Produzent Roland Emmerich und sein eigens aus Deutschland geholter Regisseur Marco Kreuzpaintner, der mit „Trade“ seinen ersten internationalen Film inszeniert, berühren ein heißes Eisen mit dem Themen Menschenhandel und organisierten Pädophilieringen. Doch, um gleich die kaum vorhandene Tiefenwirkung des Films vorweg zu nehmen, niemand verbrennt sich hier seine Finger. Die Geschichte um den siebzehnjährigen Jorge, dessen Schwester von einem mafiösen Unternehmen aus offener Straße entführt und verschleppt wird, könnte nicht konventioneller und schemenhafter ausfallen, kann aber durch die saubere Inszenierung und die gekonnte Spannungsdramaturgie als reiner Unterhaltungsfilm überzeugen.
Das Schicksal verkaufter Menschen oder geschändeter Kinder eignet sich kaum für die Aufbereitung als eben solcher Unterhaltungsfilm und dementsprechend zwiespältig fällt das Ergebnis auch aus. Der erste Teil des Films überzeugt mit authentischen Impressionen aus dem Höllenpfuhl Mexico City, der größten Stadt der Welt. In den hiesigen Slums zählt ein Menschenleben nicht viel und diesen Umstand machen sich skrupellose Menschenhändler zunutze. Mit viel Gegenlicht und sonnigem Himmel, leicht ausgebleichter Farbgebung und häufigem Filtereinsatz vermittelt Kreuzpaintner dem Zuschauer zwar keinen umfassend realistischen Eindruck, lässt aber erahnen in welche Abgründe menschlichen Elends geblickt wird, ohne bekannte Klischees zu sehr auf die Spitze zu treiben. Sogar ein wenig auflockernder Humor trägt zur grundsätzlich sehr ansprechenden Atmosphäre bei, doch wer „City of God“ gesehen hat, hat einen wesentlich komplexeren Einblick (bei dem es jedoch auch im genannten Meisterwerk bleibt) in die Ghettos der Großstädte Mittel- und Südamerikas bekommen.
„Trade“ muss sich vor allem seine spannungsbetonte Machart, gerade angesichts der hohen Professionalität und der damit verschenkten Chancen, vorwerfen lassen. Zunächst um emotionale Glaubwürdigkeit bemüht, driftet die verzweifelte Suche des jungen Mexikaners nach seiner dreizehnjährigen Schwester immer weiter in die Untiefen reinen Nervenkitzels ab. Das mag zwar kurzweilig sein, zerstört aber jede Glaubwürdigkeit des Films. Alles läuft auf den vorhersehbaren Showdown hinaus – schafft es Jorge seine Schwester vor den bösen Jungs zu retten bevor sie ihr die Unschuld endgültig rauben? Diese Vorgehensweise ist nichts anderes als eine unreflektierte, perverse Boulevardmethode, die dem brisanten Thema nicht annähernd gerecht wird. Ein gescheiterter Versuch wäre zu verschmerzen, doch Emmerich und Kreuzpaintner missbrauchen ihr Sujet um bekannte Genremuster abzuspulen. In Erinnerung bleiben einige ausdrucksstarke Bilder, beispielsweise als die entführte Adriana von einem amerikanischen High School Girlie eine Ausgabe der Glamour geschenkt bekommt und ihre gequälten Augen in die der weltoffenen, behütet aufgewachsenen Amerikanerin blicken. Demgegenüber stehen aber eben zu viele spekulative Szenen, die dem reinen Effekt dienen und die mühsam aufgebaute Emotionalität immer wieder arg verwässert.
Da angesichts eines so risikofreien und angepassten Gesamtwerkes kaum überragende darstellerische Qualitäten zu erwarten sind überrascht die intensive Leistung von Kevin Kline, der seine Figur sachlich, verschlossen und emotional verkrüppelt gestaltet. Das Schicksal seiner Tochter, die ebenfalls in die Fänge von Menschenhändlern geriet, konnte auch durch jahrelange Bemühungen des Polizisten nicht aufgeklärt oder gar verarbeitet werden. Die Chemie zwischen ihm und dem unbekannten Cesar Ramos (Jorge) stimmt einwandfrei, auch wenn ihr Verhältnis oftmals an ein Buddy-Movie erinnert. Ramos wirkt natürlich und durch sein jugendliches Alter unverbraucht und auch wenn er Schwierigkeiten mit seiner Rolle hat, so steckt doch Talent in ihm. Überzeugender agiert Paulina Gaitan als Adriana, die Jungdarstellerin zeigt ein derartiges Einfühlungsvermögen, dass sie selbst in einem Mainstreamer wie „Trade“ für kurze Gänsehaut beim Zuschauer sorgen kann. Ihre kraftvolle Vorstellung wird keinesfalls verschenkt, insgesamt wird ihrem Charakter sogar ein wenig zu viel Screentime zugestanden.
Leider steckt der Plot voller haarsträubender Unglaubwürdigkeiten und so können selbst die starken Darsteller nicht viel ausrichten gegen die konstruierte Künstlichkeit des Films, dem sein tragisches Kernthema schon fast egal zu sein scheint. Anders ist auch die klischeetriefende Charakterisierung der Täter zu erklären, die am Ende sogar aufgeblasen moralinsauer daherkommt. All die Seitenhiebe auf US-Politik, internationale Menschenrechte, Globalisierungsproblematik und andere beliebte Angriffspunkte bleiben in dem wenig seriösen Kontext wirkungslos. Positiv ist zu bemerken, dass sich der Film zu keiner Zeit in zynischer Selbstjustiz ergeht und die Möglichkeit einer Vergeltung ausschließt. Als sich Jorge am Ende zu einem Vergeltungsakt entschließt, dann gibt es keine Befriedigung, keine Katharsis. Wenn der Verbrecher zu Boden geht und sein kleiner Sohn den Tod des eigenen Vaters mit eigenen Augen ansehen muss, dann ist das keine Gerechtigkeit. Es gibt immer nur mehr Blut, nicht weniger, kein Racheakt kann einen verlorenen Menschen oder die verlorene Unschuld einfordern.
Fazit: Als unterhaltsamer Thriller eine klare Empfehlung, die mit guten Darstellern und spannender Hochglanzinszenierung punktet. Als Betrachtung seines eigentlichen Themas lässt „Trade“ aber beinahe jegliche tiefere Auseinandersetzung vermissen, sodass der Film oberflächlich und hohl bleibt. Unterm Strich also ein äußerst zweischneidiges Schwert, dessen Bewertung letztendlich bestimmt sein wird durch die Erwartungshaltung des einzelnen Zuschauers.
05 / 10