Regisseur Kevin Chu Yen-ping ist mit seiner individuellen Charakteristik sicherlich Vieles; je nachdem, wie man seinem Werk gegenübersteht fallen die entsprechenden Attribute positiver oder doch eher nicht aus, wird geschwärmt oder wenigstens verziehen oder auf der anderen Seite gehetzt oder müde abgewunken. In einem sind sich allerdings Alle einig: Er ist kein Poet des Phantastischen. Kein Bildhauer, der das Duell der toten Seelen in den Irrgarten der Ausweglosigkeit verlagern und dort theaterwirksam Enge, Krisis, Not verbalisieren kann. Niemand, der auf der Suche nach fatalen Themen, sündigen Träumen, bitteren Reflexionen oder mörderischen Hirngespinsten ist, der die motivierte Lust auf Neugier oder Furcht mit sich führt, für seine Effizienz bekannt ist oder die Bereiche des Realen noch die des Imaginären überzeugend kontrollieren oder wenigstens ergründen kann.
Chu für einen Horrorfilm einzusetzen bedeutet neben einer Attraktivitätssteigerung auch eine schiere Unmöglichkeit, nicht mal bloß ein unnatürliches Wagnis mit erhöhtem Betreuungsbedarf, sondern ein Unding, ein frommer Wunsch, der das Endergebnis entweder zu einem eigentümlich behandelten Wunderwerk macht. Oder zu dem, was The Army letztlich darstellt.
Die Lagerfeuergeschichte selber baut sowohl auf der einschneidenden Methodik der Wiedergeburt mit religiösen idealen Gehalt als auch auf den ersten Dingen des Lebens auf, die der junge Mann beim Eintritt in die Welt der Erwachsenen vollziehen muss. Dem Wehrdienst, das Mann-Werden mit der Waffe in der Hand, wobei ihm neben allerlei Schießtraining und Laufen um den Block auch noch beigebracht wird, wie man außerhalb Hotel Mama das Bett richtig bezieht und den Kragen korrekt schließt. Eine seltsame Außenwelt, eine fast sektenhafte Abschottung, für die Meisten zeitlich begrenzt und mit absehbarem Ausgang, eine Erfahrung, die mehr mit Ritual als Magie zu tun hat und mehr mit Widerwillen als mit Faszination. Eine kuriose Abnormität, die Chu bereits ausführlich in Augenschein genommen hat, auf seine abwegig kürzertretende Art und Weise wohlgemerkt. A Home Too Far, End of the Road, Forever Friends spielen mehr oder weniger direkt allesamt in dem Milieu von Schlachtreden, Dienstgrad, Befehl und Gehorsam sowie der historischen Bedeutung nationaler Begebenheiten der Vergangenheit und Gegenwart, dessen beherrschende Ordnungsrelation auch ausdrücklich im folgenden Fall Bestand hat und über mehrere Stationen im Film noch einmal erneut herauskristallisiert wird:
Taiwan. 1992. Frühling.
Vier sich einander wildfremde Männer haben das bescheidene Glück, während ihrer Rekrutenzeit alleine mit einem forschen, reichlich ungehobelten Ausbilder auf einer isolierten Insel ausgemustert zu werden. Nicht nur, dass der Fanatiker in Uniform sie bei der körperlichen Ertüchtigung ran nimmt und im Gegenzug mit seltsamer Ernährung in Form von Schlangen, Ratten und Fröschen abschreckt, auch stellt sich beizeiten heraus, dass das Atoll trotz Zauber des begrünten Lokalkolorits seit über sechzig Jahren verwunschen ist. Im Zweiten Weltkrieg als Exekutionscamp der Japaner benutzt, streifen die ungesühnten Toten durch die besudelten Hallen, darauf wartend, das Unrecht zu vergelten.
