Schon lange bevor die Tricktechnik erstaunliche Fortschritte verzeichnete und bombastische Blockbuster mit staunen machenden Effekten ermöglichte, bestand ein Interesse am Genre des Katastrophenfilms. Dies reicht bis in die Anfangszeiten der laufenden Bilder Anfang des 20. Jahrhunderts zurück, als etwa Georges Méliès einen Vulkanausbruch in „Éruption volcanique à la Martinique“ (1902) inszenierte. Seine Hochzeit erlebte das Genre allerdings während der 70er Jahre, als dem Trend des New Hollywood zahlreiche starbesetzte, heutzutage nicht selten unfreiwillig komische Kracher wie „Erdbeben“, „Flammendes Inferno“ oder „Meteor“ entgegengestellt wurden.
Einer der Filme aus dieser Zeit, die auch über 40 Jahre später noch ohne große Bauchschmerzen (vor Lachen) goutiert werden können, ist „Airport“, einer der ersten Vertreter der Katastrophenwelle, die seinerzeit über die Kinoleinwände schwappten. Mit bekannten Hollywoodgrößen wie Burt Lancaster, Dean Martin, Jean Seberg, Helen Hayes und George Kennedy oder europäischen Importen wie Jacqueline Bisset, die zuvor u.a. für Roman Polanski dreht, präsentierte der Film genug Starpower, um ein voller Erfolg zu werden und drei Fortsetzungen zu rechtfertigen. Zehn Oscarnominierungen waren die Folge, aber nur Helen Hayes als Beste Nebendarstellerin durfte den Preis mit nach Hause nehmen.
Was „Airport“ schon einmal sehr sympathisch macht, ist die Tatsache, daß er nicht zu einer prahlerischen „Guckt mal, wen wir alles für den Film bekommen konnten“-Starparade verkommt, sondern allen wichtigen Figuren einen umfassenden Hintergrund verleiht. Die privaten Probleme der Protagonisten sind dabei manchmal schon zu viel des Guten und streifen zugegebenermaßen Daily-Soap-Gefilde (eine unglückliche Ehe, weil der Mann nie zu Hause ist, worunter die Familie leidet; ein Piloten-Hallodri, der seiner Frau fremdgeht und eine Stewardeß schwängert, die sich mit der Frage beschäftigen muß, ob sie das Kind behalten oder abtreiben soll), aber der Film degradiert sie nicht zu blassen Abziehbildern, die einem so egal sind, daß man nur hofft, das Unglück möge endlich über sie herniederbrechen. Sie bleiben mit ihren kleinen Ecken und Kanten vielmehr glaubwürdig. Selbst dem einzigen Antagonisten Guerrero (Van Heflin), der in schwierigen finanziellen Sorgen steckend und von Depressionen erfüllt eine Bombe mit sich herumträgt, wird vorab eine auf den Punkt gebrachte Szene gegönnt, die dem Charakter den nötigen Tiefgang gibt, der über die typische Schurkenrolle hinausgeht. Die volle Kelle Dramatik wird dabei immer wieder durch einen launigen George Kennedy als ehrgeizigen Cheftechniker und vor allem die schrullige Helen Hayes in der äußerst dankbaren Rolle der 70-jährigen blinden Passagierin, die geradezu zwanghaft Flugzeuge ohne gültiges Ticket besteigt, unterspielt.
Bis das Flugzeug abhebt, vergeht über eine Stunde, und es vergehen noch einige weitere Minuten, bis aus dem bloßen Anfangsverdacht einer Einzelperson die Gewißheit erwächst, einen potentiellen Selbstmörder unter den Passagieren sitzen zu haben. Tatsächlich gelingt „Airport“ durch das Vorwissen des Zuschauers eine beachtliche Spannungskurve, hilfreich unterstützt durch die besonnen und ohne Hysterie vorangetriebene Rettungsaktion der Flugzeugcrew, die durch unglückliche Umstände scheitert und schließlich doch in der Explosion mündet, die man zu verhindern hoffte und die die komplette Besatzung in arge Turbulenzen stürzt.
Das letzte Viertel ist dann auch gleichzeitig der schwächste Part des Films, weil er das Erwartbare, also Klischees, die damals schon Klischees waren, weil eben Filme mit beschädigten Flugzeugen, die notlanden müssen, nicht viel Spielraum für Variationen bieten, bedient und keinerlei Überraschungen präsentieren kann. Schließlich werden auch alle zuvor etablierten Probleme der Hauptfiguren zu Gunsten der dramatischen Bruchlandung fallen gelassen. Vermutete man anfangs noch zusätzlichen Zündstoff durch die persönlichen Aversionen zwischen Flughafendirektor Bakersfeld (Lancaster) und seinem Schwager und Kapitän des Flugzeugs (Martin), so spielen die nach der Exposition gar keine Rolle mehr. Man tauscht nicht einmal mehr ein persönliches Wort aus. Eingeführte Figuren wie Bakersfelds Gattin verschwinden einfach, weil sie für die Handlung letztlich irrelevant waren. Sicherlich hat man sich nicht für alle diese Episoden eine Auflösung gewünscht, aber wenn man bedenkt, wie lange das Drehbuch sich mit ihnen beschäftigt hat, hätte man doch einen runden Abschluß erwarten können, anstatt zahlreiche Fäden einfach zu kappen.
Dennoch ist „Airport“ ein gelungener Katastrophenfilm, der weniger an Schauwerten als vielmehr an der spannenden Grundsituation interessiert ist, was auf alle Fälle der richtige Weg ist, denn so läuft er wenigstens keine Gefahr, den Zuschauer durch immer weitere Sensationen zu ermüden. Der übermäßige Einsatz von Split-Screen-Technik und Kreisüberblendungen, um stets alle Sprecher im Bild zu haben, wirkt heute vielleicht etwas albern (gerade wenn man eine solche Kreisüberblendung mitten ins Bild zwischen Co-Piloten- und Pilotensitz plaziert), aber dies ist wohlige und sehr angenehme Unterhaltung, eine richtiggehende Wohltat inmitten der hoffnungslos überproduzierten (und noch viel simpleren) Mehr-Mehr-Mehr-Weltuntergänge im Kino des 21. Jahrhunderts. Noch 8/10.