„Saw“ ist eine moderne Legende – die Idee dahinter lässt sich so gut verkaufen, dass die Fortsetzung von der Fortsetzung nicht lange warten lässt. Im Jahresrhythmus feiert man den filmökonomischen Erfolg, weil James Wans Recycling des morbid-düsteren Thrillers mittlerweile zum Selbstläufer geworden ist. Da ist Marketing überflüssig geworden.
Das Konzept ist denkbar einfach wie brutal. Die Leute lieben überraschende Wendungen, den Plottwist am Ende, wenn der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Darüber hinaus möchte man den großen Zusammenhang sehen, Eigenständigkeit wäre Gift für die Reihe. In Teil zwei hat beides noch wunderbar geklappt.
„Saw 3“ startet dagegen demonstrativ mit dem Motto höher, weiter, schneller. Wir hören Schreie und im Hintergrund einen finsteren Score, der atmosphärisch schon einmal das Bild abrundet. Dann kann das Spiel beginnen. Hier wird das Steigerungsprinzip ausgelebt. Das Blut spritzt, die Spannung steigt. Splatter-Fans haben ihre wahre Freude. Reißerisch zeigen die Fallen ihre Wirkung. Blutfontänen, Gedärme und sonstige anrüchig eklige Produkte fieser Apparaturen treten zum Vorschein. Säure, am Körper tief verankerte Haken, langsames Einfrieren – Körperteilen fliegen, erstarren oder lösen sich auf. Der Overkill nimmt seinen Lauf. Schnelle Schnitte im Moloch der farbgefilterten Bilder verursachen eine Reizflut. Mehr sieht man im ersten Abschnitt eigentlich nicht, man protzt mit der Brutalität – die sinnbildliche Schraube wird noch enger gedreht. Storytechnisch bewegt man sich anfangs im Dunklen.
Schummriges Licht erscheint erst, wenn der reißerische Effekt langsam abflacht. Dann betritt der Betrachter das Boot in Richtung Plottwist. Jigsaw (Tobin Bell) ist schwer krank, weshalb Amanda (Shawnee Smith) mittlerweile die Fäden zieht. Die Doktorin Lynn Denlon (Bahar Soomekh) wird deshalb als Teil eines neuen Spiels entführt und beauftragt den Krebskranken am Leben zu erhalten – ansonsten schnappt eine fiese Falle zu. Derweil darf sich Jeff (Angus Macfadyen) für den Tod seines Sohnes bei allen damals Beteiligten rächen. Er darf im Sinne Jigsaws zwischen Vergebung und Sterben entscheiden. Jeder Raum wird zur Gewissensprüfung, wenn das Leiden der anderen mit den Rachegelüsten von Jeff kollidiert. Nach und nach arbeitet man sich an das Finale heran, der großen Verbindung zwischen den Handlungssträngen. Dabei versucht man das Geschehen mit Rückblenden auf die Vorgänger zu würzen. Das Ganze macht die Sache umso reizvoller, weil dadurch Plotfinesse vermittelt wird. Dennoch stumpft das altbekannte Schema langsam ab, der finale Twist wirkt konstruiert in den Raum geknallt. Das Problem ist mittlerweile, Jigsaw spielt und spielt – aber für was? Seine Läuterungsmotive verblassen und sind mitunter nur noch schwer nachvollziehbar.
Die Befriedigung mit Rückblenden fängt auch nicht alles ab, der kausale Geniestreich mag nicht mehr gelingen. Es wäre zu viel verraten, sicherlich gelingt es manche Logiklücken und Plotholes der Vorgänger im Nachhinein zu stopfen, aber die Würze an der Sache geht verloren, weil die Reihe langsam ihre Abrundung verliert. Alles wirkt zu aufgesetzt, auch wenn man hinters Licht geführt werden will. Die Grundkonstruktion ist abgedroschen. Bousman und Co. versuchen den Film in Blut zu ertränken, mehr denn je. Danach entpuppt sich der Plot als große Probe, um die gleichen Prozesse mit noch mehr Extremität zu wiederholen. Das Endprodukt wird zum Flickwerk, das zweifelsohne nicht in filmische Abgründe stürzt, aber das alte Schema nur aufwärmt, um die Erwartungshaltung der Betrachter zu stillen.
Langsam reicht es, die Brutalität wird zur Effekthascherei und der Sinn am Spiel weicht immer mehr auf. „Saw“ war anrüchige Ambivalenz, weil Jigsaw tiefgründigere Motive hatte, die das Töten nicht in absolute Sinnlosigkeit verfallen ließen. Das mörderische Spiel war mit der Chance auf einen Neuanfang verbunden, die Beteiligten konnten sich durch Einsicht am moralischen Scheitern retten. Im Film geht man darauf zwar letztendlich ein, um nochmals die Doppelbödigkeit und das anrüchige Charisma des Original-Killers herauszustellen, aber der Protagonist mag trotzdem seine dunkle Ausstrahlung nicht mehr so gut verkaufen, wie er es zu Beginn der Reihe getan hat. Tobin Bell spielt im Rahmen der Möglichkeiten immer noch gut, weil er Jigsaw markante Züge verleiht. Der kranke Mann drängt alle an die Wand, seine Gehilfin Amanda, wird von Shawnee Smith viel zu hysterisch, dem Overacting zugeneigt, vermittelt. Jene Glaubwürdigkeit, die Jigsaw intensiv verkörperte, nimmt man der neuen Schülerin nie ab. Wenn der behütende Rahmen wegfällt, kommen, wie in diesem Fall, die darstellerischen Schwächen verstärkt zum Ausdruck - und auf dieser Ebene bietet "Saw" nicht viel.
Gelungen ist dagegen wiederum der atmosphärische Wert mit all den morbiden Attraktivitäten in finsteren Räumen. Grüne, braune oder blaue Farbnuancen im Bild sorgen für optischen Feinschliff im dreckigen Moloch der dargestellten Gemäuer, die im Gegensatz zum zweiten Teil wieder mehr an ein Kammerspiel erinnern.
Letztendlich fällt der dritte Teil nicht ins Bodenlose, weil die Macher wissen, worauf es ankommt im Saw-Universum. Trotzdem wirkt das Konzept mittlerweile etwas ausgelutscht, die Mechanismen rund um Plottwist und aufklärende Rückbezüge greifen nicht mehr effektiv, weil der aufgesetzt konstruierte Charakter kaum kaschiert werden kann. Die Prämisse der Brutalitätssteigerung ist in diesem Zusammenhang ebenso kontraproduktiv. Was bleibt, ist die sich manifestierende Erkenntnis - das Spiel sollte langsam enden, bevor es zu spät ist. (6,5/10)