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November 2005 gab es die ersten Ankündigungen zu dem damals noch Autumn Remembrance betitelten Projekt; dass durch das bereits feststehende Casting von Chow Yun Fat unter der Regie des gerade kommerzträchtig gewordenen Arthouse - Filmemachers Zhang Yimou natürlich bereits für hochtrabende Erwartungen sorgte. Noch verstärkt wurde dies über den langen Zeitraum und die Umbenennung The City of Golden Armor bis zur endgültigen Schnittfassung über die Ergänzung in der Besetzung mit Gong Li und auch Jay Chou sowie vor allem auch durch die frühzeitig veröffentlichten ersten Standfotografien. Die eine wiederum vor allem optisch zum Niederknien perfekte Bilderorgie nebst handfesten, vielleicht sogar etwas grössenwahnsinnig aussehenden Martial Arts Choreographien von Wirefu - Experte Tony Ching und ganz allgemein von allem so viel mehr, dass sich die Balken biegen versprachen.
Der dazugehörige Film ist folglich heisserwartet und wusste sich mit seinen anpreisenden Prognosen in der Anspruchshaltung auch locker vor anderen, nicht unähnlich klingenden Arbeiten wie The Banquet und Battle of Wits abzusetzen; nun muss er diese Verpflichtung aber noch umsetzen. Ein schweres Los.

Hero war eine Heldensaga mit eigenartigen Legendenglanz, die seine zweischneidige, deutungsoffene Botschaft aus der unterschiedlichen Perspektive von Beteiligten und Zeugen wiedergab. House of the Flying Daggers ein abenteuerlich - romantisches Melodram von Liebe, Glück und Macht. Curse of the Golden Flower ist eine komplexe, an starken Motiven reiche, zielbewusste Geschichte, die sich wie eine Mischung aus historisches Geschehen um Nachfolgekämpfen, seelisches Familiendrama voller Haß und Neid und Huldigung an Shakespeare liest. Wobei man mit dem Letzteren neben der Thematik auch eigen hat, dass die Sprache oftmals nicht immer leicht zugänglich wirkt und das Schauspiel selber auch mehr dem Theater verpflichtet ist.
Zhang arbeitet hier weniger in der Tradition etwaiger Vorbilder wie Tsui Hark oder King Hu, sondern entwirft erneut ein extrem farbensattes Spektakel, dass dem Sehnnerv Nahrung gibt, seine Erzählung erst lange in die Colorierung einsaugt und sie dann in einem märchenhaft - lyrischen Kampftheater wieder zur Explosion bringt.

Dabei spielt er die Möglickeiten des Medium Films trotz oder gerade wegen der früheren Tätigkeit bei low budget Arbeiten aus, besteht auf der Weitläufigkeit und gleichzeitig der jeweils abgetrennten Enge des Raumes ebenso wie auf ein straffes Zeitkontinuum, in dem sich in Interferenzmustern cause und effect aufeinanderstauen.
Die eigentliche tragische Saga hat dabei schon vor einem Vierteljahrhundert begonnen und wurde in ihrer oftmaligen Niedertracht unter permanentem Aurum versteckt. Das Titelbild zeigt die abgefallenen Blüten einer Chrysantheme. Der Gold - Blume. Der Schein perlt ab und das Sein kommt unwiderbringlich zum Vorschein.
"I had told you before, what i do not give you, you must never take by force."

Zu der Zeit der Tang - Dynastie:
Als die Ankündigung von der Heimkehr des Kaisers Ping [ Chow Yun Fat ] durch den Palast rauscht, herrscht trotz später Nachtstunde sofort emsiges Treiben. Kaiserin Phoenix [ Gong Li ] bereitet sich ebenso wie die Kaisersöhne Wan [ Le Yiu ] und Yu [ Qin Junjie ] auf die Ankunft ihres Mannes und dem mittleren Sohn Jai [ Jay Chou ] vor.
Doch die Geschäftigkeit und das nach aussen hin perfekte Szenario können nicht verbergen, dass der Kern im Inneren schon lange am Verfaulen ist.
Phoenix hatte während der dreijährigen Abwesenheit ihres Ehemannes eine heimliche Affäre mit Stiefsohn Wan. Ping vergiftet sie seit zehn Tagen durch ihren Leibarzt. Und Jai bekommt die Zusage, beim anstehenden Chrysanthemen-Festival die Befehlsherrschaft über die Leibgarde zu erhalten.

Ähnlich wie auch bei den anderen grossangelegten chinesischen Filmen dieses Jahres und damit vergleichbar zu seinen Artgenossen Jacob Cheung und Feng Xiaogang weiss Zhang um die Simplizität und gängigen Verständlichkeit seiner Geschichte. Und ebenso ähnlich projiziert er dies auf einen Machtkampf ganz an der Spitze eines Landes und damit auf epische Dimension mit anfänglich schierer Schönheit. Die gültige hierarchische Ordnung von Kaiser und Höfling soll durch Loyalität, Integrität, Redlichkeit, Rechtschaffenheit gewahrt und durch das natürliche Gesetz der Pietät vom Sohn zum Vater gestützt werden.
Das ideengebende Theaterstück "Gewitter" von Cao Yu wurde bereits 1933 geschrieben, mehrmals in seinem ursprünglich modernden Setting verfilmt [ u.a. 1957 mit einer der ersten Rollen für Bruce Lee ] und wirkt durch die jetzige Veränderung leicht wie eine Tinktur aus Glut unter der Asche [ 1957 ], Rückkehr nach Peyton Place [ 1961 ] und Der Löwe im Winter [ 1968 ]. Eine high-class Soap Opera mit Ninja Assassins.

