"Why do you wear a mask when you perform ?"
"It transports an actor to the highest state of his art. Without a mask happiness, anger, sorrow and joy are simply written on his face. But with a mask a great artist can convey to the audience the most complex and hidden emotions."
Feng Xiaogangs The Banquet scheint diese Aussage als Hauptmotiv zu nehmen und sein Baryzentrum dahingehend zu verlagern, diesem Kern Nachdruck zu verleihen. Dafür benutzt er nicht wie häufig kolportiert ein wuxia - Universum, sondern die geschichtlichen Dramen Shakespeares als Einweisung für seine eigene kleine Geschichte um Mord und Totschlag, hervorgerufen durch das Streben um Macht und Liebe. Tödlicher als das stärkste Gift ist das menschliche Herz.
Dabei spürt man die Leidenschaft hinter den Taten, den Untaten, nicht. Banquet ist ein kalter Film, der sich darauf konzentriert, die richtige Balance zwischen abgefilmtem Theater und einem notgedrungen kommerziell - monumentalen Epos zu suchen und die beabsichtigten Anklänge an den grossen Dichter auch respektierlich für das heutige Publikum zu übertragen. Allerdings in der Quarto - Ausgabe. Man macht es Vielen recht, aber kann nicht verhindern, unentschlossen und gleichzeitig programmiert zu wirken. Über lange Zeit sieht alles zu gut aus; man ist sich offensichtlich seiner Möglichkeiten ebenso bewusst wie man auch exakt darauf abzielt, als grosses Kino mit ganz viel Anspruch hervorzugehen. Nichts wirkt auch nur im Ansatz improvisiert, sondern als Gegenteil einer off - off Aufführung nach ausführlicher Planung auf den wirkungsvollsten Effekt hin inszeniert. Banquet ist so formvollendet, dass er unheimlich schwerfällig wird. Die Aussage dahinter ist so intensiv und gleichzeitig simpel, dass man analog dazu vielleicht sogar wirklich zwischen diesen Extremen von massig Kargheit auf der einen Seite und wenig Pompösität auf der anderen pendeln muss.
907 AD.
Die einst mächtige Tang - Dynastie ist in den Ruin getrieben; das ehemals gewaltige Reich zerfallen und zersplittert.
Emperor Li [ Ge You ] ist nach dem Tod seines Bruder mittlerweile an der Spitze des Landes, und hat auch dessen Frau Empress Wan [ Zhang Ziyi ] gleich mit übernommen. Wan entsendet Botschafter zu ihrem vor drei Jahren in die Einöde gegangenen Stiefsohn Wu Luan [ Daniel Wu ], um ihn vor Attentätern zu warnen. Dieser kehrt an den Hof zurück und bekommt schnell mit, dass der Tod seines Vaters ein abgekartetes Spiel war und dies immer noch im Gange ist.
Die Geschichte als Abriss bewährter Tragödien; Ränkeschmieden zwischen den Figuren in politisch höchster Dimension, nur noch übertroffen von der Gewichtung persönlicher Ziele. Vorsatz und Endzweck motiviert von der Suche individueller menschlicher Gefühle, zu denen auch die negativen wie Hass, Angst, Egoismus, Eifersucht und Schmerz dazugehören. Die Einrichtung verhält sich pechschwarz; der Palast als dunkle "Mausefalle", unwesentlich von flackerndem Feuer erleuchtet. Die Räume gross, hoch und leer; das wenige an Ausstattung verschwindet im ständigen Schemen.
Der Grundton der Stimmung ist ein niedergeschlagener. Niemand ist seiner Absicht wirklich nahe, sondern selbst beim Erreichen des erstrebten Status soweit davon entfernt wie eh und je.
Wu Luan ist in die jüngere Wan verliebt, aber sein Vater kam ihm zuvor. Die Frau wurde seine Stiefmutter; wie als Hohn gehört sie jetzt seinem Onkel und wird quasi in der älteren Generation der Familie verbreitet.
