Zodiac (2007, David Fincher)
Er war der Jack the Ripper des Zwanzigsten Jahrhundert, der selbsternannte Zodiac, der Ende der 1060er und zu Beginn der 1970er in Kalifornien wahllos Menschen tötete, dabei eine selbst aufgegleiste Medienkampagne, jahrelange, sich im Kreis drehende Ermittlungen, viele Indizien aber kaum Beweise und diverse Trittbrettfahrer nach sich zog, selber aber nie gefasst wurde. Wenn sich David Fincher, der nicht zu Unrecht manchmal als Alfred Hitchcock einer neuen Generation bezeichnet wird, dieses Stoffes annimmt, passt das wie die Faust aufs Auge. Und Fincher hat es sogar geschafft, meine Erwartungen zu übertreffen.
Zodiac ist keine reisserische Metzelschau, keine Symphonie aus nihilistischer Horror-Ästhetik wie Se7en und erst recht keine zynische Demontage gesellschaftlicher Illusionen wie Fight Club. Vielmehr handelt es sich um ein biographisches Doku-Drama, welches innerhalb von Finchers Oeuvre am ehesten mit The Social Network verglichen werden kann. Ähnlich wie bei diesem ist die Struktur bei Zodiac mit am Interessantesten. Es ist ein ungewohnter, beinahe widersinniger Rhythmus, den Fincher an den Tag legt, wenn er immer wieder Zeitsprünge einbaut, die mal dicht gebündelt, mal vereinzelt eingestreut sind, die mal wenige Tage, mal mehrere Jahre überbrücken, zwischen denen er aber mit bravouröser Recherche und akribischer Präzision die polizeilichen Ermittlungen und die mediale Berichterstattung im Umfeld der Zodiac-Morde schildert. Dabei darf man es auch ruhig glauben, wenn im Vorspann der berühmte Verweis erscheint, dass folgende Geschichte auf realen Begebenheiten basiert. Aber Zodiac ist nicht nur eine Chronik der vorbeiziehenden Dekaden, er ist in erster Linie ein Psychogramm der Ermittler. Durch eine leichte Verlagerung des perspektivischen Schwerpunktes teilt Fincher jedem Drittel einen eigenen Protagonisten zu, die miteinander interagieren und die Quasi-Verantwortung für den Fall aneinander weitergeben. Da gibt es Avery (Downey jr.), ein ruhmsüchtiger Starreporter der zuletzt selber auf der Liste des Killers landet und durch Egoismus, Angst und Alkoholprobleme aus dem Rennen gedrängt wird. Dann Toschi (Ruffalo), der immer wieder versucht den Informationsaustausch zwischen den verschiedenen ermittelnden Behörden anzuregen, um ein Resultat zu finden, nach Jahren vergeblicher Suche aber kapituliert. Und zuletzt Graysmith (Gyllenhaal), ein fanatischer Sachbuchautor, der viele Jahre nach der Mordserie mit inoffizieller Unterstützung der frustrierten Polizisten nach einer Lösung des angestaubten Rätsels sucht und der Auflösung dabei näher kommt als jeder andere vor ihm.
Es ist frustrierend, aber auch hoch unterhaltsam, wie Fincher geschichtlich korrekt bleibt und dabei eine konkrete finale Auflösung des Falls bis zum Ende verweigert. Er präsentiert ominöse Verdächtige, von denen man einige nie zu Gesicht bekommt, streut Hinweise und Indizien, aus denen sich aber keine Beweislage erschliesst. Besonders deutlich wird dies im Gyllenhaal-Kapitel, in dem der Autor Graysmith immer wieder verschiedene Hinweise verblüffend miteinander verknüpft, nur damit danach jede Hoffnung auf die naheliegende Lösung an einem entscheidenden Widerspruch zerbricht. Davon profitiert der Film, wie auch von der verwinkelten Erzählstruktur, den drei Hauptdarstellern und nicht zuletzt von den in braunen Tönen gehaltenen, schlichten Bildern, die die jahrzehntelange Handlung und all gesellschaftlichen Hintergründe einfangen und dabei nicht wie bei Fincher üblich pessimistisch und düster wirken, sondern einfach nur nüchtern und sachlich.
Fazit: Zodiac ist ein unkonventionell erzähltes Konglomerat aus Biographie und Doku-Drama, im Gewand eines Medien- und Polizeifilms und mit Elementen des Thrillers angereichert. Durch aufwändige Recherchen der Ermittlungen, Finchers feinsinniges Gespür für Spannung und die drei bravourös aufspielenden Protagonisten ist Zodiac ein Film, der eine Mordserie, die von ihr nachgezogenen Ermittlungen und Berichterstattungen und die beruflichen sowie privaten Veränderungen der Involvierten Ermittler in eine aufwändige, spannende Chronik verpackt, ein waschechter Fincher - aber zugleich auch ein Unikat.
Wertung: 8,5 / 10