John Hustons Politkrimi entstand zu einer Zeit, als die Spionagefilme mit Zeuge einer Verschwörung, Die Akte Odessa oder Die drei Tage des Condors eigentlich schon realpolitischer wurden und in einer wirklichen Welt spielten; Der Mackintosh – Mann kümmert sich wenig um zeitgenössiche Vorgänge und ist dazu noch in Grossbrittanien angesiedelt.
Das Vereinigte Königreich ist nicht nur durch seine abgeschottene Insellage, der konstitutionellen Monarchie und dem Fünf Uhr Tee immer einige Jahre hinter dem eigentlichen Geschehen und stellt deswegen auch eine hervorragende geographische Lage für die hier präsentierten Zustände dar; der Grundton des Filmes geht deswegen auch eher in die Richtung des „unmodernen“ Der unsichtbare Dritte. Also eher eine Mixtur aus Actionthriller, Abenteuerfilm und Kriminalkomödie; mit zwar zunehmenden Gefahren, aber doch nie so ernst, dass man seine Nonchalance vergisst.
Man wirkt sogar richtig britisch, was angesichts der amerikanischen Herkunft doch eher verwundert, aber dem Film zumindest für die erste Hälfte recht viel angenehme altmodische Eleganz verleitet und ihn dort perfekt in den Kintopphimmel hebt.
Grund dafür ist der raffinierte Aufbau, der mittendrin ohne jede Vorstellung von Charakteren und Situation startet und den Zuschauer sofort in ein Rätsel hineinwirft. Als Zentralperspektive bekommt er mit Joseph Rearden [ Paul Newman ] einen Mann vorgesetzt, über dem man gar nichts weiss; ausser dass er unverschämt gut aussieht, viel Erfolg bei Frauen hat und sich schnell als selbstsicher und damit auch etwas vorlaut erweist. Allerdings hält er sich bei seinem spitzfindigen Kommentaren zumindest in der Schärfe zurück und wirkt nicht angreifend, sondern auch bei Beleidigungen charmant, so dass dieser Mann schnell die Sympathien auf seiner Seite hat. Die braucht er neben seinen sonstigen Fähigkeiten allerdings auch, sitzt er doch im Knast. Für ganze zwanzig Jahre, das Gericht hat extra bei ihm ein Exempel statuiert und die Mindeststrafe für gewaltsamen Raub um sechs Jahre verlängert.
Rearden hat nämlich nach einen Tipp / Auftrag von Mackintosh [ Harry Andrews ] und mit Unterstützung dessen Tochter Mrs. Smith [ Dominique Sanda ] einen Briefträger überfallen und niedergeschlagen und aus dessen Post eine Diamantenlieferung im Wert von 140.000 Pfund entwendet. 20000 Pfund waren für ihn.
Das nützt ihm aber nichts, da er nach der Übergabe durch einen anonymen Anrufer schnell von der Polizei verhaftet und eben angeklagt und verurteilt wurde.
Im Knast erkundigt er sich nach Fluchtmöglichkeiten und bekommt auch relativ schnell Bescheid, sowieso erscheint auch das Gefängnisleben eher wie ein englischer Club wie zu Zeiten des Empire, bloss die schwedischen Gardinen stören. Ansonsten ist der normalerweise unliebsame Ort nur mit Gentleman gefüllt, die sich zumindest ehrenhaft benehmen. New flat, old behaviour.
Der diskrete Charme der Aristokratie bietet ihm sogar eine eigene „Reiseagentur“ von Fluchthelfern; nach einer Anzahlung über ein Scheckformular der Handelsbank Zürich wird Rearden zusammen mit dem politischen Häftling Slade [ Ian Bannen ] durch einen geschickten Plan befreit und bewusstseinsgedämpft ins Ausland verfrachtet.
