Huch! Da ist ja noch mal eine richtige Perle!
Vor einigen Jahren konnten Perlentaucher in asiatischen Gewässern noch jede Menge wertvolle Schätze bergen. Heute ist der asiatische Film ja fast schon im Mainstream des westlichen Marktes angekommen und aufgrund der gestiegenen Nachfrage war nicht mehr unbedingt alles Kaliber Deluxe, was zu uns importiert wurde. Aber ein bisschen zu wühlen lohnt immer noch. Das beweist wenigstens “Silent Killer”, dessen (deutscher) Titel und Inhaltsangabe auf eines dieser abgenutzten “harte Schale, weicher Kern”-Flicks schließen lässt, die einem Auftragsmörder hinter die Fassade schauen. Seitdem John Woo “The Killer” drehte, stapeln sich die Plagiate in Fernost wie in den USA die “Stirb Langsam”-Ableger. Aber der hier ist noch mal richtig frisch.
Zwar hat ein gewisser Park Cheol-Hee offenbar penibel Park Chan-wooks populäre Rache-Trilogie um “Mr.” und “Lady Vengeance” und “Oldboy” studiert und sich gerade gegen Ende seiner Arbeit stark von selbiger inspirieren lassen (in Sachen Musikauswahl, in Sachen Bildkomposita), an dem erquickenden Gesamteindruck ändert dies jedoch nichts.
Besonders der komödiantische Aspekt um den stummen Killer, dessen Gedanken man nur per Off-Kommentar zu hören bekommt, erstaunt in einem unschätzbaren Ausmaß - in Sachen Comedy bewiesen sich die Asiaten ja bislang eher als Grobmotoriker. Aber das hier ist - ich traue mich kaum es zu sagen - subtile, subversive Situationskomik. Es mag auch an der äußerst gelungenen Stimmgebung des Hauptdarstellers liegen - man konnte immerhin Philipp Moog gewinnen, der unter anderem Guy Pearce schon öfters seine Stimme lieh. Und der Charme des Off-Kommentars entspricht tatsächlich demjenigen aus “Memento”. Rekapitulierendes Gemurmel in den eigenen Bart, diesmal noch untersetzt mit einer herrlich-zynischen Beobachtungsgabe.
Man ist also mitten im Kopf des von Shin Ha-Kyun gespielten Killers und seine Umgebung nimmt man marionettenhaft wahr, wie ferngesteuerte Figuren, deren teilweise absurde Handlungsweisen den Verstand des schüchternen Mannes immer wieder überfordern. Er nennt die Frau, die sich frecherweise einfach so bei ihm eingenistet hat, dann auch mal gerne “Miststück” - während er einen harmlos-braven Gesichtsausdruck zur Schau trägt.
In erster Linie arbeitet der Regisseur aber die emotionale Distanziertheit des Stummen nicht nur von seiner Umwelt, sondern auch von seiner ganzen Arbeit heraus. Der Kommentator, der im Laufe der Zeit des Zuschauers bester Freund wird, überlegt sich ganz genau, wo er was zu sagen hat und wo nicht. Die Dialoge sind voller Beobachtungsgabe für das Leben und erreichen drehbuchtechnische Brillanz, wenn sie in bodenständige Poesie ausarten und er etwa den Tod als die einzige Gerechtigkeit am Leben klassifiziert, weil er schließlich für jeden komme, oder wenn er die Idee des Gedichtes als “Lüge” entlarvt, weil nichts es wert sei, ein Gedicht dafür zu schreiben (ohne jedoch zu realisieren, dass er damit die Idee des Gedichtes glorifiziert und somit doch wieder einen Gegenstand erschafft, der es wert wäre, ein Gedicht darüber zu verfassen - nämlich das Gedicht selbst).
Man wird dann Zeuge davon, wie der Mann zum Killer ausgebildet wurde und wie er seinem ersten Opfer noch mit großen Problemen ein Messer in die Brust rammt. Nebenbei wird eine Charakterisierung seines vom Tanz besessenen Partners angeschnitten, ebenso die Tatsache, dass er plötzlich einen Sohn zu Hause sitzen hat und die Frau, die sich für eine Nacht der Obhut mit Sex bedankte, am nächsten Morgen mit den Worten “Ich komme nie wieder” verschwand und dann plötzlich doch wieder vor der Tür stand.
In die Lethargie der Beobachtung des Alltags werden immer wieder abrupt Mordaufträge eingeschnitten, die stets nach einem ähnlichen Muster ablaufen. Die bösen Menschen bekommen eine Messerspitze verabreicht, es sei denn, sie haben unschuldige Augen. Ein Spiel mit dem Bewusstsein des Protagonisten von Recht und Unrecht, eine naive Auffassung davon, wer was verdient hat. Der Mann wird als labile Persönlichkeit gezeichnet, die ihren Job zwar stets hundertprozentig zuverlässig ausfüllt (wenn auch oft sehr eigenwillig, zum Beispiel das Opfer umklammernd wie ein Affe), sich in ihrem isolierten Gedankenmonolog aber Folgeschlüsse zurechtbiegt, die irrational sind. Die fehlende Fähigkeit zu sprechen symbolisiert hier einen fehlenden Kanal nach außen. Deswegen wirkt seine Umgebung auch so karikaturistisch - es fehlt sein Feedback, auf das die Umwelt wiederum reagieren kann.
Park Cheol-Hee spannt ein weites Feld und das Zusammenspiel der Ebenen gelingt ihm. “Silent Killer” ist harmonisch und ausgewogen und er wird eigenwillig, aber sympathisch und durchaus ökonomisch erzählt - Füllszenen gibt es keine. Vereinzelte Ideen werden mir in letzter Zeit zu sehr ausgewalzt (die Rückblende in die Kindheit, wo der Junge ein Mädchen trifft und im Erwachsenenalter treffen sich die Beiden unter außergewöhnlichen Umständen wieder, fand in genau dieser Form zuletzt einfach in zu vielen Filmen statt), außerdem bewegt sich der Regisseur wohl auch deswegen so elegant über das Parkett, weil er weiß, dass direkt unter ihm ein Sicherheitsnetz in Form von Park Chan-wook liegt, dessen Einfluss insbesondere im von Walzern verzierten Finale überdeutlich spürbar ist. Der leichtfüßige Humor ist allerdings diesem Werk zu eigen und im Verbund mit der beeindruckenden Stilsicherheit in der recht ungewöhnlichen Erzählung ist das ein Cocktail, der wesentlich frischer ist als es sein abgestandenes Etikett vermuten lassen würde.