Review
von Leimbacher-Mario
Das Kinn aus einer anderen Welt
Fracking. Gier. Mehr. Natur egal. Geld regiert. Mensch lernt nicht. Erde schlägt zurück. Schnee ist kalt. Einsamkeit macht verrückt. Ölsucht. Kein Respekt. Virusgleich. Umweltfeind. Fieber. Expedition ins Nichts. Monsterrentiere. Carpenter grüßt. Aktuell. Warnung. Wut. Unverständnis. Maßlosigkeit. Sünde. Egoismus. Kurzsichtigkeit. Erderwärmung. Eisschmelze. Dummheit. Aggressivität. Fast irgendwie außerirdisch. Nordlichter. Hypothermie. Wahnvorstellung. Vorahnungen. Krähen. Schneemänner. Whiskywärme. Eifersucht. Engstirnigkeit. Toxische Maskulinität. Untergang. Ende. Die Uhr hat geschlagen.
Dass „The Last Winter“ und seine existenziellen Themen (die in den letzten Jahren an Brisanz und Lautstärke völlig zurecht nur noch wesentlich gewonnen haben) Larry Fessenden wirklich am Herzen lagen, merkt man in jeder Pore. Wie könnten sie es jedem auch nur einigermaßen normal denkenden Menschen auch nicht sein. Unsere Erde brodelt nicht nur, sie brennt in nicht unwichtigen Teilen schon längst. Größer und überlebenswichtiger wird's nicht. Ein grundlegendes Umdenken ist unumgänglich. Bei jedem Einzelnen. Und davon können auch ein Corona und andere Krisen nicht ablenken - sie unterstreichen mit etlichen Verbindungen zu diesem Komplex das Thema nur nochmal deutlich. Aber wenn jetzt schon wieder fröhlich auf chinesischen Fleischmärkten Fledermäuse geköpft und gekocht werden, immer noch in dreckigen Betrieben quer durch Europa Genozid etwa an Schweinen betrieben wird oder sich viele von uns ihre Kleiderschränke billiger voller stopfen als man es je müsste, dann haben wir es vielleicht sogar auch einfach gar nicht anders verdient... Doch ein dermaßen weites Ausholen deutet schon an: die Themen und der Kern der Sache sind bei „The Last Winter“ leider brisanter und eindringlicher als der Film als Schocker an sich. Die Figuren bieten nur spärlich Sympathie und Identifikation, das Szenario hat man schon oft genug und auch deutlich besser gesehen, wirklich viele spannende Momente gibt’s für mich nicht. Und gerade in den letzten Minuten kracht das wackelige Gebilde dann vollkommen in sich zusammen, will über seiner Budgetliga spielen. Dennoch hält einen eine wabernde und passend zum Thema untergründig bedrohliche Gefahr bei der Stange, Isolation und Ratlosigkeit kommen gut rüber und immer wieder eingestreute Hintergrundgeräusche und collagenartige Schnipsel geben immerhin etwas die Gänsehautstimmung und Verunsicherung weiter. Die sich dann aber bei weiterer Beschäftigung mit dem Thema in der realen Welt weitaus dicker aufträgt als während der 100 Minuten dieses spärlichen Schneetreibens.
Fazit: Hauseigenes Antibiotikum. Akutes Thema, atmosphärische Umsetzung, hintenraus bricht er massiv zusammen. Eine eher gewollte als wirklich gekonnte Mischung aus „Die letzte Welle“ und „The Thing“.