Dem Unsinn einen Sinn geben. Storys aufblähen, mit Konventionen spielen und den Antihelden ein infernales Treffen organisieren. Der Manager dieses Szenarios war in den 90er Jahren Quentin Tarantino - bei "Pulp Fiction" ist in symbolischen Großbuchstaben immer noch das Prädikat "Original" vermerkt. Plagiate stinken mehr oder weniger ab. Dabei ist Tarantino eigentlich selbst ein Meister des Zitierens bzw. Kopierens. Er hat vielmehr wiederentdeckt als erfunden. Lediglich der Stil im Gesamtkontext war neuartig revolutionär, die Schundliteratur wurde lebendiger denn je und dementsprechend zieht die Komposition einen langen Schwanz an Zitaten hinterher. Guy Ritchie sprang auf den Zug auf und bediente sich der gleichen Mechanismen. Nun versucht Joe Carnahan, dem mit "Narc" zuletzt ein atmosphärisch dichter Thriller gelang, die Asse rauchen zu lassen.
Die Hölle auf Erden wird arrangiert. Im Telegrammstil knallt man abrupt die Figuren in den Raum. Das simple Grundprinzip, um die Jagd nach einem Kronzeugen wird aufgebläht, im besten Stile der Vorbilder. Buddy "Aces" Israel (Jeremy Piven), gleichermaßen Bühnenzauberer wie organisierter Verbrecher, ist das Objekt der Begierde. Die Cops bauen "Aces" zum Kronzeugen gegen das letzte verbliebene "Cosa Nostra" Schwergewicht auf. Der Mafiosi will nun sein Herz auf dem Tablett. Eine Million Dollar sind auf den Kopf von Israel ausgesetzt. Das lockt die übelsten Verbrecher nach Lake Tahoe, wo der Zeuge unter Polizeischutz exzessive Partys feiert.
Im Grunde ist alles recht einfach, aber es geht darum die Gesetzmäßigkeiten auszuhebeln. Der Showdown ist so sicher wie das Amen in der Kirche, aber vorher muss man noch bedeutungsschwanger konsternieren - wie Tarantino seinerzeit durch das Verweben der Zeitebenen. Die Gangster leiten sich indirekt selbst ein, jeder darf ein paar Sätze über die befürchtete Konkurrenz verlieren. Dazwischen werden die FBI-Leute Carruthers (Ray Liotta) und Messner (Ryan Reynolds) zu Schutzpatronen auserkoren. Viel Rauch um nichts würde man meinen.
Nun geht es darum das Ganze zu verkomplizieren. Im Sinn der Verwirrung wechselt man häufig das Schnitttempo. Demonstrativ erscheinende Überschriften sind jeweils der Beginn von Kurzgeschichten, in denen skurrilen Infos über die Figuren transportiert werden. Dabei bricht man mit dem Konzept der klassischen Charakterisierung. Der Schund an der Geschichte wird deutlich. Killer sind Killer, weil sie eben welche sind. Mehr interessiert nicht. Das Drehbuch oder die "Pulp Fiction" kreiert vielmehr eine Parallelwelt im Sinne eines ambivalenten Magnets.
