Review

„`54, `74, `90, 2006"... - nein, es sollte nicht sein. Italien kam dazwischen. Doch dürfte jeder von uns noch lange schöne Erinnerungen an den Sommer 2006, den Sommer mit der Fußball-WM in Deutschland haben. Knapp 3 Monate nach diesem Großereignis kommt die Dokumentation „Deutschland. Ein Sommermärchen" ins Kino und lässt dieses schöne Fußballfest noch einmal Revue passieren. Leider ohne die Emotionalität eines Live-Spiels zu vermitteln.

Der Film zeichnet von der Vorbereitung auf die WM in Sardinien, über Trainingsmethoden, skurrile Geschichten und natürlich die WM-Spiele die „Geschichte" des deutschen Teams bei der WM 2006 nach. Sönke Wortmann („Das Wunder von Bern") und Frank Griebe (Kameramann von u.a. „Das Parfum") waren hautnah mit Handkameras dabei und offenbaren intime Einblicke in das Zusammenleben der Spieler, Taktik, Kabinenpredigten von Jürgen Klinsmann, sowie witzige Anekdoten um einen ständig zum Scherzen aufgelegten „Schweini", der schon einmal beim Besuch von Angela Merkel leise nach niedrigeren Steuern verlangt oder Oliver Neuville, der bei der Dopingkontrolle partout nicht pinkeln kann, wenn ein Kontrolleur dabei ist.

Gerade diese Anekdoten sowie ein paar kurze Statements von Oliver Kahn und Jens Lehmann hinsichtlich ihrer Differenzen sind die Highlights des Films. Ansonsten bleiben aber unsere 23 WM-Helden ziemlich blass. Es gelingt Wortmann trotz der Nähe seiner Kamera, mit der er vor Ort war nicht, die Emotionalität und Euphorie der WM zu vermitteln. Über die Menschen hinter den Nationalspielern erfährt man auch so gut wie nichts. Doch gerade diese seltsam kühle Distanziertheit führt dazu, dass „Deutschland. Ein Sommermärchen" den Eindruck suggeriert, nicht mehr als ein pures, kalkuliertes Kommerzprodukt zu sein. Auch angesichts der dramaturgisch klug gewählten Exposition mit der Enttäuschung nach dem Italien-Spiel sowie der nahezu ständigen Musikuntermalung (zumeist Xavier Naidoo) weiß man nicht, ob Wortmann doch lieber einen „echten" Spielfilm hätte drehen sollen. Für eine Dokumentation zu oberflächlich und brav (die Chronologie der WM und ihrer Vorbereitung wird zu unreflektiert abgehakt), für einen Spielfilm krankt das mit den wackeligen Bildern einer Handkamera gefilmte Spektakel an seiner Authenzität. Das Ergebnis des Spagats ist letztendlich kurzweilig, witzig und letztendlich etwas elegisch, doch großes Kino sieht definitiv anders aus. Was bleibt ist ein faszinierender, aber moralisch teils fragwürdiger Einblick in die fußballerischen Geheimnisse und Intimsphäre.

Fazit: Kurzweilige, aber emotional zu unterkühlte Wiederbelebung des WM-Freudentaumels. „Deutschland. Ein Sommermärchen" ist ein Film für Fans, allerdings werden ihnen ihre Stars nicht nahe gebracht. Ein intimer Einblick in die Abläufe in Kabine, Hotel und das Zusammenleben der Nationalspieler und der -trainer - aber nicht in ihre Seele. Letztlich muss man Wortmanns Film das gleiche attestieren wie unseren Jungs auf dem Platz: Gut gespielt, mit einigen Schwächen, aber für den (ganz) großen Wurf hat es leider nicht gereicht.

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