Der sich seinerzeit kontinuierlich seinen Weg in die Spitze der Mimenriege Hollywoods bahnende Steve McQueen („The Getaway“, „Papillon“) durfte spätestens nach „The Great Escape“ seine Rollen frei wählen und entschied sich zunächst für eine in Bezug auf seinen späteren Standardtypus nicht unbedingt typische Charakterdarstellung, die ihn zum ersten Mal mit Sam Peckinpah („The Wild Bunch“, „Cross of Iron“) zusammengebracht hätte, wenn dieser aufgrund künstlerischer Freiheiten (Er wollte unbedingt eine Nacktszene mit Sharon Tate, die wurde abgelehnt und er von Produzent Martin Ransohoff gefeuert) nicht das Handtuch geworfen hätte.
Sein Ersatz Norman Jewison („Rollerball“, „The Hurricane“) erwies sich als ein mehr nur adäquater Lückenbüßer und schuf mit seiner stilvollen, zeitgenössischen Inszenierung den wohl definitiven Film zum Thema Stud-Poker.
1936 macht in New Orleans ein junger Pokerspieler namens Eric Stoner (McQueen), von allen nur Cincinnati Kid genannt, als talentierter, ausgebuffter Kartenspieler von sich Reden, der sogar das unangefochtene Poker-Ass Lancey Howard (Edward G. Robinson, „The Stranger“, „Key Largo“) beerben könnte und genau auf diese Möglichkeit hinarbeitet. Als Lancey dann tatsächlich in der Stadt auftaucht und sich nach einem lukrativen Spiel gegen den reichen William Jefferson Slade (Rip Torn, „Coma“, „Extreme Prejudice“) der Herausforderung stellt, kommt es zum Duell der Giganten, das nur einer gewinnen kann.
Seinen Film wie ein Kammerspiel aufziehend, erläutert Jewison in knapp 100 Minuten minutiös und detailliert was sich hinter Poker alles verbirgt und was es, das Pokern, für Menschen bedeutet, die davon ihren Lebensunterhalt verdienen oder –lieren. Sie nehmen dafür Einsamkeit in Kauf und setzen ihre Existenz für Ruhm und Geld aufs Spiel.
Pokern ist eine Kunst, die mit viel Selbstdisziplin, Instinkt und Risikofreude angegangen werden muss. Konzentration, Kondition und strategisches Denken sind dabei ebenso unumgänglich. Insbesondere in der finalen, mehrstündigen Poker-Nacht wendet „The Cincinnati Kid“ diese Attribute an allen Beteiligten. Man gewinnt, verliert und tritt wutentbrannt oder völlig aufgelöst vom Tisch zurück.
Für Steve McQueen ist die Rolle des Eric Stoner wie geschaffen, denn er hat Mut und vor allem Eiswasser in den Adern, was ihm dabei hilft selbst in den übleren Spelunken seinen Schnitt zu machen. Ein Ego, das für den Blondschopf maßgeschneidert ist.
Die Herausforderung sucht er naturgemäß, genau wie Rennfahrer McQueen im reellen Leben auch, dennoch, mit ihr umzugehen ist sein Problem, denn an seinem alten Freund Shooter (Karl Malden, „Birdman of Alcatraz“, „Patton“) kann er beispielhaft sehen, wie das Spiel einen auch angreifen, kaputt und einsam machen kann. Dieses Bewusstwerden verunsichert ihn. Um seine Ungeduld und die innere Glut zu zerstreuen, besucht er zum Ausgleich seine Freundin Christian (Tuesday Weld, „Pretty Poison“, „Looking for Mr. Goodbar“) auf dem Land, wo er von ihren Eltern auf einem Bauernhof, optisch im harten Kontrast zu New Orleans, zunächst kühl und abweisend begrüßt wird.
Solche Probleme hat sein Gegenüber Lancey nicht. Der alternde, erfahrene Recke zelebriert jedes Spiel, genießt es zu gewinnen und respektiert seine Gegner, auch wenn er seine Arroganz, die ihm in seiner Position zu diesem Grad auch gebührt, nicht immer unterdrücken kann. Reglos, zielsicher, abgebrüht und ausgebufft verfolgt er seine Partien, weiß seine Mitspieler mit nur nebensächlichen Bemerkungen psychisch unter Druck zu setzen oder bloßzustellen und kennt so ziemlich jeden Trick des Spiels. Lektionen gibt es bei ihm gratis, doch der Unterricht kostet extra.
Die Gewissheit nun eine Herausforderung zu haben, lässt ihn kalt. Diesen Vorteil weiß er zu nutzen, scheinbar im Smalltalk zeigt er Stoner seine Erfahrung und die Nachteile dieser Lebensart auf, um ihn zu verunsichern. Der kurze Dialog in der Spielpause sei da nur als Musterbeispiel erwähnt.
