Der Film beginnt mit vermutlichen Archivaufnahmen von verschiedenen Flüchtlingsbooten, die von Kuba nach Amerika übersetzen; untermalt von kurzen Schnipseln einer Volksansprache Fidel Castros, in der er erklärt, dass es sich um politisch verfolgte und in Kuba nicht mehr geduldete Menschen handelt. Hin und wieder erscheinen Texttafeln mit Informationen. Dann ein Schnitt auf: Tony Montana bei einem "Verhör". In seiner süffisanten und leicht ironischen Art versucht er der Einwanderungsbehörde den Grund seiner Immigration in die Vereinigten Staaten klar zu machen. Nun sind wir mittendrin in einem Gangsterepos, das den Aufstieg und Fall des Tony Montanas aufzeigt.
Kommen wir gleich zum Hauptdarsteller: Al Pacino. Er verkörpert den Tony als "leicht" aufbrausenden und absolut selbstsicheren Proleten, der sich durch seine Art schnell einen Namen macht. Pacino zieht den Zuschauer sofort in seinen Bann, binnen Sekunden ist man von seiner Darstellung fasziniert. Ein Rauhbein, ein ehrenwerter Mistkerl, der dennoch Prinzipien hat. Eine "coole Sau", die den einen oder anderen Onliner gewohnt trocken rüberbringt: "Du Froschfresse hast dir gerade selbst in die Eier getreten!"
Pacino schafft es die Gnadenlosigkeit Montanas, die man im Drogengeschäft braucht, glaubhaft rüber zu bringen, aber er zeigt dem Zuschauer auch die andere Seite Tonys, die Loyalität zu seinem besten Freund Manny, die Liebe zu seiner Schwester Gina, das Begehren und gleichzeitig das Liebesgefühl für seinen Schwarm Elvira. Tony weiß, dass sein Boss nicht lange überleben wird, er wäre zu "weich", dennoch bleibt er ihm gegenüber loyal, desto enttäuschter ist er, als er von seinem Boss übers Ohr gehauen wird. Und er schlägt hart zurück. Pacino bringt das alles mehr als überzeugend rüber. Hut ab! Für seine Kritiker ist er nur ein ständig fluchender Choleriker mit dem selben Blick, okay, jeder mag das anders sehen. Meine Meinung ist aber: Al Pacino spielt nicht nur, er ist Tony Montana (im Original mit herrlichem, fast astreinen spanischen Akzent...)!
Neben dieser "harten" und einnehmenden Präsenz Pacinos können doch nur die anderen Schauspieler verlieren oder? Die Antwort ist nein! Der Film punktet durch ein perfektes Casting! Steven Bauer als sein bester Freund und spätere rechte Hand Manny gefällt mir genauso gut. Er ist der Frauenheld, der Schönling, leicht naiv aber immer loyal in seiner Achtung und Freundschaft zu Tony. Er würde für ihn sterben. Diesen Aspekt empfinde ich als äußerst rührend. Er ist einer von zwei "positiven" Menschen im harten, gnadenlosen Leben Tonys. Der zweite ist seine Schwester Gina, gespielt von der unheimlich hübschen und süßen Mary Elizabeth Mastrantonio (die spätere Maid Marian neben Kevin Costner in "Robin Hood"). Tony kümmert sich um sie, umgarnt sie, will sie vor dem Umgang mit "Seinesgleichen" schützen. Und der Zuschauer empfindet wie Tony, er erliegt dem süßen, unschuldigen Charme Ginas und will sie gleichermaßen beschützen. Die junge Michelle Pfeiffer gibt die koksende, desillusionierte Frau Montanas zum besten, und überzeugt nicht nur mit ihrem umwerfenden Aussehen.
Die weitere Darstellerriege weiß auch zu überzeugen, überhaupt ist der Film bis in die kleinsten Rollen perfekt besetzt.
Richtig schade ist, dass er eher "berühmt berüchtigt" ist, wegen seiner quasi-Beschlagnahmung, nur auf Grund der "Kettensägenszene". Man sieht nicht viel, dennoch wird einem die Intensität dieser Szene bewusst. Man sieht Tony an, dass dieses Ereignis mit dafür sorgt, dass er später noch gnadenloser zu Werke geht.
Action wird hier nicht sonderlich viel geboten, aber wenn es Schusswechsel gibt, dann werden sie richtig hart dargestellt. Vor allem das Ende, welches in Fankreisen einen gewissen Kultstatus aufweisen kann, zeigt die Eskalation der Gewalt in vollem Maße.
Aber es sind die Zwischentöne, die den Film so interessant machen. Der Charakter Montanas, die Hürden die er überwinden muss um aufzusteigen. In diesen "Charakter-Szenen" ist die Inszenierung ziemlich leise gestaltet. Dies wird vermutlich diejenigen stören, die sich den heutigen Sehgewohnheiten angepasst haben. Aufpassen ist hier aber angesagt, sonst verpasst man was. Die Dialoge und die Zwischentöne sind es, auf die man sich konzentrieren muss. Warum reagiert Tony immer so krass, wenn ein Mann sich für seine Schwester Gina interessiert? Hegt er vielleicht inzestuöse Absichten? Oder ist er nur übervorsichtig?
Ich sträube mich auch gegen die Vorurteile, der Film glorifiziere seinen "Helden", die Gewalttätigkeit und den Drogenkonsum. Nein im Gegenteil: Er zeigt gnadenlos auf, wie tief man sinken kann, wenn man sich auf diesen "Pfad" begibt und dass man mit Gewalt eigentlich nichts auf die Dauer, geschweige denn seine Probleme lösen kann. Dankeschön Herr De Palma!
Tony steuert seinem Ende entgegen, und wir als Zuschauer können nichts weiteres machen, als nur hilflos seinem selbstzerstörerischen Wesen zuzuschauen. Das Ende ist dann auch an Dramatik, Action und tragischer Melancholie kaum zu überbieten... Das treibt einem schon die eine oder andere Träne in die Augen...
Ich könnte noch ewig weiter schreiben, bitte verzeiht mir meinen langen "Monolog", aber dieser Film gehört zu meinen absoluten Favoriten. Es ist quasi eine "Herzensangelegenheit" dieses Review zu schreiben. Ein Top-Film, den sich jeder Filmfreund unbedingt anschauen muss. Man spricht oft von einer "Bildungslücke", und genau das hat man, wenn man diesen Film noch nicht gesehen hat!