Ein Creature Feature, dessen Kreaturen gleich in der ersten Szene tumb auf einer Wiese stehen und die Harmlosigkeit in Natur verkörpern, sollte man eigentlich unverzüglich mit dem Attribut “funky” auszeichnen. Im Hinterwald unseres Planeten, wo es so unendlich grün ist, dass man annehmen muss, die Einheimischen wischen sich den Arsch mit Gras ab, hat man diesen Schritt tatsächlich gewagt. Die Neuseeländer betonen ausgerechnet die Phobie, die im Tierhorrorfilm generell ja gar nicht mal so unköniglich regiert. Insbesondere den Spinnen- und Insektenfilm hat das ganz groß gemacht, “Arachnophobia” als Klassenführer an der Speerspitze. Aber Tierphobien mit Tieren zu verknüpfen, die aussehen wie Wolken auf vier Beinen, das ist reichlich merkwürdig - und vielleicht endlich mal wieder die funky Einstellung, die den arg durch Plagiate und Schablonen geschundenen Horrorfilm aus seinem kreativen Loch holt.
Wenn Neuseeland mit seinen heimischen Problemen an die Öffentlichkeit geht und der Welt die negativen Seiten seiner Natur aufzeigt, muss man eigentlich fast damit rechnen, dass das Endresultat in der eigenen Heimat ganz anders aufgenommen wird als im Rest der Welt - und zwar aufgrund persönlicher Erfahrungen der Bevölkerung. Schafe werden die Menschen dort abends sicher nicht zählen; schließlich möchte man gerne einschlafen, und wer Schafe nicht nur aus dem Bilderbuch kennt, sondern aus dem Alltag, der wird wahrscheinlich eher das permanente “Määäääh!” anstatt der Flauschewolle präsent haben. Das wäre vermutlich so, als wenn Großstadtmenschen zum Einschlafen Autos zählen und dabei die Motorgeräusche hören.
Lassen wir “Christine”aber mal in Stephen Kings Garage und entwickeln etwas Empathie für den pazifischen Inselstaat. Neuseeland war mit seinen wunderschönen Steilklippen und Freilandwiesen mal ein Ort, den Aliens aufsuchten, um Menschenfleisch zu kosten. Zwanzig Jahre und einen berühmten, dicken, bärtigen Regisseur später hat sich jedoch einiges geändert im Lande. Die Probleme sind nicht mehr länger auf außerirdische Invasoren zurückzuführen, sondern wieder hausgemacht. Der Feind kommt aus dem Inneren, eine fast schon ins Globale transferierbare aktuelle Faustregel, da die Länder aller Welt trotz Globalisierung schon immer mehr mit sich selbst beschäftigt zu sein scheinen - Benzinpreisen, Gesundheits- und Ökoreformen und High School-Massakern zum Dank.
Vielleicht funktioniert der Funsplatter “Black Sheep” auch deswegen international gesehen so gut. Bei all dem unverkennbar ersichtlichen Flair des Regionalen, der schon “Bad Taste” und “Braindead” so vergnüglich gemacht hatte - wenn der CO²-Ausstoß furzender Schafe derart betonend als die Ozonschicht belastend angeprangert wird, so ist das ein ironischer Schlag gegen die hitzig geführte Umweltdebatte und ihre Fokussierung auf die Industrienationen: “Hey! Wir Neuseeländer haben zwar nicht so viel Industrie wie ihr, aber unsere Nutztiere machen auch ganz schön Dampf!”. Ein ironischer Ruf nach Beachtung, dem man wirklich folgen sollte.
Denn “Black Sheep” macht trotz eines milchbubihaften Hauptdarstellers (der leider etwas zu viel Oliver Pocher-Flair versprüht) und einer erneuten Genmutations-Ausrede ordentlich Feuer unterm Dach. Den Prolog, in dem die Schafsphobie der Hauptfigur ergründet wird, sollte man schnell abhaken und den kompletten Subplot um die Tierexperimente ausblenden, dann ist Freude am Gegenstand garantiert.
