Review

Wenn es nach dem sonst inzwischen sehr kompetenten katholischen Filmdienst geht ist der „deutsche Autorenfilm“ darniedergegangen. Abgesehen davon das diese Behauptung (die ich ausgerechnet in der Kurzkritik zu Werner Herzogs peinlichem Dokumentarfilm „Mein liebster Feind“ vorfinden musste) sehr fragwürdig ist scheinen die frustrierten deutschen Kritiker inzwischen zu der Erkenntnis gekommen zu sein, das nicht jeder ihrer Regie-Götter auf alle Zeit göttlich sein wird. Besondere Genugtuung bereiteten mir daher die ersten negativen Stimmen zu Volker Schlöndorffs mutmaßlichem neuen Betroffenheitssozialdrama „Strajk“. Schlöndorff, den man sicherlich mit Fug und Recht als einen der meist überschätzten deutschen Regisseure bezeichnen kann, hat in meinen Augen- abgesehen von seinem lange zurückliegenden Debüt „Der junge Törless“- kein einziges wirklich bedeutendes Werk vorgelegt. Aus diesem Grunde verärgert auch die bedingungslose Himmelei einiger Rezensenten, die sich an ihn als eines der letzten Fossile der wahrlich glorreichen 70ziger klammern. Denn so mancher deutsche Nachwuchsfilmer geht dank dieser unverhältnismäßigen Aufmerksamkeit im Labyrinth der Programmkinostarts unter. Mit dem festen Vorsatz, mir über „Strajk“ herzhaft den Mund zu zerreißen pilgerte ich ins örtliche kommunale Kino (das den Film selbstredend unmöglich auslassen konnte, auch wenn er bereits anderorts gezeigt wurde). Doch auch wenn die Geschichte eines Aufbegehrens in einer polnischen Werft aus Süßholz geschnitzt worden ist vermag sie dennoch stellenweise zu berühren und vor allem durch die intensive, charmante Performance von Katharina Thalbach Sympathien zu wecken.  

