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Der Meister des Surrealismus kehrt nach fünfjähriger Pause zurück. Die Zeichen standen gut für Lynch Fans. Sein 10. Film und sein 1. Epos. Was kann da noch groß schiefgehen? Dementsprechend waren meine Erwartungen sehr hoch und sie wurden doch ein wenig enttäuscht.

Inland Empire ist wie kaum ein Film an den Kinokassen untergangen, kaum ein Schwein hat von ihm gehört, geschweige denn ihn gesehen. Der Film lief in fast keinem Kino und selbst auf der Geek Seite der Ofdb hat er noch nicht mal 100 Stimmen zu verzeichnen. Das ist schon ein wenig Schade.

Andererseits braucht man sich da nicht wirklich wundern, wenn man den Film gesehen hat. Denn Inland Empire ist nicht nur einer der unkonventionellsten Filme aller Zeiten, sondern meiner Meinung nach der abgefahrenste Lynch überhaupt.

Bekanntlich hat der ja noch nie gewöhnliche oder einfache Filme gedreht. Aber in Inland Empire geht er weiter wie sonst und lässt selbst Lost Highway und sogar ( wenn auch nur knapp) Eraserhead hinter sich. Neben der unschlüssigen Handlung und der Länge von 170 min sorgt vor allem die DV-Optik endgültig dafür, das Inland Empire eine ziemliche Herausforderung darstellt.

Aber auch wenn der Film dem Zuschauer vieles abverlangt, so gibt er auch einiges zurück. Wo wir auch schon bei dem Digital Video Look sind. Der wirkt anfangs doch sehr gewöhnungsbedürftig, wird aber unter der Regie von Lynch in vielen Einstellungen zum Erlebnis. Ihm gelingen großartige Bilder, die man so noch nicht gesehen hat. In diesem Punkt erwies sich Lynch wieder mal als Vertreter der Avantgarde. Ob DV allerdings den herkömmlichen Film auf Dauer ersetzen kann, darf durchaus bezweifelt werden.

Was die Handlung betrifft, so kann man dem Werk so gut wie gar nicht folgen. Auch wenn viele Szenen wiederkehren und zusammenhängend scheinen, verweigert sich Lynch noch mehr als in seinen anderen Filmen der normalen Erzählweise. Das stellt für mich mit der Lauflänge allerdings das größte Problem dar. Denn auch Lost Highway und Mulholland Drive waren voll von Rätseln die nicht aufgeklärt wurden, doch die hatten eine Geschichte zu erzählen und wirkten trotz der ewigen Zeitenwechsel seltsamerweise sehr geschlossen. Genau das war für mich immer das genialste an Lynchs Filmen.

Ein weiterer Kritikpunkt für mich, ist wie bereits erwähnt, die Laufzeit. Dabei hätte es so schön werden können mit dem Lynch Epos. Doch bei Inland Empire hätte man 30 min weglassen können, viele Szenen wirken einfach wie Füllmaterial. Dadurch wirkt er weniger packend wie Lost Highway, Mulholland Drive oder Eraserhead.

Bei den Schauspielern fällt als erstes natürlich nur eine auf: Laura Dern. Die liefert hier ihre beste Leistung überhaupt ab. Doch der Film ist die ganze Zeit nur bei ihr, was mich doch etwas genervt hat, da sie ja nicht gerade hübsch ist. Cooler fande ich da auf jeden Fall Jeremy Irons und vor allem Justin Therox. Der ist sowieso für mich der heimliche Star des Films und wie schon als Adam Kesher in Mulholland Drive ist er sehr gut. Leider hat er und vor allem Irons zu wenig Screentime. Harry Dean Stanton hat auch noch eine witzige Nebenrolle inne. Aber wie gesagt der ganze Film wird überschattet von der Präsenz Laura Derns.

Die Inszenierung ist wie gesagt ungewöhnlich, doch wenn man offen für neues ist und dem Lynchstil etwas abgewinnen kann, wird man auf jeden Fall auf seine Kosten kommen. Lynch zeigt auch hier wieder das er ein Meister im Schaffen von Atmosphäre ist und in diesem Punkt meiner Meinung nach jeden Regisseur hinter sich lässt. Auch der Sound, wieder typisch von einem Brummen unterliegt und die Musik ist gut. Besonders klasse fand ich den Song " It´s strange what love does" der meines Wissens von Lynch selber komponiert und gesungen wurde.

Fazit: "Jetzt dreht er völlig durch." Das ist wohl der Satz der einem nach dem Abspann als erstes durch den Kopf geht. Lynch schert sich nicht mal mehr um die wenigen Dinge um die er sich vorher gekümmert hat und somit ist Inland Empire sein konsequentestes Werk, welches allerdings mit Längen und einer selbst für Lynch Fanatiker schwer verständlichen Geschichte zu kämpfen hat. Auf jeden Fall wie jeder seiner Filme eine einzigartige Erfahrung, wobei ihm langsam klar werden muss, dass er sich bald in einer Sackgasse befinden wird. Aber das wird ihm schon bewusst sein. Wer weiß vielleicht kommt ja als nächstes wieder ein Film, der da weitermacht wo Straight Story aufgehört hat?
8/10

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