Der atmosphärisch dichte Einblick in das Zocker-Milieu zu einer Zeit als Amerika von der Wirtschaftskrise gezeichnet war, zeigt vom Spiel besessene Individuen, denen ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit abverlangt wird, um Poker-Marathons zu überstehen. Insbesondere das megaspannende, überlange Finale, wohl schlechthin das Fest für jeden Poker-Fan, mit Schlafpausen, blank liegenden Nerven, flüsternden Zuschauern, einem vom Zigarrendunst vernebelten Tisch, zehrenden Sekunden der Ungewissheit und sich zumindest zum Teil auflösenden Gesichtern zeigt fast schon dokumentarisch, von was für einem komplexen Gerüst das Spiel überhaupt umgeben ist. Versuchen doch Dritte im Hintergrund ihre Fäden zu ziehen und das Spiel zu manipulieren, müssen andere ihre Seele verkaufen beziehungsweise Charakter zeigen, während Frauen als Zünglein an der Waage die Konzentration stören und gleichzeitig für Entspannung sorgen. Aus einer anfänglich noch gesunden Portion Misstrauen und natürlichen Nervosität in idyllischen Poker-Runde erwächst später ein Kampf um Dollars aus dem nur die Abgeklärtesten als Sieger hervorgehen und jeder auf der Strecke bleibt, der den Herausforderungen dieses Sports nicht gewachsen ist. Die entscheidende Philosophie, das lässt der Film mehrmals klar durchscheinen, ist, dass der Erfolg nicht der Einsatz ist, sondern das Spiel selbst und der auf den Gewinner geduldig wartende Ruhm.
„The Cincinnati Kid“ ist in seiner Darstellung wirklich wie versessen, lebt natürlich auch von Ray Charles Titelsong und Lalo Schifrins (Kelly’s Heroes, „Bullitt“) einmal mehr tadellosem, ruhigen Score, der sich ganz der ausdrucksstarken Szenen verschreibt, baut aber auch enorm auf seiner brillant aufspielenden Starriege, allen voran Steve McQueen, der einmal mehr unter Beweis stellt, dass man mit einer minimalistischen Spielweise enorm ausdrucksstark sein kann. Als Zuschauer hat man hier wirklich das Gefühl mit am Tisch zu setzen.
Norman Jewison, der hier sein gesamtes Können in die Wagschale warf, kann man zu seiner Leistung im Grunde nur beglückwünschen, denn er schafft es, obwohl das Spiel und die beiden Kontrahenten klar im Fokus stehen, so ganz nebenher mit sparsamen Dialogen noch sehr viel über diese Welt, die man heute wohl moderner als Szene titulieren würde, dem Zuschauer mitzugeben. Da drohen für das Pokern nicht nur Existenzen sondern auch Beziehungen zu zerbrechen, beziehungsweise sind auch gar keine möglich. Shooter, ein wirklich integrer, ehrvoller Charakter, stellt gegenüber seiner wesentlich jüngeren Melba (Ann-Margret, „Carnal Knowledge“, „Tommy“), als diese sich Puzzleteile zurechtschneidet fest, dass sie sich selbst betrügt, nur um wenige Minuten später in einer für ihn prekären Situation selbst seine Prinzipien über Bord zu werfen. Nicht aus Liebe zum Spiel, sondern wegen dem, was das Spiel aus ihm gemacht hat.
Die Moral spielt dabei eine besonderes große Rolle. Stoner hat genug davon, auch wenn seine Einsicht erst spät kommt. Der herbeigeführte Erfolg ist ihm ein Dorn im Auge, er will es sich selbst beweisen, dass er der Beste ist und kein Betrug ihm dabei helfen muss, nur um später einzusehen, dass Poker nicht länger seinen Lebensablauf bestimmen soll. Diese kurz vorm Abspann sich einfindende Aussage des Films setzt zwar einen Kontrastandpunkt, fundiert dabei jedoch gleichzeitig die Ehrlichkeit des Films selbst, der keinesfalls um eine Glorifizierung des Spiels selbst bemüht ist, sondern eine ganz wertneutrale Stellung bezieht, ohne freilich gänzlich positive und negative Aspekte aufzusparen.
Fazit:
Intensive, packende Milieustudie mit einer bravourös aufspielenden Starriege, die der einmal mehr markante, charismatische Steve McQueen anführt. Ob die mit wenigen Worten soviel ausdrückenden Dialoge (Ich sag’ nur: „You're good, kid, but as long as I'm around, you're only second best“), das phantastisch ausgeleuchtete Poker-Finale, intensiv und nah am geschehen gefilmt, oder die damit verbundene Milieustudie, „The Cincinnati Kid“ ist für Poker dasselbe, wie „The Hustler“ für Billard – der wohl beste Film zum Thema. Wer sich gern einmal an klassische Stoffe heranwagt, die nötige Reife mitbringt und sich auf einen Film einlassen will, der sich, außer dem Duell selbst, nur allen komplexen Facetten dieses Spiels und der Psyche der Beteiligten widmet, ist hier garantiert richtig beraten.