Fantasy ist ein schwierig zu handhabendes Genre, das Filmproduzenten jahrzehntelang zu Recht Schweißperlen auf die Stirn trieb:
Breit angelegte Geschichten mit unzähligen Charakteren, fremde Welten voller seltsamer Wesen und Begebenheiten jenseits aller Realität, das verhieß ausufernde Budgets, komplizierte Dreharbeiten und eine Auslotung der beschränkten technischen Möglichkeiten. Kein anderes literarisches Genre befeuert dermaßen die eigene Vorstellungskraft, und kein anderes Genre ist dermaßen schwierig auf die große Leinwand zu bannen. Nirgendwo kann man mehr ins Fettnäpfchen treten, sich schneller den Zorn einer enttäuschten Leserschaft einfangen, als hier, und so war Fantasy im Kino auch jahrzehntelang ein stiefmütterlich behandeltes Thema.
Bis Peter Jackson kam.
Und sich mit dem "Herrn der Ringe" nicht nur an die heilige Schrift aller Fantasy-Jünger wagte und damit das kolossalste Risiko der Filmgeschichte einging, sondern auch noch auf ganzer Linie Erfolg hatte. Unter maximaler Ausreizung gereifter Computertechnik, der atemberaubenden Landschaft seiner Heimat Neuseeland und beseelt von seiner glühenden Verehrung für die Vorlage gelang Jackson ein cineastischer Husarenstreich, der alle verkrusteten Ansichten zum Thema "Fantasy" einfach hinfortfegte. Mittelerde, Alptraum jedes Hollywoodproduzenten, war lebendig geworden. Nun schien alles machbar. Und das Publikum hatte fortan ein Recht darauf, Werktreue einzufordern.
Und die bekam es auch: Egal, ob nun Harry Potter an seiner Hogwarts-Schule herumzauberte oder eine Handvoll Waisenkinder ins Zauberreich Narnia reiste, endlich konnte das Kino halbwegs mit der Fantasie seiner Leser mithalten. Fairer Deal; die Filmemacher geben sich Mühe, die Buchleser strömen ins Kino. Und wo soviel Kohle abzugreifen ist, wird natürlich jeder halbwegs verwertbare Stoff aufgekauft, der irgendwie nach Tolkien riecht.
So auch geschehen mit "Eragon", einer von Autor Christopher Paolini auf drei Bände angelegten Fantasysaga, die sich um das Schicksal des gleichnamigen Drachenreiters dreht.
Die in einer Märchenwelt angesiedelte Geschichte des Bauernjungen, der zur Erfüllung seiner großen Bestimmung gegen ein tyrannisches Imperium zu Felde zieht, stieß manchen Lesern als billige "Star Wars"-Kopie auf, während anderen schon die Anwesenheit von weisen Magiern, Elfen und Zwergen genügte, um die ganze Chose als Tolkien-Plagiat zu verifizieren.
Dazu sei zum einen gesagt, dass man einem Fantasybuch schwerlich die Anwesenheit von phantastischem Personal vorwerfen kann, zum anderen haben sich gerade die beiden genannten Vorbilder Tolkien und Lucas selbst mehr als reichlich bei anderen Werken bedient (ersterer bei der Bibel, letzterer in der griechischen Mythologie), da lohnt sich schlichtweg keine tiefere Diskussion (davon abgesehen halte ich es für vermessen, Paolini in einem Atemzug mit Tolkien zu nennen und halte diesbezüglich die Luft an).
Unterm Strich haben wir es bei "Eragon" mit nicht gerade himmelsstürmend innovativen, aber sehr gut lesbaren Fantasyschmökern zu tun, deren Verfilmung zum jetzigen Zeitpunkt nur folgerichtig schien.
Und das bringt mich endlich zum Thema: Dieser schrecklichen Umsetzung.
