Finchers "Sieben" und Finchers "Zodiac" - in beiden Filmen geht der Killer um!
Und doch sind sie grundverschieden. Das ist wichtig, denn wenn man Finchers Filme immer nur an "Sieben" misst, verkennt man sein neuestes Werk wahrscheinlich.
Während "Sieben" ein höchst poetisch-künstlerischer Thriller ist, der seine unglaublich dichte und gruselige Atmosphäre aus der psychologisch packenden Figurenkonstellation und seiner grandiosen Ästhetik (Licht/Schatten, Kameraarbeit etc.) zieht, kommt "Zodiac" wesentlich nüchterner und sachlicher daher. Und das ist erstaunlicherweise KEIN Nachteil! "Zodiac" ist extrem atmosphärisch und auch extrem dynamisch, nur eben auf eine andere Art und Weise!
Denn die natürlich soliden und teilweise auch bemerkenswerten Bilder oder Kameraeinstellungen, die "Zodiac" ganz zart einsetzt, sind keinesfalls das Mittel, was diesen Film so enorm spannend und dicht macht - sie sind schön anzusehen, aber nicht die "Essenz" des Films! Ebensowenig Gyllenhaal, Downey Jr. oder Ruffalo - sie spielen ordentlich und glaubwürdig, doch im Gegensatz zum genialen Spiel zwischen Brad Bitt und Kevin Spacey in "Sieben" stehen in "Zodiac" auch die Charaktäre und ihre psychologischen Verwebungen NICHT im Vordergrund.
Und trotzdem ist "Zodiac" sauspannend - und das auf eine sehr dokumentarische Art und Weise! Es ist einfach absolut mitreißend und teilweise auch atemberaubend, die Ermittlungen von Polizei und Zeitungsredaktion, die Untersuchung der vielen Indizien, Beweise, Fährten, die Entschlüsselung der Briefe, die Zeitungsberichte, die verschiedenen Schauplätze, die Verhöre - kurz: die Re-Konstruktion der Mordfälle und das Puzzlespiel der Tätersuche zu verfolgen! Mit seinem komplexen Spiel zwischen Hints, Clous und falschen Fährten entwickelt "Zodiac" eine enorme Dynamik, die über 2,5 Stunden funktioniert und niemals zu verworren, zu dialoglastig oder etwa langweilig wird. Im Prinzip passiert ja nicht viel, man beobachtet die Arbeit der Ermittler/Zeitungsleute und ab und zu passiert ein Mord oder es kommt ein Brief an - doch das Mitverfolgen dieses Puzzlespiels ist - wie gesagt - mitreißend genug!
Diese unglaublich akribische und liebevolle Aufarbeitung eines realen Falls, der sich alles in allem ja über 25 Jahre erstreckt, kennt man normalerweise nur aus dokumentarischen Kriminal-Büchern... Doch dass auch eine Filmadaption eines solchen Buches funktionieren kann, zeigt Fincher mehr als gekonnt...! Ich möchte gar nicht wissen, wie lange er und sein Team damit zugebracht haben, den Fall selbst so zu rekonstruieren, dass er in Filmlänge erneut erzählt werden kann - diese Arbeit verdient Respekt!
Auch das narrative Problem, was die Nacherzählung dieses realen Falls gezwungenermaßen mit sich bringt (ohne zu spoilern kann mal wohl verraten, dass der reale Zodiac-Fall niemals aufgeklärt wurde!), löst Fincher exzellent: obwohl man weiß, dass der Killer am Ende weder gefasst noch überhaupt genannt wird, bewegt sich der Spannungsbogen auf eine Art Finale zu, lässt dieses dann aber gekonnt verpuffen! Über seine ganze Länge hinweg spielt der Film mit der Aufstellung von Einzeltheorien und deren beweisgestützter Dekonstruktion - und genau so funktioniert der Film auch als ganzer: es wird auf eine These hingearbeitet, die dann "natürlich" widerlegt wird und doch wird der Zuschauer auf eine Fährte geführt, die "natürlich" wiederum nicht sicher ist! Man bleibt im Gewirr von Indizien, Theorien und "Waren-sie-vielleicht-doch-so-nah-dran?" im Kinosaal sitzen, immer wissend, dass hier ein realer Fall dokumentiert wurde... gutes Ende!
Ganz interessant finde ich noch die raren, aber wirksamen Gruseleffekte, etwa in einigen Mordszenen oder am Ende in einer ziemlich grandiosen Keller-Szene und darüber hinaus die 60s/70s-Musik, die sehr stimmungsvoll die Zeitsprünge (der Film erstreckt sich ja von 1969 bis 1991) überbrückt und "Zodiac" atmosphärisch an Spike Lees coolen "Summer of Sam" erinnern lässt. Diese EInschübe sorgen dann doch für eine ästhetische Veredelung der sehr sachlichen Dokumentation der Indiziensuche. Ebenso wie ein paar coole visuelle Effekte und ein paar ziemlich geniale Einstellungen, etwa am Taxi-Mord-Tatort.
Da ich äußerst selten eine 9 gebe und fast nie eine 10, sind 8 Punkte schon eine ziemlich gute Bewertung, und die hat "Zodiac" auch verdient... 8,5 wäre angemessen, gibt's aber nicht!