Das Schlöndorff dabei mehr als einmal in die von ihm so geliebte Kitschfalle tappt und sein im Grunde hochinteressantes Leitmotiv, die Geschichte der Kranführerin Anna Walentynowicz (hier Agnieszka), die in den 70zigern die ihre Kollegen in einer Werft im Kampf um eine freie Gewerkschaft und humane Arbeitsbedingungen führte, zugunsten zahlreicher Rührseligkeiten verkauft lässt sich dabei einigermaßen verschmerzen. Wer die historischen Fakten genauestens verinnerlicht hat dürfte sich über „Strajk“ sicherlich die Haare raufen doch wer das nicht getan hat (sprich: Der Großteil des Publikums) kann sich jedoch über 100 Minuten von einer schlicht und unkompliziert erzählten Aufsteigergeschichte der anderen politischen Art fesseln lassen. So unangenehm wie Schlöndorffs Desinteresse an eben jener politischen Brisanz seines Themas auffällt, so erfreulich ist die liebevolle Auseinandersetzung mit seiner Protagonistin Agnieszka. Katharina Thalbach spielt sie großartig als einfache Frau, die sich zu ihrer proletarischen Herkunft bekennt und kein Blatt vor den Mund nimmt. Die kleine Burschikose mit dem großen Herz. Weniger dem Drehbuch als vielmehr der Thalbach ist es zu verdanken das Agnieszka nie zum bloßen Abziehbild und verkrampft sympathischen Identifikationspol wird. Es lässt sich erahnen das die Autoren die Figur glorifizierten und sie fern jeder kritischen Ambivalenz anlegten. Doch Katharina Thalbachs flapsiges, fahriges Verhalten, ihre Anwandlungen von Selbstzweifel und ihre oft holprigen Reden lassen zumindest kleine Ausbrüche aus der Begradigung der Figur durch das Drehbuch zu und Agnieszka nicht völlig in das familientaugliche Gutmenschen-Raster entgleiten. Anders verhält sich das schon mit der Figur des Trompeters Kazimierz, der trotz eines bemühten Dominique Horwitz keinerlei Tiefe besitzt und nur ein Zahnrad im Getriebe der Erzählung ist- sein früher Tod, der Agnieszkas Glauben an das von Schlöndorff so gerne beschworene Wunder des Lebens noch weiter erschüttert ist einer der wichtigsten Eckpunkte der Handlung- und doch so beiläufig und gleichgültig in Szene gesetzt das man sich anhand der oft übertrieben schmalzigen Tränendrücker in der zweiten Filmhälfte doch fragt ob Schlöndorff sich der Bedeutung dieses Vorganges bewusst war- denn letztlich therapiert sich die resignierte Agnieszka durch den Kampf gegen die Ausbeutung der Arbeiter, ihrer „Wahlfamilie“ auch selbst- und das nicht nur wegen Kazimierz’ Tod sondern auch wegen der Ablehnung ihres Sohnes Christian, der sich enttäuscht von seiner Mutter abwendet mit der Begründung, sie würde den Kampf nur aus Selbstsüchtigkeit führen und ihn darüber vollkommen vernachlässigen. Einer der blamabelsten Momente des Films ist die „Versöhnung“ von Mutter und Sohn die sang- und klanglos mit einem solch phrasierten und banalen Gespräch innerhalb von Momenten vor sich geht. Eine jahrelang zunehmende Entfremdung kann also innerhalb von Minuten bewältigt werden. Bravo, Herr Schlöndorff! In diesen Taschentuchförderlichen Momenten lässt leider auch der sonst sehr gelungene, treibende Score des französischen Synthie-Meisters Jean-Michel Jarre (wer für solche Musik etwas übrig hat sollte unbedingt ein Ohr auf sein Album „Oxygene“ riskieren, nebenbei bemerkt) schwer zu wünsche übrig und verlangt dem Zuschauer mit luftigen Trompetentönen allerhand Geduld ab. Ebenso wie die Kameraführung von Andreas Höfer die sich nur halbherzig mit einigen Handkameragehversuchen darum bemüht, den erwartungsgemäßen Fängen der ermüdenden TV-Ästhetik (die panisch jede Totale und Schatten meidet- keine Filmförderung ohne Fernsehbeteiligung…) zu entkommen und für ein kleines Quäntchen Realismus zu sorgen. Gleiches gilt auch für die nicht immer authentische Ausstattung (Digitalkameras beim polnischen Fernsehen in den 70zigern…). 

Geschlossen hat Schlöndorff seinen Film mit einer für ihn typischen, belustigenden, weil altväterlich belehrenden Geste: 25 Jahre nach dem erfolgreichen Streik von Danzig spaziert die gealterte Agnieszka an einem Strand entlang. Aus dem Off resümiert sie, das sich vieles geändert und sie die meisten ihrer Ziele erreicht hätten. Doch neue Probleme wären entstanden und nicht Alle alten gelöst. Doch das wäre die Aufgabe der kommenden Generationen. Danke für diesen wuchtigen Wink mit dem Zaunpfahl, Herr Schlöndorff. Wir, die Jugend von heute, werden uns um angemessenes Engagement gegen soziale Missstände und Ungerechtigkeit bemühen. 

So verhänge ich über „Strajk- Die Heldin von Danzig“ das gleiche Urteil wie über den ebenfalls von mir rezensierten „The wind that shakes the barley“- als Gefühlskino ganz groß, als Sozial- / Politdrama Fingerhutklein. Schlöndorff schöpft das Potenzial seiner Vorlage nicht einmal zur Hälfte aus sondern begnügt sich damit, das pseudointellektuelle Geschmacksbürgertum mit einem bequemen und simplifizierten Blick auf eine dank der gleichgültigen, profanen (und sozialistischen) Obrigkeit marode Gesellschaftsschicht zu befriedigen. Der eigentliche Gegenstand der Geschichte bleibt dem Zuschauer damit seltsam fremd während sekundäre Details aus dem Privatleben der Protagonistin in naiver, sentimentaler Art und Weise geschildert werden und die Oberhand gewinnen. Wie die meisten anderen Filme Volker Schlöndorffs nicht mehr als passabel. Aufgrund zahlreicher großartiger Darstellerleistungen, vor allem die der unverwüstlichen Katharina Thalbach die hier um ihr Leben spielt aber recht mitreißend und in seinen zurückhaltenden, pragmatischen Momenten auch durchaus berührend.

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