Als Leser muss man seinen Kopf schon verdammt gut festhalten, damit er beim Anschauen von "Eragon" vor lauter Schütteln nicht abfällt. Alles, aber auch ALLES wurde hier vermurkst. Das fängt bei Kleinigkeiten wie dem Abändern von Handlungsabläufen an und hört bei wirklich essentiellen Dingen (Zwergenstadt?) auf. Ich argumentiere hier nicht vom Thron der Ignoranz herab, indem ich haarklein alle Elemente des Buches in der Umsetzung wiederfinden möchte. Jedes Medium hat seine eigenen Regeln. Ein Buch ist ein Buch und ein Film ist ein Film, ganz klar, aber Änderungen sind nur dann sinnvoll, wenn sie der Vorlage nicht in den Rücken fallen (schauen wir doch noch mal zu Jacksons Filmen rüber, die haben es mustergültig vorgemacht). Keine der Änderungen erscheint sinnvoll, die Eindampfung des 730 Seiten starken Stoffes auf knapp 100 Minuten Laufzeit ist beileibe keine dramaturgische Straffung, sondern eine hirnlose Aneinanderreihung unatmosphärischer Sequenzen, die den Geist der Vorlage förmlich zur Schlachtbank führen. Eragons Handeln, seine Bindung an seinen Drachen Saphira, ihr gemeinsames Aneinander-Wachsen, alles erscheint hier willkürlich und sprunghaften Drehbucheinfällen unterworfen, die vor allem für Nichtleser dringend benötigten Erläuterungen, sie fehlen schlichtweg. Kleines Beispiel: Im Buch wird Eragon als fähiger Jäger eingeführt, was sein Talent mit dem Bogen bei späteren Gefechten erklärt. Im Film hingegen wird er erst als blutiger Anfänger gezeigt, um ein paar Szenen später reihenweise Leute über den Haufen zu schießen. Schlampig? You name it. Nebenbei wird aus der Vergeltungssucht des Hauptcharakters (das erste Buch handelt zum großen Teil von Eragons besessener Jagd auf die Mörder seines Onkels) sehr holprig ein "ach, wenn ich schon alleine bin, zieh´ ich mal in die Welt hinaus" modelliert. Dass dabei alle Grausamkeiten der Vorlage, seien es nun gespaltene Schädel oder aufgespießte Kleinkinder, familientauglichen Schwertfuchteleien weichen, ist da fast schon Ehrensache. Und trägt weiter zur Vorlagenverfälschung bei; denn erst aufgrund der im Buch beschriebenen Grausamkeiten war die Schreckensherrschaft des Imperiums erst spürbar, während sie im Film schlichtweg Behauptung bleibt. Und wenn dann auch noch die Elfen und Zwerge komplett herausfallen und ebenso wie die Urgal-Orks durch Menschen ersetzt werden (Riesensauerei, das mal am Rande) dann wähnt man sich wieder in der grausigen Zeit vor "Herr der Ringe", als das alles "technisch noch nicht machbar" war.
Stichwort "technisch": Die Effekte sind guter Standard, Drachendame Saphira ist schön anzusehen und bildet damit einen netten Kontrast zum Film an sich.
Die Musik drängt sich stellenweise immer wieder in den Vordergrund, allein, warum sie es tut, bleibt ein Rätsel, klingt das Ganze doch mehr als einfallslos.
Einen dicken Batzen Schuld an dem Debakel mache ich dabei beim Drehbuch aus, welches nicht nur arg verfälschend zu Werke geht, sondern den Zuschauer obendrein auch noch mit belehrenden Pseudoweisheiten quält (so in etwa "du bestehst zu einem Teil aus Mut, zu drei Teilen aus Narr", aarrg, dieser Spruch kommt mindestens dreimal zur Anwendung), als müsse man die eh schon frappierende Nähe zu "Star Wars" noch mit Quasi-Jedi-Sprüchen suchen. Hier versagt dann auch noch die Regie vollends, denn wenn schon der "Star Wars"-Vorwurf im Raume steht, kann man doch nicht allen Ernstes ganze Szenen kopieren. Da sitzt der Hauptdarsteller vor dem Hof seines Onkels und schmachtet in den Sonnenuntergang, als würde er zu gerne ein paar Energiewandler von der Tosche-Station abholen.
Hier und auch in anderen "Charakterszenen" fällt immer wieder auf, dass Regisseur (hauptberuflich Effektespezi) Fangmeier keine Ahnung von Schauspielerführung zu haben scheint. Der lässt sie alle mal machen, Hauptsache, die gucken bei den Effektszenen in die richtige Richtung. So wirkt das dann aber auch.
Und bevor ich mich nun in endlosen Kaskaden über die schauspielerische Leistung sämtlicher Beteiligten ergehe (es finge bei einem gelangweilten John Malkovich an, führte über den seltsamen Kurzauftritt von Heulboje Joss Stone und hörte bei dem völlig fehlbesetzten Edward Speleers auf), möchte ich nur kurz die gute Leistung von Robert Carlyle erwähnen, der als "Durza" als einziger so etwas wie Stimmung verbreitet. Über den Rest breite ich ein gnädig schweigendes Tuch.
Fazit:
Lest das Buch, vergesst den Film.
Für die Zukunft sollte man sich in Hollywood vielleicht mal überlegen,ob die Funktion des Regisseurs doch etwas höher eingeschätzt werden sollte. Die Vorstellung, was jemand, der wirklich etwas von seinem Job versteht, aus "Eragon" hätte machen können, dürfte allen Fans die Tränen in die Augen treiben. So drängt sich mir zum Schluss nur einmal mehr der Vergleich auf:
"Der Herr der Ringe" war der Triumph eines mit Herzblut arbeitenden Filmemachers.
"Eragon" ist nur das traurige, uninspirierte Glied einer multimedialen Verwertungskette.
Ebenfalls erhältlich:
Die CD zum Film, das Videospiel zum Film, die Bettwäsche zum Film.
Die Meinung zum Film: Mies. Ganz, ganz mies.