Ein frustrierter Ex-Cop gründet eine Nachbarschaftswache, um gegen einen Pädophilen (Jackie Earle Haley) vorzugehen, der nach der Haftentlassung in ihre Gegend gezogen ist; eine erfolgreiche Dokumentarfilmerin (Jennifer Connelly) fühlt sich von ihrem Mann Brad (Patrick Wilson) vernachlässigt - und Brad beginnt eine leidenschaftliche Affäre mit der von Leben und Ehemann enttäuschten Sarah (Kate Winslet).
Dieser mit all seinen Nebenfiguren und Handlungssträngen noch deutlich komplexere Streifzug durch die typische US-Vorstadt-Siedlung ist einer der vielschichtigsten und kunstvollsten Filme seines Jahrgangs und deckt so rigoros und dabei doch menschlich wie nur wenige andere Genre-Vertreter die psychischen Mechanismen und Zwangsvorstellungen auf, die diese scheinbare Idylle unter der glatt polierten Oberfläche steuern.
Und das mit einer Zielgerichtetheit, die staunen macht: Nach kaum 15 Minuten Laufzeit klaffen die ersten Risse in der heilen Welt, in der sich Hausfrauen-Mütter tagsüber auf dem Spielplatz die Mäuler zerreißen und einem attraktiven Fremden mit Kind hinterher schmachten, ohne ihn je anzusprechen. Mit jeder neu eingeführten Figur stürzt die Fassade ein Stück weiter ein: Da ist der Ehemann, der sich heimlich Pornos ansieht und dabei einen Damenslip über dem Gesicht trägt; die Ehefrau, die ihren arbeitslosen Mann herablassend behandelt (obwohl sie ihn emotional braucht und selbst unter der Fuchtel ihrer Mutter steht); unglückliche Ehepartner, die vorrangig aus Rücksicht auf gesellschaftliche Standards und wegen des Drucks, der von der Umgebung auf sie ausgeübt wird, an ihren versandeten Lebensläufen festhalten; und nicht zuletzt der entlassene Pädophile Ronnie, der sich zärtlich um seine Mutter kümmert und an seinen schrecklichen Trieben ebenso leidet wie an dem Psycho-Terror, der ihm aus der Nachbarschaft entgegen schlägt.
All diese kunstvoll verwobenen Handlungslinien werden getragen von superben, meistenteils elegant entwickelten Dialogen und der durchweg famosen, absolut überzeugenden Darstellerriege. Die Affäre zwischen Brad und Sarah steht dabei dramaturgisch im Mittelpunkt und so bekommen Winslet und Wilson natürlich die meiste Gelegenheit, ihr natürliches Spiel bis in Details auszubauen. Aber selbst die kleinsten Nebenrollen sind stark verkörpert und vielschichtig angelegt - etwa die psychisch labile Frau, die sich auf ein Date mit Ronnie einlässt, oder dessen Mutter, die an den Problemen ihres Sohnes verzweifelt und dennoch eisern zu ihm hält.
Mit dieser furiosen Figurencharakterisierung entwickelt "Little Children" mit der Zeit eine emotionale Sogwirkung, die durchgehend mitreißt - viele Szenen sind von so großer emotionaler Wucht, dass es einem schier das Herz zerreißen mag. Selten wurden Charaktere dabei so vielschichtig, so widersprüchlich und dabei so zutiefst menschlich porträtiert - die einfühlsame Darstellung dieser Schicksale gehört mit ihrem tiefen Verständnis für psychische Wechselwirkungen zum humanistischsten, was in den letzten Jahren aus Hollywood kam. Regisseur und Drehbuch-Co-Autor Todd Field prägt seine Romanverfilmung mit tiefem Mitgefühl und Einfühlungsvermögen.
Gewürzt werden diese schweren Geschichten immer wieder von sehr freizügigen und erotischen Sexszenen zwischen Winslet und Wilson und punktuell hervorbrechendem, tief bitterem Humor - man denke an die absurde Massenpanik à la "Der weiße Hai", als Ronnie im Freibad auf Tauchgang geht, oder den Lesezirkel älterer Damen, die über einer Besprechung von "Madame Bovary" unverhofft auf Analverkehr zu sprechen kommen.
Mit dieser vielseitigen, intensiv gespielten und elegant-zurückhaltend inszenierten Geschichte über Lebenslügen, gesellschaftliche Konventionen und zerbrochene Lebensträume - die von einer grandiosen, ruhigen Kamera eingefangen wird - ist "Little Children" ein Meisterwerk des humanistischen, psychologisch tiefgründigen Erzählens. Menschen in all ihrer Widersprüchlichkeit, Kompliziertheit und Liebenswürdigkeit wurden selten so wunderbar in einem Hollywood-Film porträtiert.