetzung mangels Publikumsinteresse. Ersetzt wurde er übrigens durch eine billige Italo-Komödie…
Dies ist finde ich auch ein sehr gutes Beispiel für Filme, die eigentlich für ein größeres Publikum gemacht werden, dass aber für genau diesen Film überhaupt nicht existiert.
Als neueres Beispiel hierfür fällt mir dazu gerade „Elektra“ ein, der auch aus irgendwelchen dubiosen Gründen komplett am Publikumsinteresse vorbeigedreht wurde.

Mein Fazit: Zeitverschwendung! Wer Dracula sehen will, dem empfehle ich am besten einen der alten Hammer-Filme mit Christopher Lee oder natürlich meinen persönlichen Favoriten „Bram Stoker`s Dracula“ von Francis Ford Coppola.

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