Review

„Die Todeskralle schlägt wieder zu“; ein dämlicher Filmtitel, wie er mal wieder nur von genialen deutschen Film-Marketing Strategen aus den 70er und 80er stammen kann. Nicht nur, dass sich Eastern dieser Zeit hier in Deutschland kaum vor solch einfallsreichen Titel retten können, sie wurden obendrein auch noch so willkürlich ausgewählt, dass eigentlich völlig voneinander unabhängige Filme, zu neuen Filmreihen degradiert wurden.
Die „Todeskralle“ gehört da zu einem der beliebtesten „Kung-Fu“-Begriffe, und durfte schon als „Der Mann mit der Todeskralle“ herhalten, was diesen hier uns vorliegenden Film fälschlicherweise von manch einem Unwissenden zu einem Sequel erschließen lassen könnte.
Das Repertoire dieser grandiosen Betitelungen schien gar keine Grenzen zu kennen, und bot allerlei kuriose Filmtitel, die vor gefährlichen Tigerpranken, gelben Fäusten, Knochenbrechern, Wieder-zu-Schlägern und andersfarbigen Todesursachen nur so strotzten.
An und für sich ist das im Hinblick auf die sinnflutartige Welle an 17 Million kaum voneinander unterscheidbaren HK-Kloppern auch irgendwo berechtigt.

Nicht jedoch bei diesem Werk.
Es ist einer der 4 (bzw. 5) Kung-Fu-Filme die sowohl prägend als auch herausragend für das Genre waren, nicht zuletzt auch durch die bloße Präsenz von Eastern-Gründer Bruce Lee himself.

Nach seinem großen Überraschungshit „The Big Boss“ (Die Todesfaust des Cheng Li) und dem endgültigen Durchbruch im asiatischen Raum „Fist of Fury“ (Todesgrüße aus Shanghai) war Lee finanziell und künstlerisch selbstständig genug, um sich von Auftragsgebern wie etwa dem unsympathischen Streithahn-Regessieur Lo Wei loszulösen, um sein eigenes Ding zu drehen.
Lee war Feuer und Flamme für sein nächstes Projekt; Er gründete die Produktionsfirma „Concorde“ und drehte „Way of the Dragon“ bei dem er nicht nur den Part des Hauptdarstellers übernahm, nicht nur das Script verfasste, sondern auch die Fights choreographierte und sogar auf dem Regiestuhl saß. Er ließ sich Sachen einfallen, die sich bis dato sonst kein HK-Film erlauben konnte, und begeistert den Zuschauer auch heute noch mit teils spektakulären und unvergesslichen Martial-Arts-Einlagen.
Darüber hinaus wurden das Set und die Handlung komplett nach Italien verlegt, welche im Wesentlichen auch die eigene Lebensgeschichte von Lee erzählt.

Der von Bruce Lee dargestellte „Tang Lung“ bildet eine Figur, die sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer stereotypen Chinesen-Klischeerolle entwickeln sollte; allein Jackie Chan schlüpfte zwei mal in die Rolle des Helden, der in ein fremdes Land kommt, um dem Onkel oder Großvater beim Verteidigen des Restaurants oder Ladens gegen fiese Gangster zu helfen („Battle Creek Brawl“ und „Rumble in the Bronx“).
So landet Tang Lung nun in Rom und stellt ziemlich schnell fast, dass er mit seinen mangelnden Sprachkenntnissen nicht sehr weit kommt.
Diesen Umstand, den Lee as eigener Erfahrung gut kennen dürfte, nimmt er sich zu Nutze und baut eine gute Portion Comedy mit ein.
Das erste was Tang Lung will, ist etwas zu Essen, doch das Mädchen, welches er seinen Hunger durch weitgeöffnetem Mund und „Hand-in-Mouth“ Geste verständlich machen will, rennt bloß in panischer Angst davon.
Endlich an einem Café angekommen nimmt er sich die Speisekarte zu Hand, und versucht nach dem Entziffern des unverständlichen Buchstabensalates der Kellnerin klar zu machen, dass er sich für ein Steak entschieden habe.
Stattdessen jedoch bekommt er 6 Schüsseln Hühnerbrühe serviert, die nicht unbedingt erste Wahl zum Stillen des Hungers sind.
Als freundlicher Einreisender bedankt sich Lee verkrampft bei der Kellnerin, doch kaum ist sie weg, macht er schon sein enttäuscht-depremiertes „was habe ich mir da nur für eine Scheiße eingebrockt“-Gesicht und versenkt den Kopf in der Hand.