Die Tierhorror-Groteske steht zwar eindeutig in der Tradition Peter Jacksons, verläuft sich dabei aber zu keiner Zeit in reiner Zitatehuldigung, sondern steht definitiv auf eigenen Beinen. Als sicherlich größte Stärke kann der bemerkenswerte Sinn für Feinheiten herausgestellt werden. Weder ist “Black Sheep” eine überbordende Splatterkanone, noch ein Kalauerwettbewerb, noch eine Reminiszenzenparade. Regisseur Jonathan King muss man anrechnen, dass er immer genau zu wissen scheint, wie er welche Zutaten zu portionieren und wann er sie einzusetzen hat.
Diese Erkenntnis gibt er an den Rezipienten weiter, der von dem Feingespür profitiert. Im Besonderen gilt dies für den Humor, der über eine ganz eigene, persönliche Note verfügt. In den Animatronik-Spielereien der Special Effects-Schmiede Weta - hier ergeben sich die deutlichsten Parallelen zu Peter Jackson - findet die Komödie ihre drollige Basis. Knabbert ein knautschiges, halb zum Baby entwickeltes Schafsembryo am Ohr eines Hippies, so möchte man auf der Stelle an das unartige “Braindead”-Zombiebaby denken. Läuft ein Mann benebelt mit offengelegtem Rückgrat durch die Gegend, so erinnert man sich an Alienjäger Derek, der mit offener Schädeldecke noch gut seine Arbeit zu verrichten wusste.
Weitergedacht schlägt sich das auf die effizienten Dialoge aus; es wird wenig gesprochen (ein Labertaschen-Sidekick fehlt), aber wenn, führt es meist auf eine feinherbe Pointe hinaus, die man am besten mit Tee und Minztäfelchen genießen sollte - auch wenn sich rein inhaltlich das meiste um Tiergedärme, Backwood-Unsitten (auch sodomitischer Art) und kaputte Familien dreht.
Auch Gorehounds werden zwar keinen Blutzoll-Rekordversuch erleben, dafür jedoch sehr geschmackvoll eingesetzte Splattermomente, die auf einer Wiesenaudienz in einem Höhepunkt kulminieren, als eine ganze Schafsherde dahergeblökt kommt, um die “Wiese abzugrasen”. Neuheiten sind dabei nicht zu erwarten - ohnehin ist der menschliche Körper vermutlich seit Herschell Gordon Lewis schon auf jede erdenkliche Art zersetzt worden. Doch spaßig aufbereitet und teilweise auch ganz schön explizit ist es dennoch - die fehlende Jugendfreigabe kommt nicht von ungefähr.
Dass man bei den Schafsattacken neben dem für einen Splatter- und Gorefilm typisch spielerischen Ekelgefühl zudem oft noch Belustigung empfindet, weil die Angreifer so drollig ausschauen, führt den Film bisweilen auch noch ziemlich nahe an ein “Event”-Erlebnis im Sinne William Castles heran; etwas, das “Slither” beispielsweise leider ein wenig gefehlt hatte.
Das macht Pi mal Daumen einen überraschend gut gelungenen Neuseeland-Export, der zwar nun keine Revolution auslösen wird, aber erstaunlich souverän und von den eigenen Wurzeln losgelöst vorgetragen wird. Für die Effektewerkstatt Weta war das vermutlich nach dem Mammutauftrag “Der Herr der Ringe” und dem kaum weniger herausfordernden “King Kong” eine angenehme Fingerübung, für den Regisseur ein Zugangspass für die Tore, hinter denen gutes Gespür für die Situation und ein Blick für das Gesamte gefordert werden - Qualitäten, die auch Peter Jackson auszeichnen. Schade, dass auch “Black Sheep” wie so viele vor ihm (zuletzt auch der sehr gelungene Südkoreaner “The Host”) an einer spannenden Erklärung für den Horror scheitert und daraus resultierend echte Überraschungen ausbleiben. Von den Killerschafen an sich mal abgesehen.