„Er war der größte Menschenverachter, den man sich vorstellen kann!“
Im Jahre 1962 debütierte der Brite Freddie Francis („Draculas Rückkehr“), der sich einen Namen als fleißiger Horror-Regisseur für diverse britische Filmstudios machte, als Regisseur von gleich drei Produktionen. Eine davon, die deutsch-britische Koproduktion „Ein Toter sucht seinen Mörder“, ist nach dem mir unbekannten „The Lady and the Monster“ aus dem Jahre 1944 und der US-Produktion „Donovans Hirn“ aus dem Jahre 1953 die dritte Verfilmung des mir ebenfalls unbekannten Romans aus der Feder des deutschen Schriftstellers Curt Siodmak. Unter Francis avanciert der Stoff zu einem Mystery-Krimi mit Mad-Scientist-Science-Fiction- und Gruselelementen.
Der ebenso vermögende wie skrupellose Industrielle Max Holt wird schwerstverletzt, als in seinem Privatflieger eine Zeitbombe explodiert. Dr. Peter Corrie (Peter van Eyck, „Der Spion, der aus der Kälte kam“), der mit Tierversuchen daran forscht, Gehirne auch ohne Körper am Leben zu erhalten, findet mit seinen Assistenten Frank (Bernard Lee, „Die Todeskarten des Dr. Schreck“) und Ella Shears (Ellen Schwiers, „Das Rasthaus der grausamen Puppen“) die abgestürzte Maschine und birgt Holt, den er in sein Labor bringt. Dort verstirbt das Bomben- und Absturzopfer kurze Zeit später. Entgegen des Willens seines Assistenten nutzt Dr. Corrie die Gunst der Stunde und entnimmt Holts Gehirn, das tatsächlich in der Nährlösung aktiv bleibt – in ungeahntem Ausmaße: Holt ergreift zunehmend Besitz von Corrie, der sich nun auf die Suche nach dem Attentäter begibt. Ein alles andere als ungefährliches Unterfangen, denn der Mörder hat ein gesteigertes Interesse daran, unerkannt zu bleiben und bringt einen Mitwisser nach dem anderen um die Ecke.
„Ich war Max Holts Freund!“ – „Dann haben Sie ja Sammlerwert!“
Schon nach 20 Minuten macht der Film unmissverständlich klar, dass Dr. Corrie unter Einfluss Holts bzw. dem, was von ihm übrig ist, steht. Visualisiert wird dies durch eine gruselige Großaufnahme Corries weit aufgerissener Augenpartie. Doch statt sich weiter auf den Grusel-Sci-Fi-Faktor der Handlung zu konzentrierten, entspinnt der noch in schwarzweiß gedrehte „Ein Toter sucht seinen Mörder“ einen dialoglastigen, nicht unkomplexen Whodunit?-Krimi, der relativ detailliert Holts (Geschäfts-)Umfeld und Familie durchleuchtet und eine Vielzahl Verdächtiger präsentiert. Für Dr. Corrie kommt erschwerend hinzu, dass er auch selbst Opfer einer Erpressung durch den Leichenwäscher Holts wird, der das Fehlen des Gehirns bemerkte. Über alle, im Verlauf des Films immer mehr eingeführten Personalien den Überblick zu behalten, erfordert zumindest ein Mindestmaß an Konzentration, jedoch werden viele bereits kurz nach ihrer Befragung durch Corrie schon wider aus der Handlung herausgetötet. Immer mehr verdichtet sich jedoch das Bild Holts als über Leichen gehender, gieriger Kapitalist, der nicht viele Freunde, dafür umso mehr Feinde hatte; der gute Schuss Sozialkritik wird also auch in dieser Verfilmung deutlich. Ein witziges Detail ist z.B. das von Holts Sohn persönlich gemalte, hässlich und fies aussehende Porträt seines Vaters, das sich Holt über den Schreibtisch hängte. Eigentlich malt Holt junior tolle Bilder gar schrecklicher Horror-Kreaturen und Monster, zu denen seines Erachtens anscheinend auch sein Vater zu zählen war.
Das in seiner Nährlösung schwimmende Gehirn und die klischeehafte Laborausstattung verfügen über einen naiven, trashigen B-Movie-Charme, aus dem leider nicht sonderlich viel herausgeholt wird. Wann immer Holt wieder Besitz von Dr. Corrie ergreift, wird die immer selbe Augen-aufreiß-Szene zwischengeschnitten, was etwas lieblos wirkt. Dafür gibt es aber nach 30 Minuten eine schöne Point-of-View-Einlage, sind die schauspielerischen Leistungen des namhaften Ensembles fast durchgehend ernstzunehmender Natur und entschädigt die durchaus überraschende Auflösung des Rätsels am Ende für die eine oder andere Länge, die aus den mitunter reichlich angestaubten, biederen Krimi-Passagen sowie aus dem Umstand, dass man mit einem Unsympathen wie Holt nun wirklich nicht mitfiebert, resultieren. Insofern ist „Ein toter sucht seinen Mörder“ mit ein paar Abstrichen sowohl für Freunde klassischer europäischer Kriminalfilmkost als auch für an der Geschichte des phantastischen Films im Allgemeinen und des Schaffens Freddie Francis‘ im Speziellen Interessierter empfehlenswerter Film, der sich meines Erachtens leicht über dem Durchschnitt ansiedelt.