Auf „Political Correctness“ wird in der letzten Zeit im internationalen Kino zunehmend geschissen. „Borat“ ist in dieser Welle das Zugpferd, der wohl bekannteste Titel, der rund um den Globus für Aufruhr sorgte. Und auch das deutsche Kino will sich nicht lumpen lassen und schlägt mit Anno Sauls „Wo ist Fred?“ in die gleiche Kerbe. So zumindest die unangenehme Vermutung, wenn man sich die Grundidee der mit Til Schweiger, Alexandra Maria Lara und Christoph Maria Herbst stark besetzten Komödie betrachtet:
Fred (Til Schweiger) ist ein ambitionierter junger Mann, der sich durch die bevorstehende Hochzeit mit Mara (Anja Kling), der Tochter seines Chefs, einen Aufstieg vom Polier hin zu höheren Aufgaben im Bauunternehmen seines Schwiegervaters in spe erhofft. Doch vor der Vermählung gilt es, eine letzte wichtige Hürde zu nehmen und die Gunst von Maras Sohn Linus (Ramon Julia König) zu gewinnen. Linus ist großer Fan des Basketballers Mercurio Müller und wünscht sich nichts sehnlicher als einen Original-Ball seines Superstars… Da an diesen nur ranzukommen ist, wenn man auf der Sondertribüne für Behinderte sitzt, muss Fred in die Rolle eines sprachbehinderten Rollstuhlfahrers schlüpfen.
Zu Beginn läuft Anno Saul tatsächlich Gefahr, den Pfad der moralisch noch gerade so vertretbaren Minderheiten-Witze zu verlassen und in den Strudel des politisch Unkorrekten zu gelangen, indem er Schweiger zum bewussten Over-Acting antreibt und seine Figur des scheinbar behinderten Freds zu einer Collage aus sämtlichen Stereotypen, die sich beim spießbürgerlichen Deutschen zum Thema „Menschen mit Behinderung“ angesammelt haben, verkommen lässt. Doch dann schafft er es, dieses Abschweifen in Extreme dadurch zu durchbrechen, dass er jene Gruppe, die durch Til Schweigers Schauspiel auf die Schippe genommen wurde, zu Wort kommen lässt. So gelingt es ihm nicht nur, die geistig und körperlich behinderten Menschen als vollwertige Schauspieler in seiner Komödie zu etablieren, sondern zugleich dem Publikum den Spiegel vor das Gesicht zu halten. Fred spiegelt dabei den Teil der Gesellschaft wider, der in behinderten Menschen durch die Bank hinweg geistig labile, sabbernde „Spastis“ sieht.
Ist diese neue Stufe des Films endlich erreicht und hat man erst einmal erkannt, dass der Kleingeist, den man in diesem Falle zunächst in Anno Saul vermutete, mit seiner moralisch grenzwertig erscheinenden Exposition eine lobenswerte Intention verfolgte, fällt es merklich leichter, das bereits Gesehene im humoristischen Kontext zu sehen und man wird bemerken, dass sich das schlechte Gewissen, das sich ganz beiläufig hin und wieder gemeldet hat, wenn man bei Slapstick-Einlagen auf Kosten von Rollstuhl-Fahrern zwangsläufig schmunzeln musste, langsam aber sicher verflüchtigt.
Und auch wenn man nun vollends den komödiantischen Einlagen des Casts um den ordentlich, aber nicht so gut wie in „Barfuss“, aufgelegten Til Schweiger erliegen könnte: Das Gefühl von rundum gelungener Unterhaltung kann bei „Wo ist Fred?“ nicht endgültig hergestellt werden. Christoph Maria Herbst als notorisch nörgelnder Rolli-Fahrer Ronnie schafft es zwar, für einige beherzte Lacher zu sorgen, bleibt jedoch im Großen und Ganzen hinter den Erwartungen, die man in den Namen Christoph Maria Herbst spätestens seit seinen Leistungen in der TV-Serie „Stromberg“ und den „Wixxer“-Filmen steckt, zurück. Jürgen Vogel, Dauerbrenner auf deutschen Kino-Leinwänden, hat darunter zu leiden, dass sein „Alex“ mit fortschreitendem Filmverlauf mehr und mehr zum Unsympath verkommt, während Alexandra Maria Lara dafür sorgt, dass es im Film auch den passenden, „schnuckeligen“ weiblichen Gegenpart zu Til Schweiger gibt und es auch schafft, die größten Sympathiewerte beim Publikum einzuheimsen.
Doch auch sie muss – wie der gesamte Cast – letzten Endes unter den kleinen Unzulänglichkeiten des Drehbuchs leiden, das einerseits einen ordentlichen Spannungsverlauf aufzubauen vermag, andererseits aber immer häufiger den Hang zum Unglaubwürdigen verspüren lässt. So ist die Wandlung von Laras „Denise“ von der laut eigenem Bekunden eher ablehnend gegenüber Behinderten Auftretenden hin zur Gutfrau, die über ihren eigenen Schatten springen und sogar einen Menschen mit Behinderung lieben kann, zwar schön anzusehen, doch in letzter Konsequenz mit einem faden Nachgeschmack der Verlogenheit verbunden, der sich in vielen weiteren Punkten wie ein – zugegebenermaßen recht dünner – roter Faden durch „Wo ist Fred?“ zieht.
Bei all der negativen Kritik soll aber nicht verschwiegen werden, dass es Anno Saul mit „Wo ist Fred?“ gelungen ist, ein recht kurzweiliges und irgendwie sympathisches Filmchen im Stile der klassischen Verwechslungs-Komödie auf die Leinwand zu bringen, über das selbst die lachen können, die hier ein ums andere Mal humoristische Seitenhiebe zu spüren bekommen.
Denjenigen, dem es gelingt, dass selbst direkt Betroffene die Leichtigkeit des „Über sich selbst“-Lachens entdecken, kann man dann auch getrost als „großen“ Komiker bezeichnen. Wenn es Anno Saul nun noch gelungen wäre, die Dissonanzen in seiner Harmonie über die Andersartigkeit auszumerzen, könnte man auch „Wo ist Fred?“ als „große“ Komödie bezeichnen. Das ist leider nicht gelungen, hier hat ein „großer“ Komiker eine „ganz nette“ Komödie geschaffen. 6,5/10