Später sitzt Lee an einem Brunnen wo sich auch schon bald eine Prostituierte dazusetzt, die ihm doch glatt zuzwinkert. Lee, der keine Ahnung hat, was Sache ist, und in seiner naiven Unwissenheit dies als typisch italienische Begrüßungsgeste annimmt, zwinkert ebenfalls mit etwas verkrampften aber doch selbstbewussten Blick zurück.
Im nächsten Moment bietet sie ihm an mitzukommen, was Lee für eine gut gemeinte Touristentour hält, doch kaum im Apartment angekommen, steht er vor einer nackten Frau, woraufhin er sofort die Flucht ergreift.

Diese und viele andere solcher Szenen zeigen Lee’s Gespür für lustige Szenen, oder zumindest, das was er unter Humor versteht.
Auch wenn Lee nun wirklich kein Vorzeigekomiker ist, und allein wegen des eigenen Charismas viel zu seriös und tough in der Optik rüberkommen mag, sind dessen Bemühungen ein ansprechendes Comedy-Feeling aufzubauen doch recht gelungen.
Irgendwo sind die „Gags“ (wenn ich das mal so nennen darf) ganz unterhaltsam, und in Anbetracht auf Zeit und Hauptdarsteller auch recht gelungen, dennoch können die Szenen je nach Geschmack genauso einen lahmen und albernen Eindruck machen, wenn man nur Sachen wie „American Pie“ gewohnt ist.

Das sei nun aber doch verziehen, schließlich ist das die erste Regiearbeit von Lee.
Er weiß die Sehenswürdigkeiten Roms gut einzufangen, indem er die Kamera optimal platziert, um schöne Gegenden die gerade von ihm belaufen werden aus der bestmöglichsten Perspektive zu zeigen.
Er fügt die Bruchstücke seines Scripts mehr oder weniger gekonnt zusammen und baut die Story einigermaßen spannend auf. Immer wieder tauchen die Gangster im Restaurant auf, um für neuen Krawall zu sorgen, und bekommen dabei heftig von Lee auf die Fresse. Der Boss greift mit jedem Fehlschlag zu immer härteren Mitteln, indem er immer gefährlichere Kampfkünstler auf Tang Lung hetzt. Dazu gibt es noch einen Verräter, der für einen kleinen vorhersehbaren Plottwist zuständig ist.
Und das ganze wird eben in einer größtenteils soliden Präsentation abgeliefert, die das Gesamtwerk doch als „Film“ einstufen lässt.

Dennoch ist Lee’s Unwissenheit in diesem Fach nicht ganz zu leugnen.
Hier und da wackelt mal die Kamera und das Zusammenspiel von Schnitt, Zoom und Akustischer Untermalung läuft auch nicht immer einwandfrei ab.
Hätte Lee länger gelebt hätte er sich sicherlich auch mehr Regieerfahrung aneignen können.

Doch was regietechnisch sehr durchschnittlich ausfällt, macht er mit seiner Arbeit als Fighting Choreograph wieder wett.
Doch Vorsicht! Wie schon bei allen anderen Lee Filmen, ist es auch hier wieder der Fall, nicht immer glaubwürdige Martial-Arts-Einlagen vors Auge zu bekommen.

Das Problem dürfte bekannt sein. Die meisten der Bad Guys liefern eine teils lächerliche Performance in Sachen Schlag- und Trittabtausch ab. Am schlimmsten sind die beiden Bad Asses, die sich um den Mordauftrags „Tang Lung“ streiten, und es durch ein wirklich albernes Fuß-Gefuchtel austragen wollen.
Vielen Schlägen und Tritten fehlt es an Wucht, hartem dynamischen Kontakt und daher an Glaubwürdigkeit, was aus heutiger Sicht eben einfach nur „billig“ aussehen dürfte.
Das liegt evtl. auch an den Durchschnitts-Stuntmen/Gegnern die mit dem Hauptdarsteller nicht mal ansatzweise mithalten können.