Das Unerklärliche, das Übernatürliche und die Gerüchte um diesen alten Fluch dienen dabei erst als Spiel im Spiele, später gar als Film im Film. Ein eigentlich legendäres Sujet, hier aber als kleinbürgerliche Kommißpostille, als kinematographische Improvisation voll falscher Finten und realer Magiertricks, die dem später tatsächlich herrschenden Schrecken vorher bereits die Aura des faulen Zaubers verabreichen. Verdrängungsmechanismen, ein Ausweichen in die gaukelnde Fiktion, um sich von dem Feind im Rücken [ Japan ] und dem, der stetig vor der eigenen Haustür steht [ China ], abzulenken. Um sich die Zeit alleine zu vertreiben, vor den Anderen als Wagemutiger hinzustellen und auch um die allgegenwärtige Beklemmung an diesem unheimlichen Ort in ein befreiendes Gelächter aufzulösen wird unter den Vieren als dramatische Vorstufe ein sich gegenseitig Überraschen und Überrumpeln betrieben. Als verschrobener Intrigenplan und eigenartige Rückkopplung die Doppelbödigkeit und Neuorganisation von Schein und Sein. Als immer wiederkehrendes, mehrfach variiertes Leitmotiv zwischen Kunst und Manipulation ein derart eifriges Dunstbild erschaffen, dass man bald und selbst in Situationen etwaiger Gefahr nicht mehr erkennen kann, was nun echt und Praxistest ist, was Sackgasse und was nicht.
Plötzliche Stimmungsumschwünge, Ausbrüche fieberhafter Aktivitäten, extremes Misstrauen und dann die Abgestumpftheit und bitterer Zynismus aufgrund der unendlichen Mannigfaltigkeit von Scheinhandlungen und Täuschungsmanöver kennzeichnen schnell die Trümmer einer einstmals aufs Genaueste disziplinierten Atmosphäre. Hinzu kommen die alltäglichen Sinnlosigkeiten, Zank und derbe Späße der Pflichtjahre, die mangels konkreten Daseins auch die Darstellungsmittel der ohnehin schon labil schmalbrüstigen Regie restringieren.
Das stagnierend-verweilende Drehbuch selber baut auf einer wenig komplexen Netzwerkstruktur auf und ergeht sich statt der Konzentration auf den mystifizierten Rachegedanken im Reich der Dunkelheit zumeist im simplen und auch noch blutleeren Abklappern der wenigen vorhandenen und umso nüchternen Haltepunkte. Aufenthalts- und Schlafsaal, die Wache, die Latrine, das freie bzw. wildbewachsene Feld und der Strand als Begrenzung der reichen Naturumgebung. Außerdem der Gelass vom evil sergeant, ebenfalls einfachster architektonischer Anordnung. Und eine etwas abseits befindliche Behausung, die zwar von Weitem wie nach einem aus riesigen Stück Berg gehauenen Hochhaus ausschaut, aber beim Näherkommen ebenfalls bloß als schäbige Baracke entpuppt. Ein Teufelskreis.
Ähnlich wenig erbaulich ist der statuarische, seltsam unzusammenhängende und eher behäbig hin- und herpendelnde Fortgang zwischen diesen Etappen. Unzeitgemäß weitschweifig; eine wahllose Vermischung tragischer und komischer Elemente, die trotz der Stimmung des bedrohten Friedens und den üblichen Genrezutaten wie Wahnwesen, Todesbote, Vollmond, Mitternacht und Ouija-Brett weder physische Ausdrücke noch konkrete Expressivität oder anderweitig Virilität oder Vitalität erreichen vermag. Stattdessen ein emotionsloser Gleichschritt Marsch im Tarnfleck, der neben einer seltsam dünnhäutigen Optik, einer recht verqueren Assoziationsmontage, aufdringlicher Effektbeleuchtung und der vorherrschenden Sprechhandlung samt Propagandaliedern im Hintergrund vor allem deswegen keinen nachdrücklichen Rhythmus erlangt, weil Chu auf Gedeih und Verderb kein Gespür für Timing dieser blockartigen Aneinanderreihung entwickelt.