Das Aufdecken der Abgründe hinter falschen Gesichtern, Lügen und Pomp bestimmt den Fortlauf des Geschehens und lenkt die Figuren in eine bestimmte Beugungsordnung. Vordergründige Rachemotive, Tücke, Abscheulichkeit, Falschheit, Gemeinheit. Die letzte Suche nach Ehrlichkeit, nach Wahrheit, nach eigener Gerechtigkeit, Widerstand und Selbstbehauptung. Keiner der Beteiligten weiß, wer gerade welche Fäden in der Hand hält. Dem kaleidoskopartig gebrochenen Wechselspiel von geschickten Perspektivänderungen, dem Auseinanderbrechen von scheinbar unwissenden Aussenseiterpositionen ins plötzliche Handlungszentrum und den chronometrisch bestimmten Attacken kommt die narrative Bedeutung zu. Eine Hauptmaxima der Intensität liegt nicht vor, sondern verteilt sich fein tariert und komponentenreich angesetzt über Raum und Zeit; die noch vorhandene Spanne bis zum Festival ist begrenzt und wird durch stündliche Ansagen der Uhr - die Kaiserin bekommt ihre "Medizin" zur jeden zweiten vollen Stunde - noch mehr forciert.

Lange Kamerafahrten folgen den jeweils einflussreichen Figuren im aristokratischen Gang durch das unendliche Ungetüm von Palast, der wie durch ein Beugungsgitter in seine Spektralfarben aufgespalten erscheint und sich in Verwinklungen von Brokat, Seide, Leinen und Rayon ergibt.
Weisses Licht hat sich zugunsten von Rot- und besonders Gelbtönen zurückgezogen, was neben Gold- und Silberüberschwang vermutlich mal Wärme in das Ausstattungsmonster bringen sollte; aber nun in seiner ausgelassenen Kompilation an Architektur, Malerei und Schneiderei nur noch das Auge übersättigt und blendend wirkt. Die Gewalt beginnt dabei in einem weit abgeschiedenen, im Vergleich dazu fast pechschwarzen Grenzposten an einem kargen Berghügel und verlagert sich schnell in den Innenhof des Palais.

Radikale Neuansätze in der Interpretation liegen dabei nicht vor. Eine politische Wertung kann hineingelesen, aber dennoch auch vernachlässigt werden und sollte nicht in einer haltlosen Auslegungsdiskussion ausufern. Der Intellekt wird durch Bekanntes in Variation mit einigen Überraschungen nicht überstrapaziert; das Gesprochene lässt sich angenehm, zu Beginn vielleicht etwas trocken und unnotwendig überinformativ konsumieren. Der psychologische Konflikt und das innere Drama wird durch zu starke Betonung verfehlt und von beeindruckendem Pathos [ Abtrieb ] und ebenso pompöser Arthouse - Action [ Auftrieb ] eingenommen, um den Zuschauer nicht tiefergehend zu behelligen. Der grösste money shot in Marketing und Promotion war der Angriff der dunkel gekleideten Vigilanten, die als legale Killertruppe unliebsame Störfaktoren erledigen und sich dabei in einer unglaublichen Einstellung in Massen vom Gebirge zum Boden hin abseilen, um dort das Massaker zu veranstalten. Szenen wie diese - die von der Idee allein und auch der Umsetzung ihresgleichen suchen -, sind es trotz ihrer Einzelheit auch, die der Film braucht, um auf der Leinwand überleben zu können. Mehr als Monologe und Dialoge, die oft die Maske der Verstellung wählen, gibt die wenige psychische Präsenz den Details erst die eigentlichen klaren Konturen. Dort baut man auf die Stärke der Inszenierung, sonst auf deren Durchdachtheit.

Allerdings hört auch das auf. Spätestens am ausfallenden Ende zeigt sich, dass nicht nur für die Personen im Film die Grenzen zwischen Vernunft und Wahnsinn gleitend sind. Wo Ping, Phoenix, Jai, Wan und Yu aber vernichten, um nicht selber vernichtet zu werden, überspannt Regisseur Zhang die Zutaten aus Eigennutz. Dabei verliert auch er um den äußeren Glanz willens das innere Heil. Kalkulierende Vernunft hört auf und macht Platz für die Kunst digitaler Spezialeffekte: Eine Massenschlacht im Rechner und Farbbeutel gleichermassen, wobei man ausser Golduniform auf der einen Seite und Silberuniform auf der anderen bald nichts mehr erkennt.
Im eskapistischen Gebrauch seiner ritualisierten, uhrwerksgleichen Apparatur gehen unmittelbare menschliche Reaktionen, ethisch glaubhafte Bindungen von Ehrfurcht und Liebe und eine emotionale Innigkeit zum Geschehen unweigerlich unter. Erst der Abspann, der auch in einer schwarz / weissen Gestaltung überblendet und den Bombast - Score abstellt, lässt wieder ein bisschen der eigentlich dunklen, hoffnungslosen Tragödie hervorscheinen.

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