Review

Wer hat das noch nicht erlebt ? - Irgendwann spät abends hängt man sich vor die Glotze und zappt unmotiviert rum. Man verharrt kaum mehr als ein paar Sekunden bei einem Sender bis man plötzlich ein paar vertraute Töne hört oder ein bekanntes Bild sieht.

Sofort weiß man um welchen Film es sich handelt und kennt natürlich auch die genaue Stelle !!

Man sieht eine Weile zu und will dann weiter zappen, aber es geht nicht. Obwohl man jede Szene schon oft gesehen hat, jeden Dialog fast auswendig weiß, kann man nicht aufhören. Ja, man bleibt wie ein Süchtiger bis zur letzten Sekunde vor dem Bildschirm hängen...

Es gibt nur wenige Filme, bei denen mir das passiert ist - "Das Apartement" gehört dazu.

Dabei handelt es sich im Prinzip um eine ganz einfache Geschichte.

Mittelpunkt ist ein großes Verwaltungsgebäude, in deren riesigen Großraumbüros die Menschen ameisengleich an identischen in Reih und Glied aufgestellten Schreibtischen auf immer gleiche Registrierkassen einhämmern. Man sieht die Menschenmassen morgens in die Eingangspforten des Wolkenkratzers strömen ,wo sie dann in großen Aufzügen in die jeweiligen Geschosse verteilt werden.

Es ist schwer aus der anonymen Masse heraus zu stechen. Also womit versucht sich das Individuum einen Teil seiner Identität zurück zu erobern? - Mit einem eigenen kleinen Raum als Büro oder einem bestimmten Hut, der eine leitende Stellung symbolisiert oder gar dem Besitz eines Schlüssels für eine Führungspersonal-Toilette.

Es geht ausschließlich um Symbole, nie um Inhalte. Dabei spielt es gar keine Rolle, in welcher Führungsebene man sich befindet, denn jede Ebene hat wieder eigene Symbole, die man versucht sich anzueignen - in den oberen Schichten geht es eben mehr um die Anzahl oder die Qualität der jeweiligen Geliebten.

Die Arbeit an sich spielt weder in ihrer Qualität noch etwa als Befriedigung irgendeine Rolle.

C.C.Baxter (Jack Lemmon) und Fran Kubelik (Shirley MacLaine) spielen zwei kleine Rädchen in dieser immensen Apparatur, deren Sinn oder Ziel man niemals erkennen kann. Sie bedient einen der Aufzüge, er eine der Registrierkassen.

Beide versuchen sich aus der Masse mit kleinen privaten Erfolgen heraus zu arbeiten ohne zu merken, daß gerade dieses Streben eine wichtige Funktion im Gesamtbetrieb hat, der diesen am Laufen hält.

Sie ist die Geliebte einer Führungskraft und lebt mit der Hoffnung, daß er eines Tages seine Familie verläßt und sie heiratet. Er stellt eben diesen Führungskräften sein Appartement zur Verfügung, damit diese möglichst unerkannt ihrem Liebes-Vergnügen nachgehen können.

Er erhofft sich dadurch einen Karrieresprung in eine höhere Ebene, sie erhofft sich eine Familie....beides sind eher Wünsche, die kaum in Erfüllung gehen werden, aber sie motivieren sie ,weiter engagiert für die Firma zu arbeiten.

Billy Wilder gelingt es diese Ausgangssituation in wenigen Szenen in den ersten Minuten zu dokumentieren und zieht damit den Betrachter komplett in dieses Universum mit hinein, man wird an der Seite Jack Lemmons quasi selbst ein Rädchen im riesigen Getriebe.

Nun könnte man das Ganze sehr ernsthaft als Kapitalismuskritik (die es ja eindeutig ist) ausführen, aber Wilder wählt die Form der Komödie. Merkwürdigerweise ist es auch heute noch so, daß viele den Film zu recht witzig finden, aber die Genialität gerade in der Gesellschaftskritik kaum erkennen und ihn als ernsthaften Film z.B. hinter "Boulevard der Dämmerung" einordnen.

Eine ernsthafte Kritik - an welchen Mißständen auch immer - hat den Nachteil, daß der Kritisierende (in diesem Fall der Regisseur oder Drehbuchautor) einen gehobenen Standpunkt einnimmt, sozusagen den Standpunkt des Wissenden, der die Situation durchschaut und dadurch den Finger in die Wunde legen kann. Das muß kein Nachteil sein und ist auch schon oft sinnvoll angewendet worden, hat aber auch immer ein wenig den Charakter des Lehrmeisterlichen.

Billy Wilder geht einen anderen Weg, denn gerade dadurch, daß es Jack Lemmon mit der Verkörperung des Durchschnittstypen so hervorragend gelingt uns auf seine Seite zu ziehen, obwohl sein Verhalten ja moralisch eindeutig verwerflich ist, merken wir gar nicht wie wir selber Teil der Maschinerie werden und ihm quasi die Daumen drücken bei seinem Unterfangen Karriere zu machen.

Das dabei die durchwegs genialen Dialoge ihren Teil dazu beitragen braucht man gar nicht zu erwähnen.

Im Folgenden aber beginnt Wilder immer mehr die schöne Illusion, in der sich die beiden Protagonisten befinden, zu zerstören ohne auch nur eine Sekunde den Witz, der gleichzeitig selbst in ernstesten Situationen liegt aus den Augen zu verlieren, z.B.als er Baxter ,während er versucht das Leben von Fran zu retten, immer wieder mit seinem ungerechtfertigten Casanova-Image konfrontiert (was ihm gleichzeitig auch irgendwie schmeichelt).

Aber so richtig zeigt er ihnen die Hohlheit ihres Ansinnens bei der abschließenden Silvesterfeier im Verwaltungsgebäude, die sich ja auf Grund des kollektiven Zwanges zur Fröhlichkeit und deutlichen Herausstellung der Verbrüderung untereinander, seit je her besonders als Symbol für emotionale Mogelpackungen eignet - für mich der traurige Höhepunkt des Filmes.

Das etwas abrupte Ende paßt hervorragend zum Film ,denn Wilder gibt uns am Ende zwar Hoffnung, aber er macht auch deutlich ,daß Fran und Baxter erst den ersten Schritt aus dem Gleichklang der Massen gemacht haben...

Der Begriff wird ja gerne inflationär gebraucht, aber hier stimmt er : "Das Apartement" ist ein Meisterwerk - es kommt daher als wunderbar gespielte Komödie mit witzigen Dialogen, klugen Einfällen und ist jede Sekunde unterhaltend.

Gleichzeitig stiehlt es sich von hinten heran als Entlarvung des menschlichen Hanges zur Verdrängung offensichtlicher Mißstände und der lieber gewählten Unterordnung an vorgegeben Ziele und Sehnsüchte. Und trotz dieser Thematik gibt dieser Film Lebensmut, macht Freude und ist letztendlich ein Plädoyer für eine den tatsächlichen eigenen Bedürfnissen entsprechende Lebensführung.

Was kann man mehr von einem Film erwarten ? (10/10).

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