Denn im Kontrast dazu haben wir wieder Bruce Lee, der in seinen großen Szenen wirklich brilliert, und zeigt welch Supermann er war.
Bestes Beispiel für seine Power dürfte die Szene sein, in der er seinen mächtigen Sidekick demonstriert, und der Stuntman trotz Boxpolster mehrere Meter nach hinten fliegt.
WOW, nicht mal ein Profi-Football-Spieler würde so eine Wucht durch Anrempeln mit der Schulter verursachen.
Da müsste vergleichsweise eher ein Kraftfahrzeug mit hoher Geschwindigkeit her.

Way of the Dragon steht in Sachen Martial Arts für zwei große Szenen. In der einen darf Lee dem Publikum seinen höchst professionellen Umgang mit zwei Nunchakus demonstrieren, und vermöbelt seine Gegner damit nach Strich und Faden. Die Angst und Vorsicht steht den Angreifern ins Gesicht geschrieben als sie sich gar nicht mehr so recht trauen, den ruhig dastehenden, breit grinsenden Lee mit Messer zu attackieren.
Wo sich andere beim Umgang dieser Geräte ständig auf die Fresse hauen, da zeigt Lee wie blitzschnell und völlig schmerzenfrei diese Dinger zu handhaben sind, und dank ihm gelangen Nunchakus auch zu einer Popularität die bei Anfängern auch heute noch für jede Menge Rote Nasen und blaue Augen sorgt.

Wenn man also einen Film sehen will, der professionellen Umgang mit Nunchakus in Reinkultur zeigt, kommt man an Way of the Dragon nicht vorbei.
Aber es gibt noch einen anderen Grund sich den Film anzusehen.
Dies ist das *hust* Schauspieldebüt von Chuck Norris, der in der Rolle des „Colt“ die letzte große Geheimwaffe des aufgebrachten Gangsterbosses darstellt.
Fans von „Missing in Action“ und „Hitman“ dürfen gleich die erschreckende Feststellung machen. Er trägt keinen Bart!!
Dafür dürfte er aber die Frauenwelt von damals immer noch in Liebesgekreische verfallen lassen, wenn er erstmal das Hemd fallen lässt und die haarige Brust präsentiert, die wohl höchstens noch von Austin Powers getoppt werden kann.

Das große Duell Bruce Lee vs. Chuck Norris findet im Kolosseum statt und trägt auch heute noch zu Recht den Ruf einer der besten One on One Fights der Filmgeschichte zu sein.
Es ist einfach die realistische Anwendung von Martial-Arts Künsten, die dem Showdown das gewisse etwas verleiht. Kein hektisches Gehopse, und keine überakrobatischen Glanzleistungen, die in einem realen Kampf absolut nichts verloren haben.
Nachdem sich Lee und Norris vor dem Kampf aufgewärmt haben (dürfte für den ein oder anderen etwas albern erscheinen, wenn zwei sich gegenüberstehende Kontrahenten, die kurz davor sich umzubringen, erstmal aufwärmen X.x) geht der Kampf los. Das einzige Manko wären nur die ersten Szenen, die es etwas zu offensichtlich machen, wie sich Lee planmäßig der Choreographie zusammendreschen lässt, ohne zurückzuschlagen, oder Tritte die mal wieder ins Leere gehen, aber dennoch den Gegner zu treffen scheinen.
Doch schon bald nimmt der Kampf an Tempo zu, und er ufert zu einem wirklich spektakulären und vor allem realistischen Zweikampf aus, der in seinen schnellen und komplexen Hand- und Fußbewegungen kaum Langeweile zulässt. Nach dem Tang Lung merkt, dass er mit seinen gewöhnlichen Kung Fu-Techniken nicht weit bei dem bärtigen Kicker kommt, greift er nun zu Jeet Kune Do und wird allmälich besser.
Der Kampf gelangt an seinen kurzen Höhepunkt, wenn die Kamera zurückzoomt, und beide Kontrahenten in der Totale zeigt; Chuck Norris schlägt auf Lee wie wild ein, und dieser jedoch blockt alle Schläge im Rückgang perfekt ab, nutzt den Fußtritt zur richtigen Zeit, blockt wieder sauber ab, verpasst noch einen Tritt, und gibt dem Chuck schließlich ordentlich auf die Fresse. Diese Szene lässt sich nur schwer beschreiben, man muss sie einfach sehen; Lees Eleganz und Schnelligkeit ist einfach einzigartig, und verwöhnt jedes kampfsporthungrige Auge.
Nach weiteren raffinierten Handgriffen und überraschend schnellen Tritttechniken kann Lee den Kampf für sich entscheiden. Eine letzte Geste des Respekts vollbringt Lee, indem er den soeben getöteten Gegner mit dessen Hemd zudeckt und ihm eine Schweigeminute widmet.
Ein anderer hätte wohl auf die Leiche gespuckt…

