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Als Regisseur und Autor Francesco Barilli mit 34 Jahren seinen zweiten und, abgesehen von späteren Arbeiten für das italienische Fernsehen, auch letzten Film "Pensione Paura" drehte, besass er schon einige Erfahrung. Als 20jähriger hatte er mit Antonio Pietrangeli bei "La parmigiana" (Das Mädchen aus Parma) als Assistent gearbeitet, bevor er ein Jahr später in Bertoluccis "Prima della Revoluzione" (Vor der Revolution) die männliche Hauptrolle spielte, die letztlich seine Einzige in einem Langfilm blieb. In den folgenden Jahren widmete er sich dem Western oder Horror-Genre als Regie-Assistent oder Autor, bevor er mit "Il profumo della signora in nero" (Das Parfüm der Frau in Schwarz) seinen ersten eigenen Film drehte.

Bei "Pensione Parma" handelt es sich, wie schon bei seinem Vorgänger, um einen mysteriösen, mit Horrorelementen versehenen Film, der auch hinsichtlich seiner erotischen Bilder und dem nicht geringen Blutzoll, über die Voraussetzungen verfügt, um unter dem Oberbegriff "Gialli" eingeordnet zu werden. Barillis Kunst liegt darin, diese populären Elemente elegant und stimmig in eine Geschichte einzubinden, die sich sehr realitätsnah aus dem Zeitgeschehen der Endphase des 2.Weltkriegs entwickelt. Trotz aller Fantasie und angenehmen Ironie, mit der hier Irrsinn, Abhängigkeit und Angst dargestellt werden, vermittelt der Film ein genaues Gefühl der Endphase des Faschismus in Italien, was seinem unterhaltenden Charakter eine erhebliche Tiefe gibt.

Im Mittelpunkt steht Rosa (Leonora Fani), ein junges Mädchen, dass ihrer Mutter beim Betreiben der Familien-Pension hilft. Sie vermisst ihren Vater, der als Soldat im Krieg kämpft, und schreibt ihm lange Briefe. Obwohl sie schon lange nichts mehr von ihm gehört hat, will sie nicht an seinen Tod glauben, und steht ihrer Mutter Marta (Lidia Bondi) kritisch gegenüber, die einen Mann (Francisco Rabal) unter dem Dach ihres Hauses vor den Faschisten versteckt, mit dem sie auch ein Verhältnis hat. Die weiteren, nicht weniger seltsamen Gäste behagen ihr ebenfalls nicht, da sie ihr zudem noch sexuell eindeutige Angebote machen.

"Pensione paura" gewinnt seinen Reiz aus dem Gegensatz zwischen der jungfräulichen und blassen Rosa (Leonora Fani war für diese jugendlichen Rollen in den 70er Jahren prädistiniert) und dem promiskuitiven Treiben in der Pension. Besonders der eitle Rodolfo (Luc Merenda), der sich von einer deutlich älteren Frau (Jole Fierro) aushalten lässt, lässt keine Gelegenheit aus, Rosa zu bedrängen, auch wenn das seine Geliebte entsprechend verärgert. Trotz dieses Treibens behält der Film in seiner ersten Hälfte den langsam dahin gleitenden Charakter einer dekadenten Sommergesellschaft, in der der Horror des Krieges nur einmal zu spüren ist, als Bomber über die Pension hinweg fliegen. Und auch wenn Barilli nicht ohne Hintergedanken regelmässig den mädchenhaften Busen Rosas ins Bild rückt, behält diese noch die Unschuld einer Dorfschönheit in einem kleinen italienischen Ort und steht damit in deutlichem Gegensatz zu den übrigen Protagonisten.

Das ändert sich rigoros, als Rosas Mutter am Fuße einer Treppe tot aufgefunden wird. Die Ursache dafür ist nebensächlich, weshalb auch keinerlei Polizei in dem Film auftaucht, aber ab diesem Moment ist die schützende Hand über dem Mädchen verschwunden. Zuerst verdeutlicht sich ihre Schutzlosigkeit darin, dass sie - anders als ihre Mutter - keine Nahrungsmittel mehr bekommt. Guido, ein junger Mann, der in sie verliebt ist, kann ihr in diesem Fall noch helfen, aber bald eskalieren die Ereignisse, als zwei Faschisten im Hotel ein Zimmer nehmen, die mit Rodolfo gemeinsame Sache machen. Die Pension wird immer mehr zum Schreckensort, aus dem es kein Entrinnen gibt...

Francesco Barilli entwirft in "Pensione paura" eine morbide, erotisch aufgeheizte Atmosphäre, die trotz gewisser Zuspitzungen zum Ende hin, nie ihren stimmigen, aus einer realen Situation heraus entwickelten Charakter verliert. Neben den Bildern ist es vor allem die von Adolfo Waitzman komponierte Musik, die dem Film von Beginn an einen treibenden, immer wieder von sehr ruhigen, fast unwirklichen Momenten unterbrochenen, Gestus gibt. Das Ende von "Pensione paura" scheint wenig realistisch, aber das ist ein Irrtum - es erhebt sich nur darüber (8/10).

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