Was ist das eigentlich? Ein Dokumentar- Spiel- oder Tesafilm?
Es ist nichts von all dem.
Und garantiert sieht man die deutsche Nationalmannschaft während der WM 2006 NICHT aus der Schlüsselloch-Perspektive. Denn wer das glaubt, hat wohl vergessen, dass alle erfolgreichen Fußballspieler Millionen mit Werbung verdienen. Deshalb achten sie (und ihre Berater natürlich) auf ihr Image und das heißt, dass kein schlechtes Bild von ihnen in die Öffentlichkeit gelangt.
Dementsprechend gibt es auch nur langweilige und gefällige Bilder. Ein Wutausbruch? Pustekuchen. Beschimpfungen von Gegnern? Ach wo? Gehässigkeiten untereinander? Nix. Oder Zickenkrieg unter den Spielerfrauen? I wo. Alle sind soooo nett. Gähn.
Schlimm ist außerdem, dass das langweilige Material noch nicht mal spannend zusammengeschnitten ist oder ein roter Faden gesponnen ist. Regisseur Sönke Wortmann, scheint sich von seinem USA-Aufenthalt immer noch nicht erholt zu haben. Er scheint sogar jegliches, vorher intuitiv beherrschte Wissen "wie man einen guten Film macht", verlernt zu haben.
Das fängt mit der ersten Einstellung an. Zuvor ist man bester Stimmung und voller Vorfreude. "Deutschland ein Sommermärchen", denkt man sich. Wow, tolle Stimmung war das. Feiern, Toreregen, Dauerparty. Einfach Super!
Dann geht der Film los. Man sieht frustrierte, weinende Spieler in der Kabine. Direkt nach dem verlorenen Italienspiel. Oh Gott, überlegt man, war am Ende doch alles schlecht? Dann folgen schlimme 30 Minuten, in denen es überhaupt kein Fußballspiel gibt. Stattdessen blödes Geplänkel. Überflüssige Informationen über Sofas und Lounges. Langweiliges über die Lokationen und dazu ein Ton – der so schlecht ausgesteuert ist, dass es einem die Schuhe auszieht. Hat Wortmann nicht früher Spielfilme gemacht?
Die einzigen Informationen, die man als halbwegs neu mitnimmt, sind: Poldi kann tatsächlich kein Deutsch. Oliver Bierhoff ist ein miserabler Motivationstrainer und glaubt noch nicht mal selber, was er sagt.
Ja und scheinbar war Jogi Löw schon damals für alles Spielerisch-taktische verantwortlich. Und dann ist da noch Jens Lehmann, der tatsächlich extrem sympathisch und grundehrlich erscheint. Ein Typ, von dem man direkt eine Biografie lesen würde, obwohl sonst Sportler-Bios ausnahmslos überflüssig sind.
Aber zurück zum Film. Es stellt sich die Frage, was den Film auszeichnet. Schön wird es zwar tatsächlich manchmal, aber das sind dann doch zumeist die Fußballszenen von den Spielen. – Und die hat Wortmann allesamt nicht gedreht. Sehenswert sind natürlich auch die Szenen von den Fanmeilen.
Aber Schlüsselloch? Es gibt zwei Szenen mit Lehmann und Frings, die ein bisschen Einblicke gewähren. Aber alles andere ist einfach nur flach – so wie Sportler nun mal sind.
Abgesehen davon ist auch nichts Sehenswertes dabei, wenn Schweini angeblich Poldi weckt und der zwar im Bett liegt, aber ein Handy in der Hand hat. Das ist einfach nicht glaubwürdig und damit diskreditiert sich auch jeder Filmemacher. Aber natürlich ist das beileibe nicht die einzige Szene, die beliebig wirkt.
Für eine Dokumentation, die der Film ja auch hätte sein können, fehlt dem Werk jedwede Hintergrundinformation von Funktionären (wo ist überhaupt Beckenbauer?) und andere Stimmen. Es gibt noch nicht mal Hilfen, wer gerade spricht (könnte man doch mit Untertiteln anzeigen).
Im Prinzip ist „Deutschland ein Sommermärchen“ ein Film von jemanden, der bei der WM dabei sein durfte und das auch teilweise gefilmt hat – aber der Bäcker von nebenan hätte das auch nicht schlechter machen können.
Oft genug stört ein Bein, ein Arm oder was auch immer. Das Ärgerlichste ist jedoch, dass keine Frage beantwortet wird, die den Zuschauer interessiert:
Wie ging eigentlich Ballack mit dem Druck um und den fehlenden Toren?
Hat Kahn während des Trainings gelacht, wenn Lehmann einen reinließ?
Wie haben die jungen Abwehrspieler die Kritik bei ihren ersten Einsätzen verkraftet? Wie ging es Arne Friedrich?
Wie hat sich Superstar Klose auf ein Spiel vorbereitet?
Oder Buntes : Haben sich die Spielerfrauen angezickt? Ist jemand von ihnen vorzeitig abgefahren?
Hat sich jemand mal Journalisten gegenüber im Ton vergriffen und wurde von Klinsi dafür angepfiffen?
Und überhaupt: Wie ist Klinsi mit der zu Anfang extrem schlechten öffentlichen Meinung umgegangen, die sich nachher in Klinsi, Klinsi Lobesgesänge wandelte? Oder soll man glauben, dass das spurlos an ihm vorbeigegangen sein?
Ehrliche Antworten darauf hätten dem Film einen Wert gegeben. Genau wie die Frage, ob Poldi und Klose miteinander polnisch sprechen und auch der Frage, ob Poldi vor dem Spiel gegen Polen Angst hatte ein Tor zu machen.
Aber nichts davon im Sommermärchen, das einfach nur langweilig ist. Alles ist glatt und wohlgefällig und statt Konflikten sieht man viel zu häufig den Torwarttrainer Andi Köpcke Beliebigkeiten äußern.
Irgendwann kriegt man dann wirklich eine Gänsehaut, wenn der schon wieder im Bild ist und spätestens dann ist der Zeitpunkt erreicht, an dem man nur noch darauf wartet, dass dieses furchtbar langweilige Sommerödnis endlich zuende ist.