Vom Tellerwäscher zum toten Millionär – 19.12.2007
Tatsächlich ist der Film nicht so gut, wie ich es immer gedacht habe, und ich habe den sehr emotionalen Streifen schon mehrfach gesehen, nun aber mit den Augen eines Kritikers, und was soll ich sagen – manchmal geht es sehr zäh voran. Dennoch verdient der Film schon allein wegen der Abbildung des Lebensstils der frühen Achtziger einen Platz im Regal, denn wir sehen Sprayfrisuren aus den Ecken der fiesen Scheitel, sehen Farbkombinationen im Männerbekleidungsbereich, die den unbedarften Zuseher würgen lassen, sehen Hemdkragen über dem Sakko…all das ist so furchtbar, man glaubt nicht, daß man selbst so ähnlich ausgesehen hat. Aber es muß zunächst festgestellt werden, daß der Film ohne Al Pacino gar nichts wert wäre, denn nur dieser begnadete Darsteller vermag auch die Längen, die immer wieder entstehen, zu überbrücken.
Tony Montana nun wird im Rahmen von vermeintlich großzügig gelockerten Ausreisebedingungen von Castro nach Amerika abgeschoben. Durch einen Mord verschafft er sich eine Greencard, arbeitet mit seinem besten Freund Manolo in einem Schnellimbiß, verdingt sich dann in der Drogenorganisation eines lokalen Paten, steigt dort aufgrund seiner Loyalität und „Cojones“ auf, räumt den Paten aus dem Weg, übernimmt den Laden – eine feindliche Übernahme, wie sie in der Wirtschaftswelt nicht besser gemacht werden könnte –verdient das Vertrauen eines Großlieferanten von Kokain, weigert sich dann aber, einen Mord auszuführen und muß diesen Ungehorsam mit dem Leben bezahlen. Doch Montana geht nicht allein in den Tod, er nimmt zuvor noch seine Schwester und Kumpel Manolo das Leben, denn diese beiden hatten eine Liebesbeziehung, an der Montana, selbst auf krude Weise in seine Schwester verliebt, keinen Gefallen finden konnte – ebensowenig wie an seiner eigenen Frau, die ihm, selbst kokainsüchtig, keine Kinder schenken konnte.
Regisseur De Palma läßt sich sehr viel Zeit, vor allem in der zweiten Hälfte, in der Montana sein Ziel erreicht hat und sich mehr auf sein Privatleben konzentriert. Dabei stört vor allem Frau Pfeiffer, die selbst nach heutigen Maßstäben furchtbar dünn daherkommt und so gar nicht wie die Frau der Träume wirkt, zumeist blasiert dreinschaut und ein paar Sätze aufsagen darf. Sicher haben wir es insgesamt nicht mit einem Actionfilm zu tun, denn wenn man es einmal zusammennimmt, gibt es gerade mal drei bis vier Actionsequenzen, die natürlich allesamt eher kurz ausfallen. Man konzentriert sich halt die gesamte Laufzeit auf Montana und dessen Familie, und das ist leider irgendwann nicht mehr sonderlich spannend. Al Pacino indes ist großartig, und hier gilt unbedingt die Empfehlung, den Film auf gar keinen Fall in der deutschen Synchronisation zu gucken, denn diese nimmt nochmals ein gutes Stück Schauwert weg. Was bleibt, ist ein zeitloser Gangsterstreifen mit einem überragenden Hauptdarsteller, der aber insgesamt locker eine halbe Stunde zu lang ausgefallen ist - 7/10.