"My best memory is just making it at all, and it was just... it was certainly the one movie out of any of the other movies that I've made, where I just did not give a rat's ass what anybody thought about what I was doing, I was just doing it for me, and that's it, that was my sole motivation."
J.R. Bookwalter in Paying for Your Past Sins: The Ozone Story (2003)
Mit seinem vielversprechenden Debütfilm The Dead Next Door (1989) ging der am 16. August 1966 in Akron, Ohio, geborene J.R. Bookwalter auf Nummer Sicher. Diese auf Super-8-Film gedrehte, stark vom Spirit der beliebten Dead-Reihe von George A. Romero geprägte Low-Budget-Zombie-Sause ist flott, blutig, unterhaltsam, bissig und sehr kurzweilig. Das kam gut an, zumal der Markt damals noch nicht annähernd so mit wandelnden Leichen überschwemmt war wie er es heutzutage ist. Nach dem recht gelungenen Folgewerk Robot Ninja (1989) beging Bookwalter dann, wie er selbst zugibt, einen großen Fehler. Anstatt weiter die Filme zu drehen, die ihm am Herzen lagen, ließ er sich von der Gesellschaft Cinema Home Video als Auftragsfilmer anheuern und kurbelte (nebst diversen Produktionstätigkeiten) für wenig Geld auf die Schnelle Zombie Cop (1991), Kingdom of the Vampire (1991), Maximum Impact (1992), Humanoids from Atlantis (1992) und Galaxy of the Dinosaurs (1992) für das lukrative Videothekengeschäft runter. Als nächstes standen ein Blaxploitation-Flick und ein Western auf dem Programm, die er Back-to-Back drehen sollte, und da zog er schließlich desillusioniert die Reißleine. Stattdessen kehrte er nach Ohio zurück, nahm sich vor, ein "gutes", unterhaltsames No-Budget-Movie auf die Beine zu stellen und somit sich selbst (aber bestimmt auch allen anderen, die ihn bereits abgeschrieben hatten) zu beweisen, daß er es immer noch drauf hat. Das zusammen mit David A. Wagner geschriebene Ergebnis heißt Ozone.
Ein Junkie (Jason Andrew Norton) holt sich bei seinem Dealer Sam DeBartolo (James L. Edwards) neuen Stoff, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. DeBartolo überreicht ihm die mit dem Wort Ozone beschriftete Ampulle mit einem schmierigen Grinsen und den Worten "This stuff will blow your mind". Er hat nicht zu viel versprochen, wie der Süchtige bald darauf feststellen wird. In seiner heruntergekommenen Bleibe pflanzt er sich in freudiger Erwartung auf die alte Couch, tröpfelt den neuen Stoff auf einen dreckigen Löffel, erhitzt das pechschwarze Zeug, füllt damit eine Spritze und injiziert es sich schließlich in seinen Arm. Die Wirkung läßt nicht lange auf sich warten. Der Mann beginnt unkontrolliert zu zittern, sein Körper verkrampft sich, die Haut wirft Blasen, Blutgefäße platzen auf, und letztendlich zerfetzt es ihm im wahrsten Sinne des Wortes den Schädel. Die beiden Polizisten Eddie Boone (James Black, Detention) und Mike Weitz (Tom Hoover) haben DeBartolo bereits im Visier, doch der Zugriff auf seinen Handlanger Richter (Bill Morrison) gerät zum Fiasko. Nicht nur gelingt es Richter, sich aus dem Staub zu machen, er schafft es vorher auch noch, Boone eine Dosis Ozone in den Körper zu jagen. Außerdem wird Weitz beim Durchsuchen eines leerstehenden Wohnblocks von zombiehaften Junkies überwältig, schwer verletzt und verschleppt. Die Suche nach seinem verschwundenen Partner wird für Boone zu einer alptraumhaften Odyssee, die kein Ende zu nehmen scheint.
