Als weiteres Prestigeobjekt von Millennium Films in Kooperation mit der deutschen Medienfond-Gesellschaft Equity Pictures folgt „88 Minutes“ dem inzwischen hinlänglich bekannten Geschäftsprinzip der beiden Produktions-Partner allenfalls durchschnittliche Drehbücher mit bekannten Gesichtern auszurüsten, ohne sich danach mit großartigem Enthusiasmus in die letztliche Umsetzung zu stürzen. Die Symptome der oftmals enttäuschenden Filme sind meist dieselben und verwehren trotz zugkräftiger Stars ein ums andere mal eine Kinoauswertung.
Auch „88 Minutes“ schmorte nach negativen Testscreenings lange im eigenen Saft, bis er relativ diskret auf DVD veröffentlicht wurde. Die turbulenten Begleitumstände (Wechsel des Regisseurs, Änderungem am Drehbuch, Nachdrehs etc.) der Produktion, die die Veröffentlichung zusätzlich hinauszögerten, trugen dazu sicherlich ihren Teil bei.
Regisseur Jon Avnet („Red Corner“, „Righteous Kill“), der kurzfristig James Foley („The Corruptor“, „Perfect Stranger“) ersetzte, inszeniert hier mit einer erfreulich besonnenen darüber hinaus aber leider auch eine eigene Handschrift vermissen lassenden Regie einen temporeichen, insgesamt allerdings spannungsarmen Thriller, der seine zeitliche Limitierung, die 88 Minuten, nicht nutzt und aus der Feder von Drehbuchautor Gary Scott Thompson („Hollow Man“, „The Fast and the Furious“) stammt.
Ein völlig zerknitterter Al Pacino („Scarface“ Heat“) ruft als forensischer Psychologe Dr. Jack Gramm mit aufgetürmter Starkstromfrisur seine Qualitäten in nur ganz wenigen Szenen ab und stolpert müde durch die titelgebenden 88 Minuten, die ihm bis zu seinem Tod bleiben. Vor neun Jahren wurde aufgrund seiner Aussage der sadistische Serienmörder Jon Forster (Neal McDonough, „Timeline, „The Hitcher“) zum Tode verurteilt und soll heute hingerichtet werden. Als tags zuvor ein Mord nach dem gleichen Schema verübt wird, kommen Zweifel an Gramms damaligen Urteil auf. Der Psychologe wird vom FBI unter Druck gesetzt und telefonisch von einer verzerrten Stimme informiert, dass er nur noch ein paar Minuten zu leben hat...
Wie es sich für eine gestandene Hauptfigur mit reichlich Erfahrung auf dem eigenen Terrain gehört, versucht er auf eigene Faust die Dinge zu regeln, wird von unzähligen Verdächtigen, die von seinen Studenten, die ihn als ausgemachten Womanizer nur so anhimmeln, über einen mysteriösen Verfolger in Motorradkluft bis hin zur Dekanin aber nur so umzingelt, erhält mysteriöse Päckchen und Botschaften und stellt alsbald fest, dass sein Gegenspieler allerhand über ihn weiß, ihn dazu noch versucht Morde in die Schuhe zu schieben.
Nur mäßig spannend inszeniert und mit einem enttäuschenden Mindfuck in den letzten Minuten den unbedarften Zuschauer zu übertölpeln versuchend, kann sich „88 Minutes“ zwar eines moderaten Tempos rühmen, ansonsten aber nur hinreichend bekannte Standards bedienen.
Pacino eilt voran und hängt trotzdem immer ein paar Minuten hinterher. Der Zuschauer wird derweil mit kurzen, eher unnötigen Actionszenen versorgt, bis Gramm seinem Puzzle ein weiteres Teil hinzugefügt hat.
In den Nebenrollen agieren bekanntere Schauspieler wie William Forsythe („Extreme Prejudice“, „Dead Bang“), Leelee Sobieski („Joy Ride“, „The Wicker Man“), Alicia Witt („Urban Legends“, „Last Holiday“), Amy Brenneman („Heat“, „Fear“), Deborah Kara Unger („Stander“, Silent Hill“) und „The O.C.“ - Star Benjamin McKenzie, so dicht man sie auch staffelt, durchweg blass, nehmen teilweise allerdings Schlüsselpositionen ein.
Bei erhöhter Aufmerksamkeit des erfahrenen Zuschauers stellen sich ärgerlicherweise schnell unzählige Logikfehler ein, zumal Foster sich oft genug so verhält, wie es ihm der gesunde Menschenverstand eigentlich verbieten müsste. Handlungsstränge werden angerissen, aber nicht wieder aufgenommen (u.a. der verdächtige Wachmann) und die Anschläge (Wozu eigentlich?) auf Gramms Leben wiederholen sich fast periodisch, verpuffen allerdings wirklungslos, weil die 88 Minuten noch gar nicht um sind. Erschreckend viele Anschlussfehler weisen darüber hinaus auf unzählige Nachdrehs oder schlichte Schlampigkeit der Crew hin. Angesichts dessen, dass unglaublich viele Szenen nicht zusammen passen und „88 Minutes“ den Eindruck von Patchwork hinterlässt, wird von dem ursprünglichen Drehbuch wohl nicht mehr viel übrig geblieben sein.
Fazit:
Al Pacino knüpft an die unglückliche Rollenwahl der letzten Jahre an. Seine lustlose Performance unterstreicht diesen bestenfalls katastrophalen Genrebeitrag, der nur oberflächlich betrachtet 100 Minuten solide unterhalten kann, sich bei näherer Betrachtung aber als entspannter Thriller mit schrottreifer Handlung und Unmengen von Logikfehlern erweist. Da die Inszenierung darüber hinaus keinerlei Akzente setzt und man sich mit zunehmender Laufzeit als Zuschauer wirklich verarscht vorkommt, taugt „88 Minutes“ höchstens als abschreckendes Beispiel, wie man es besser nicht machen sollte. Kein Wunder, dass der Film trotz Al Pacino lange Zeit keinen Abnehmer fand...