Nun weiss der Zuschauer mittlerweile genauso wie anscheinend seine zu verfolgende Begleitperson Rearden gar nicht so genau, was hier eigentlich gespielt wird und erfährt in dessen Ohnmacht auch nicht, wohin man nun geschafft wird und von wem, aber man lässt sich anstands- und wehrlos auf die mysteriöse Reise mitnehmen. Wurde einem doch vorher schon öfters vorgegauckelt, dass man die Handlung durchschaut hätte; aber dann immer wieder schnell ein neuer, anderer Film angefangen und auch sonst eh nicht viel gesagt. Man weiss nichts von Rearden, ausser dass er jetzt irgendwie doch immer noch in der Klemme steckt; spätestens dann, wenn sich seine Identität als falsch herausstellt. Auch von Mackintosh und dessen Tochter ist nichts grossartiges bekannt. Ebenso nicht, in welche Richtung nun der Film geht, was für eine Art von Erzählung er schlussendlich anpeilt und was er eigentlich bisher bezweckte. Das Drehbuch von Actionspezialist Walter Hill ist wie die Understatement - Atmosphäre nach den strengen Regeln leiser Vornehmheit aufgebaut, seine Ideen nach aussen für den Unbefugten möglichst hermetisch abgeschlossen und erst nach und nach Zutritt erlaubend. Etwas verspielt, aber edel. Die einzige Person, über die mehr gesagt wurde, ist ausgerechnet das Parlamentsmitglied Sir George Wheeler [ James Mason ]; der aber nur zwei Auftritte hatte und dabei auch bloss Kommentare zur aktuellen Lage abgab.
Wheeler ist Major einer Spezialeinheit der Air Force, aber a.D.; seit nunmehr 25 Jahren auf der reaktionären Seite des Parlamentes beschäftigt und ein grosser Rhetoriker. Er kämpft gegen inneren Feinde des Landes und ruft auch andere dazu auf; benutzt seinen Patriotismus als Ansporn, Kriterium und Rechtfertigung für sein politisches Handeln. Wheeler leitet mit einer Ansprache den Film ein und in seiner Einbeziehung des gemeinen Verbrechers auch zu Reardens kriminelle Aktivität über; später kommentiert er noch dessen Flucht mit der Forderung nach einer Überprüfung der Einhaltung der Sicherheitsvorschriften in Strafanstalten.
Und noch später treffen Rearden und Wheeler persönlich aufeinander; aber sobald Klarheit in der Angelegenheit geschaffen wird, verliert der Film mitsamt seiner Ominösität auch seine Wirkung. Wird zu einem etwas zufallsabhängigen Verwirrspiel, dass dann über die halbgare Inszenierung allein nicht mehr stilsicher über die letzten Runden gelangt.
Da nützen auch einige zuletzt eingelegte Verfolgungsjagden nicht mehr allzu viel; sicherlich sind die halsbrecherischen Aktionn jeweils zu Fuss und auf vier Rädern über eine sehr unebene Küstenstrasse für den Moment ihre Aufregung wert; aber stopfen nicht mehr das Gefühl der Leere, dass sich nach Bekanntgabe aller Fakten einstellt. Vorher war man halt sehr unwirklich, kleidete alles in geheimnisvolle Nebel, warf viel Ablenkung und Fallen in die Geschichte und versetzte die Situation fast in einen Zustand der Abgewandtheit von Zeit und Welt. Englands Uhr ticken anders und der Film machte sich genau diese Stimmung solange zu eigen, bis man die Rätsel lüftete und es sich als Tarnung für etwas Banales und damit zum Paradoxon entpuppte.
Regisseur Huston war dann auch mit dem Projekt unzufrieden, musste aber über eine Phase des Geldmangels hinwegkommen und hat es deswegen gemacht. Auch das Skript von Hill sagte ihm nicht so zu; er bescheinigte ihm das Spinnen von viel zu verworrenen und missverständlichen Handlungssträngen. Der momentane finanzielle Engpass hielt ihn also nicht davon ab, zusammen mit seinem Star Newman und den Produzenten John Foreman noch bis zuletzt an der Gestaltung des Filmes herumzubasteln.
In Unkenntnis der Romanvorlage „Lebenslänglich mit Rückfahrkarte“ [ OT: „The Freedom Trap“ ] von Desmond Bagley und den verschiedenen Mitwirkenden ist nun auch etwas unklar, inwieweit wer wieviel auf die Simon Templar Folge "Templar auf der Flucht“ [ OT: Escape Route ] zurückgriff; welche zwar eine andere Abschlusshandlung hat, aber genau denselben Ausgangspunkt bereits vorher für sich in Anspruch nehmen konnte.
[Maurice Jarres Score klingt übrigens die gesamte Zeit nach Die Zwei.]
Schade, dass die anfangs so schmucke, antike Schatulle geöffnet werden muss und man darin nichts Besseres als die Verpackung entdecken kann, vielleicht hätte man sich ganz geschlossen halten sollen. Oder doch gleich ganz wirklichkeitsnaher gearbeitet, die Unwahrscheinlichkeiten herabgestuft und die fragwürdige Rolle der Politik mehr in Augenschein genommen als man es letztlich tat.
Im Nachhinein weiss man das nicht mehr.