Doch das ist eben nicht Lee’s Stil. Die Rolle des „Tang Lung“ nimmt sich eben doch sehr viel von dessen Darsteller, der hier zum Teil die eigene Persönlichkeit widerspiegelt. Allein deswegen kann man von keinem großartigen Schauspiel Lee’s reden, der eben wie in den anderen Filmen eher durch Ausstrahlung und Charisma zu gefallen weiß. Dennoch weise ich noch mal auf die humorigen Einlagen in den speziellen Szenen hin, die von Lee wirklich nett rübergebracht worden sind.
Der Rest der Schauspieler ist kaum der Rede wert. Da wäre nur noch Nora Miao, die zwar eine wichtige Rolle spielt, aber eigentlich auch nicht mehr tut als Lee hin und wieder hinterherzulaufen. Der Gangsterboss fällt relativ blass aus, genauso wie dessen untalentierte Schergen, die darstellerische Qualitäten eines Statisten haben, oder eben sowieso nur als Stuntmen fungieren. Herausragen können hier eben nur Lee’s Freunde und Schüler Chuck Norris & Bob Wall.
Ersterer konnte dank diesem Film noch eine Solokarriere als Actionstar feiern, während letzterer ein Kampfsportler blieb, der sich gelegentlich mal in weiteren Martialarts Schinken hat blicken lassen (alle ausschließlich Bruce Lee Vehikel, bis auf das aktuellste Don Wilson projekt „Sci-Fi Fighter“).

Way of the Dragon ist alles in allem ein guter und kultiger Kung-Fu-Streifen der damals sicherlich das Non plus Ultra war, aber eben aufgrund des Alters und recht unerfahrenen Regessieurs ganz schön eingerostet ist. Das Verhältnis zwischen guten und „billigen“ Fights liegt etwa bei 60:40, die Choreographie ist also leider nicht immer einwandfrei, doch wenn, dann wirklich großartig.
Guckt man sich die weniger guten Fights, die Szenen in denen Lee mit seinen Holzpfeilen immer alles und jeden trifft, das alles in der verwaschenen Early 70’s Optik an, dann ist dem Film ein gewisses Trash-Feeling gar nicht mehr abzusprechen.
Aber man sollte dennoch fair sein. Schließlich macht man sich auch nicht über eines der ersten Automobile, dem Mercedes Simplex von 1906 lustig.
Es ist eben nicht irgend ein x-beliebiger dahergelaufener Klopper-Schinken, sondern einer der wichtigsten Beiträge des Genres, mit einem entsprechenden Star Ensemble und einem grandiosen, bis heute hochgeschätzten legendären Endfight im Kolosseum.

PS: Der Jackie Chan Film „Wheels on Meals“ weißt starke Parallelen zu WotD auf.
Ebenfalls in Film mit Chinesen in einer Europäischen Stadt (Barcelona), und einen genauso grandiosen Endfight im einem Schloss, wo sich Jackie einen Kampf gegen einen nicht mindertalentierten Kampfsportler nämlich Benny „The Jet“ Urquidez liefert.

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