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Barbara (Judi Dench) ist eine altjüngferliche Lehrerin an einer Londoner Schule, die von Kollegen und Schülern eher gefürchtet denn gemocht wird. Als die junge Kunstlehrerin Sheba neu an die Schule kommt, befreunden sich die beiden. Doch dann entdeckt Barbara, dass Sheba eine Affäre mit einem 15-jährigen Schüler hat - mit fatalen Folgen.

"Tagebuch eines Skandals" ist ein komplexer Film über Einsamkeit, Moral und Sehnsüchte, der im Gewand eines elegant inszenierten Freundschafts-Dramas daherkommt. Die vielschichtige Charakterstudie der beiden Hauptfiguren - Barbara als verbitterte, oft zynische alte Dame, die ihre Einsamkeit und Verzweiflung hinter moralischer Strenge und Zorn verbirgt, und Sheba als vom Leben frustrierte, nach frischer Lust hungrige Künstlerin - eröffnet ein Panorama auf allgemein menschliche Probleme in der modernen Großstadt, und das, ohne die Allgemeingültigkeit des Themas je auch nur anzusprechen. Die Konzentration auf die psychische Entwicklung der beiden Freundinnen erzeugt neben dieser starken Symbolik eine große Intensität, die vor allem durch das überzeugende Spiel der Hauptdarstellerinnen getragen wird. Judi Dench überzeugt in ihrer Rolle durch eisenharte Mimik, unter der stets ein Hauch ihrer inneren Traurigkeit durchzukommen scheint, und Cate Blanchett spielt die innerlich Zerrissene mit famoser Tiefgründigkeit und Zärtlichkeit.

Hinzu kommt, dass der Film keine einfachen Antworten gibt. Zwar wird Barbara eher als die Antagonistin charakterisiert, doch erlaubt der Stil der Inszenierung dem Zuschauer nicht, sie einfach zu hassen. Zu verletzlich ist sie unter ihrer brutalen, uneinsichtigen Oberfläche, zu schwer wiegt die Last eines ganzen verlorenen Lebens. Und Sheba wiederum handelt oft genug auf dem Zuschauer unverständliche Weise, als dass man sie uneingeschränkt mögen könnte. Ein Film also wie das Leben - weit weg von schlichter Schwarz-Weiß-Moral.

Auch stilistisch überzeugt "Tagebuch eines Skandal" größtenteils. Der grandiose, subtil eingesetzte Soundtrack von Philip Glass wirkt wie eine eigene Oper und untermalt die Bilder dramatisch und emotionalisierend. Und die Kameraarbeit kann man letztlich nur als exquisit bezeichnen. Insgesamt stören nur Judi Denchs Erzählerkommentare aus dem Off, die als intonierte Tagebucheinträge zwar vollauf berechtigt und an mehreren Stellen auch durchaus wichtig sind, um die Handlung begreifbar voranzubringen, die oft aber auch einfach zu platt und polemisch wirken - etwa, wenn sie über die Mittel- oder Unterklasse der Gesellschaft herzieht. Und auch die Storyentwicklung wirkt insbesondere anfangs ein wenig zu gedrängt - mehr Laufzeit für eine ruhigere Entwicklung hätte dem Film sicher eine noch schmerzhaftere Atmosphäre verliehen.

Alles in allem ist "Tagebuch eines Skandals" aber ein spannender und dramatischer Film über Verlustängste und die daraus resultierenden Folgen. An einigen Stellen erinnert er zwar an Streifen wie "Weiblich, ledig, jung, sucht...", bleibt seinem niveauvollen Stil aber stets treu und überzeugt mit einer so komplexen wie einfühlsamen Charakterstudie zweier im Dschungel des modernen Lebens verlorengegangener Seelen.

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