Deutschland. Ein Sommermärchen (2006)

~~ Fakten ~~Originaltitel: DEUTSCHLAND. EIN SOMMERMÄRCHEN (DEUTSCHLAND 2006)
Produktion: TOM SPIESS
Regie: SÖNKE WORTMANN
Darsteller: DEUTSCHE FUSSBALL-NATIONALMANNSCHAFT DER WM 2006
Genre: SPORT
Länge: CA. 110 MINUTEN
FSK: FREIGEGEBEN AB 0 JAHREN

Kinovorstellung (Deutschland): OKTOBER 2006
DVD-Veröffentlichung: -
Free-TV Premiere: -

~~ Inhaltsangabe ~~

Ablauf:
Vorrunde ++ Deutschland 4-2 Costa Rica
Vorrunde ++ Deutschland 1-0 Polen
Vorrunde ++ Deutschland 3-0 Ecuador

Viertelfinale ++ Deutschland 5-3 Argentinien (n. E.)

Spiel um Platz 3 ++ Deutschland 3-1 Portugal

Vor ein paar Tagen habe auch ich endlich zusammen mit meinem Freund (der übrigens sehr erpicht auf diesen Film war) die deutsche Rückblende auf die WM 2006 im Kino angesehen. Und am Ende, nach so ziemlich 100 Minuten, war ich sprachlos. Ich war geradezu beeindruckt.

Unter den Deutschen ist Sönke Wortmann schon längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. Schließlich ging die Verfilmung des echten Fußballwunders von 1954, „Das Wunder von Bern" (2003), voll und ganz auf seine Kappe. Der Film hatte Kritiker und Fußballfans zugleich überzeugt. Und die Vorliebe dieses richtig guten Regisseurs für Fußball erkennen lassen.
Diesmal verfilmt er allerdings kein Wunder von 1954, sondern ein Märchen aus den heutigen Tagen, gar nicht so lange her.
Durch Dokumentationen und Reportagen über diesen Film habe ich erfahren, dass Wortmann in diesen Tagen zwischen dem 9. Juni und dem 9. Juli quasi zum deutschen Team gehört hat und überall stets zur Stelle war. Dabei baute er freundschaftliche Beziehungen zu dem Trainerstab, zu den Spielern und zu dem restlichen Team auf. Das ist beeindruckend, hätte es doch für die Spieler vor allem während eines so wichtigen Turniers psychisch schwierig werden können, wenn immerzu eine Kamera mitsamt Kameramann auf sie gerichtet ist. Privat und Öffentlich. Aber Sönke Wortmann schaffte es, da zu sein und gleichzeitig auch wieder nicht da zu sein. Er schlüpfte in die Rolle eines neutralen Betrachters, war nie zu sehen und traf die Spieler genau in den richtigen Momenten an: in der Umkleidekabine, im Hotel, in der Dusche, auf dem Trainingsgelände, usw.

Wie gesagt baut Sönke Wortmann mit seiner immer und überall anwesenden Kamera eine Art neutrale Person auf, in die so gut wie jeder schlüpfen kann. Ich für meinen Teil im (mal wieder) ausverkauften Kinosaal bekam immer den Eindruck, direkt bei den Spielern zu sein und mit ihnen die ganze WM von Anfang bis zum Ende zu erleben. Das kommt sehr gut rüber und findet sehr viel Anklang im Publikum. Viele Szenen kann man selber interpretieren und die eigenen Gefühle einbauen. Wortmann lässt seinen Träumern auf den Kinosesseln die nötige Freiheit, ihre Gefühle in diesen Tagen mit den Bildern der Spieler zu verknüpfen und noch einmal die tolle Zeit im Sommer aufleben zu lassen.

Umso mehr Gänsehaut-Effekte spürt man, wenn die deutsche Nationalmannschaft gegen Italien trotz eines großartigen Kampfes ausscheidet und die ansonsten so gut gelaunten Spieler nach der Begegnung stillschweigen und nachdenken. Einfach nur nachdenken. Ich fand das im Kino überwältigend. Hier werden echte Gefühle, Emotionen pur an den Zuschauer übertragen. Und dieser fühlt mit.

Dank dieses kleinen technischen Gerätes bekommen wir einen nie da gewesenen Einblick hinter die Kulissen der Fußballhelden aus Deutschland. Sönke Wortmann geht mit seinem Utensil praktisch einwandfrei um und fängt seine Bilder genial ein. Stets auf Ballhöhe und immer am Ort des Geschehens. Mal probiert er ungewohnte Perspektiven aus (z. B. vom Boden der Umkleidekabine), mal bekommt der Zuschauer die gewöhnlichen Kameraeinstellungen zu sehen. Vermischt ergibt das eine tolle Kameratechnik, die den eingefangenen Bildern noch mal sehr viel Ausdruck verleiht.

Ich wusste doch, dass Schweini und Poldi die beiden Gute-Laune-Typen in der Truppe sind. Das beweist der Film. Ständig sind die beiden gut gelaunt, geben Interviews, lachen ununterbrochen. Ohne je einen besonders intelligenten Eindruck zu hinterlassen. Aber die Mannschaft zu unterhalten können die beiden Freunde nur zu gut. „Deutschland. Ein Sommermärchen" erzählt sehr viel von den beiden jungen Talenten. Auch wird die Person des Michael Ballack stärker hervorgehoben als die Anderen. Ansonsten wird jedem Fußballer - von Hitzlsperger bis hin zu Hildebrand - genügend Spielraum gelassen, viel von seiner Person rüberzubringen. Und das Rübergebrachte wird vom Regisseur perfekt eingefangen.
Die Taktiken und die Diskussionen von den Köpfen der Mannschaft - Klinsmann, Löw, Bierhoff, Köpke - verdienen es ebenfalls hier erwähnt zu werden. Vor allem deren Meinungen in den Interviews geben viel her. Hier wird deutlich, wie klasse die deutschen Fußballer auf die WM nach den enttäuschenden Testspielen vorbereitet wurden. Jürgen Klinsmann spricht mit den Spielern nie als ein übergeordneter Trainer, sondern vielmehr als ein 12ter Spieler unter ihnen. Zum Glück versteht es sein Nachfolger Löw, das fortzuführen.

Natürlich wird die Thematik Lehmann-Kahn behandelt. In Interviews geben beide ihre Ansichten und ihre Meinungen zu dem Thema ab. Oder das Fehlen von Torsten Frings und seine beeindruckende Ansprache vor dem Italien-Spiel. Sehr interessant sind auch die Emotionen von David Odonkor nach dem Spiel gegen Polen. Allen Themen wird genug Zeit gelassen, ausführlich behandelt zu werden - und zwar nicht von Fußball-Experten oder Reportern, sondern von den Akteuren selbst. Einsame Klasse.

Ich würde gerne diesem klasse Fußball-Film die volle Punktzahl geben. Aber leider hat mich eine Tatsache nicht richtig gefasst. Der Stimmung im Land hätte man gerne ein paar Minuten mehr geben und sich direkt unter die Fußballverrückten mischen können. Natürlich, ich leugne es ja gar nicht, wird die Stimmung richtig eingefangen und die Sicht der Fußballer und ihr Umgang mit diesem Status im eigenen Land auch, aber die Nähe zu ebenjener geilen Stimmung hat mir leider gefehlt.
Aber was soll's: Ich habe das ja hier in Hamburg selber erlebt - somit weiß ich, wie es war.

5/5 oder 9/10 Punkten.