Emperor Li sitzt nun zwar an der Spitze des Thrones, aber das Reich ist ebenso zerrüttet wie die Beziehung zu Wan eine abgestumpft unempfindliche ist. Beide arrangieren sich miteinander.
Genauso wie auch Wans Untergebene Qing Nu [ Zhou Xun ] zwar mit Wu Luan verbandelt ist, aber auch mehr auf dem Papier und mit dem Wissen, dass dessen Gedanken ganz woanders sind. Ihr Bruder Yin Sun [ Huang Xiaoming ] und ihr Vater, Minister Yin [ Ma Jingwu ] können nur tatenlos zusehen.
Unerregbarkeit, Beherrschtheit und Eindruckslosigkeit verbreitet sich in längeren Dialogszenen, die angesichts der festgefahrenen Situation darauf achtgeben, dass das nächste falsche Wort auch schon das letzte im Sermon sein kann. Man erklärt weniger, sondern verheimlicht und verweigert, spricht in Metaphern durch die Blume und gibt dadurch Hinweise auf das wahre Denken. Meistens aber trägt man seine Maske. Wu Luan braucht dafür ein Requisit, aber die Anderen lebten die letzten drei Jahre am Hof und haben sich den Umständen derartig angepasst, dass sie ihr Gesicht in nicht - menschlicher Intelligenz selber vom Sein zum Schein ummoduliert haben. Sie spielen ihr Leben, während Wu Luan dieses Theater metradramatisch durch wahres Theater ergänzt. Er hat seine Erlösung während dem Verschwinden ins Niemandsland der Kunst und dem Tanz gewidmet und sich mit anderen Gleichmaskierten in einem abgeschieden freiliegenden Odeon mittem im Wald an Pantomime, Schwertkampf und anderen Darbietungen talentiert. In einem Testdrama während der Krönung des neues Kaiserpaares führt er die Hamlet - Logik auf: Der verstorbene König wird durch das von seinem Bruder ins Ohr gegossene Gift ermordet.
Neben dem passiven Drama einer Familiengeschichte eingeengt von isolierten Motiven gibt es auch noch die Martial Arts Gesprenkel. Das Oszillieren zwischen fixiert betäubtem Seelenleben und der reinen vorwärts treibenden Handlung bringt dem Film seine formelle Unterschiedlichkeit ein; in den doch sehr raren Actionszenen werden die Geschwindigkeiten zwar auch verzögert, aber die dortige Dynamik ist gleichfalls weit höher. Die Choreographen Yuen Woo Ping und Wang Yuanyuan vollziehen gemeinsam mit camera operator Raymond Lam und dem Score von Tan Dun eine Verknüpfung von Spektularität, Performance und Oper; der Beanspruchung von Raum und der Bewegung im Raum gilt die gesamte Aufmerksamkeit. Man erscheint im selben Moment kriegerisch und leichtfüssig, traumhaft und tödlich, märchenhaft und erdverbunden. Ein Angriff schwer bepackter Assassin auf den Hort des menschenscheu zurückgezogen Friedens als eindrucksvoll expressives KampfBallett, dass das gesprochene Wort leicht in den Hintergrund drücken kann. Doch das sind nur kurze Perioden von Aktivität.
Wie im Original sind Zaudern, lange Untätigkeit und Melancholie die Hauptmerkmale auch des Filmes. Zwar ist jede einzelne Einstellung auf das Ganze bezogen, aber die Rhetorik ist oftmals künstlich und nicht flexibel genug eingesetzt. Retardierender Rhythmus und verschlungener Aufbau können nicht darüber hinwegtäuschen, dass man sich vor allem auch das Ende, das Banquet selber, eher einfach macht und vorher eine Überwältigungstaktik abzieht, die sich durch sein plural majestatis selber die Luft zum Atmen nimmt. Ein kapitaler Film zum Protzen. Ein obligates Vademecum fürs fulminante Imponieren. Die Notwendigkeit des Täuschens gelingt, die Notwendigkeit des Handelns bleibt man schuldig.