Die Höllenpforte öffnet sich auf Erden. Üble Leute, deren Hülse man lediglich kennt, präsentieren anrüchige Reize. Zynismus wird ausgelebt und Unsinn überzeichnet zelebriert. Realismus ist keine Absicht, die gezeichnete Welt erinnert an einen Comic, der in Blut getränkt ist. Überraschende Wendungen dürfen nicht fehlen und in dieser Hinsicht ist "Smokin' Aces" schizophren. Einerseits überzeugt der Bruch mit dem konventionellen Erzählmuster, wenn dem Betrachter förmlich lasziv die Erwartungshaltung um die Ohren geknallt wird. Da haben drei Gangster einen Masterplan, organisieren schön und brandmarken das Geschehen, als Führer in der Jagd. Dann kommen die Hardcore-Nazis völlig planlos angerauscht und wüten überzeichnet zerstörerisch. Man möge es nicht glauben, aber zu diesem Zeitpunkt erhält der bis dato wieder einmal in Talentfreiheit badende Ben Affleck als Toter zum ersten Mal so etwas wie Konturen. Vorher versuchte "Big Ben" mit heraufgezogener Schnute, nuancierte Gestik zu vermitteln und scheitert kläglich bis der Nazi-Boss in seinem Gesicht rumfummelt. Das ist bezeichnend, wie auch die Situation. Der Overkill wird bis kurz vor dem Ende konsequent durchgezogen. Dann folgt die Ernüchterung, wenn man aufgesetzt, an den Haaren herbeizogen mit dem Plottwist in dramatische Regionen ausweicht. Das relativiert zwar die vorgehenden Gewaltausbrüche, aber wirkt so unpassend, wie der Storyeinschub um ein "ritalingesteuertes" Kind, das mit bescheuerten Karatekidanleihen glänzt. Hier ist sie wieder, die zweite Seite der Medaille.
Die Mechanismen der Stilrichtung funktionieren temporär genauso, wie sie oftmals nicht funktionieren. Da wären wir beim Dialog, der im Sinne der Vorlagen immer eine Schlüsselposition hat. Nebensächlichkeiten werden die größten Probleme der Welt - herrlich. Das allgemeine Overacting der Antihelden bringt vereinzelt Highlights hervor. Der Kontrast macht die Sache attraktiv. Es geht um Leben und Tod, aber ein Wichsfleck auf einem 10.000 Dollar Mantel ist dann doch die größte Sorge der eigenen Welt. Erfrischend ist auch das Auftreten der weiblichen Profikillerinnern - unter anderem vertreten durch Alicia Keys, die in ihrem Debüt mit sexueller Energie punktet. Die andere des Duos, Taraji Henson, hat ihren großen Auftritt an der Hotelrezeption, wenn sie herrlich überspitzt die Großoffensive gegen die Männerwelt propagiert. Die Emanzipation zieht weite Kreise.
Dennoch, prägende Momente deuten auch auf ein wesentliches Problem des Films hin. Es bleiben Momentaufnahmen in Erinnerung, weil das Gesamtwerk ein Flickwerk ist. Es fehlt die Abrundung, das Fingerspitzengefühl, um Einzelaspekte zu verbinden, wie es Tarantino seinerzeit in "Pulp Fiction" geschafft hat. Das Gesamtbild ist konfus. Problematisch ist dabei nicht das Bedienen der stilistischen Klischees, sondern vielmehr die fehlende Verbindung untereinander. Carnahan ist unfähig die Übergänge zu schaffen und brandmarkt den Film mit Teilüberschriften, die er dann in sich abgeschlossen umsetzt, aber dabei nicht den Gesamtkontext im Auge behält. Das Finale ist nur die Spitze des Eisbergs. Der Film entgleitet, frisst sich quasi selbst Stück für Stück an der eigenen Schemenhaftigkeit auf. Dementsprechend ist es auch schwierig alles einheitlich zu erfassen, wenn er der Regisseur selbst nicht einmal schafft.
So bleibt das große, blutige Aufeinandertreffen auch nur ein Teil, der zwar in der handwerklichen Umsetzung mit zugrunde liegender Dynamik und extravaganten Kamerafahrten überzeugen mag, aber letztendlich auch den Untergang zur finalen Pointe einleitet. Ein Drama im wahrsten Sinne des Wortes.
Der geflickte Eindruck von "Smokin' Aces" hinterlässt Spuren, denn Punkt für Punkt seziert, erfüllt der Film zweifelsohne Kriterien, die ihn nicht zur plumpen Tarantino-Kopie degradieren. Der große Zusammenhang, wenn der Sinn dem Unsinn die Hand gibt, wäre aber gerade so wichtig. Regisseur Joe Carnahan ist hier ein Chirurg, der verschiedenen Körperteile mit Erfolg operiert, aber das nützt wenig, wenn er das Leben des Patienten dadurch nicht retten kann. Da hilft nur noch das Adrenalin in Form von grundsätzlichem Unterhaltungswert. (5,5/10)