Welche filmbezogenen Sünden J.R. Bookwalter auch immer begangen haben mag, mit Ozone seien ihm alle verziehen. Ozone ist nicht nur mein absoluter Lieblingsfilm aus Bookwalters Oeuvre, er ist auch eines meiner liebsten Guilty Pleasures aus den 1990er-Jahren. Man merkt, daß Bookwalter hier kräftig auf den Putz haute, ohne Rücksicht auf Verluste und ohne irgendwelche Kompromisse einzugehen. Ozone ist rohes, ambitioniertes, krudes, wildes, leidenschaftliches, pures Anti-Mainstream-Kino, vor dem man nur anerkennend den Hut ziehen kann. Was Bookwalter & Co hier für sage und schreibe 3.500 US$ (in Worten: dreitausendfünfhundert amerikanische Dollar) auf Videofilm gebannt haben, ist einfach nur geil und für No-Budget-Verhältnisse phänomenal gut gemacht. Die Kameraarbeit inklusive diverser Dolly-Kamerafahrten ist beeindruckend, der Schnitt ist gekonnt gesetzt, und Jens C. Möllers Soundtrack ist ebenfalls fantastisch. Der von Matthew Jason Walsh (Bloodletting) komponierte, saustarke Schlußsong Into the Black steht dem aber in Nichts nach. In den Bereichen Schauspiel, Actionchoreographie und Spezialeffekte muß man natürlich Abstriche in Kauf nehmen, obwohl sich das Ergebnis absolut sehen lassen kann. Mit seinen fünfundsiebzig Minuten (ohne Abspann) hat Ozone auch exakt die richtige Länge, um seine schräge Geschichte ohne Durchhänger über die Runden zu bringen. Und was für eine weirde, durchgeknallte Pulp-Horror-Story das ist! Gespickt mit zahlreichen Hommagen an populäre Horrorklassiker begleiten wir unseren schwarzen Helden durch ein alptraumhaftes Szenario, daß immer bizarrere und bedrohlichere Formen annimmt.
Sieht man mal von Eddie Boones gräßlichen Träumen bzw. Halluzinationen ab (in einer tollen Sequenz macht er z. B. den Schmelzmann!), so muß er sich ständig mit DeBartolos Anhängern herumschlagen, die einfach nicht tot bleiben wollen. Er landet in einer Arena im Untergrund, wo er einen Kampf auf Leben und Tod bestreiten muß, wohnt der Geburt eines schleimigen Mutantenbabys bei, und steht schließlich dem so fetten wie häßlichen und abartigen "Drug Lord" Auge in Auge gegenüber, der - auf einem Stuhl thronend - im Hintergrund die Fäden zieht. Als "gut" würde ich diesen spottbilligen Body-Horror-Schocker zwar nicht bezeichnen, dafür hat der Streifen zu viele Defizite in den Bereichen Drehbuch, Dramaturgie und Figurenzeichnung, aber er bietet genug irre Ideen, blutige und/oder schleimige Effekte und einen sperrigen Underground-Charme, um den abenteuerlustigen B-Movie-Aficionado nachhaltig zu verzücken. Im Gegensatz zu den katastrophal getricksten Explosionen aus dem Computer sollten die drolligen Morphingsequenzen das Fanherz höher schlagen lassen. Daß manche Hommagen über das Ziel hinausschießen (die "Cenobites") und es manchmal arg trashig zugeht (man achte auf den Parkplatz, wo beinahe eine Hektik herrscht wie in einer Großstadt zur Rush Hour), tut dem Riesenspaß, den der Film bereitet, keinen Abbruch. J.R. Bookwalter ist mit Ozone ein herzhaft-geiles Stück Indie-Horrorkino gelungen, welches mit Engagement, Kreativität, Können und seiner rauhen Fuck-You-Attitüde seine Mikrobudget-Grenzen sowas von sprengt. Wie meinte DeBartolo so schön treffend? This stuff will blow your mind. Oh, ja, das tut es.