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Neben seiner Karriere als Schauspieler stieg Bill Duke zunehmend ins Regiefach ein und drehte unter anderem diesen Copthriller, der Anfang der 1990er im Zeichen des New Black Cinema stand.
Im Zentrum von Dukes Crime-Drama steht der Cop Russell Stevens Jr. (Laurence Fishburne), der als Kind mit ansehen musste wie sein drogensüchtiger Vater einen Raubüberfall beging, jemanden ermordete und dabei selbst erschossen wurde. Jahre später wird er von dem DEA-Agenten Gerald Carver (Charles Martin Smith) für einen Undercover-Einsatz ausgewählt, bei dem er zwar zögert, für den er als street-smarter Cop aber besser geeignet ist als andere Bewerber, die Carvers Eignungstest nicht bestehen. Während sich viele Werke des New Black Cinema, etwa „Menace II Society“ oder „Boyz N the Hood“, mit dem Verbrechen aus Sicht der Gangs, der Kleinkriminellen und der chancenlosen Jugend beschäftigten, wählt „Deep Cover“ den Ansatz des Polizeifilms.
Als Dealer getarnt arbeitet sich Russell in die Szene ein, während kaum jemand von seinem Einsatz weiß, damit er an die ganz großen Fische, an die Drogenbosse herankommt. Als er verhaftet wird, beschert ihm das nicht nur Street Credibility, sondern auch das Vertrauen des Anwalts David Jason (Jeff Goldblum), der als Mittelsmann arbeitet und die Straßendealer mit Ware versorgt. Während „Deep Cover“ die hierarchische Ordnung des Drogengeschäfts anhand von Russells Werdegang aufzeigt, zeigt er dabei (im Gegensatz zu manch anderem Genrefilm) auch knallhart das damit verbundene Überleben des Stärkeren auf: Die Kleindealer werden bei Revierkämpfen erschossen oder von der Polizei verhaftet, während die Hintermänner in ihrer Kellerbar hocken und sich höchst selten die Finger schmutzig machen.

Als David Russell gar zu seinem Partner macht, ist das ein erster Durchbruch, aber auch ein Problem: Die DEA kann oder will ihrem Undercovercop die großen Drogenmengen nicht abkaufen. Also muss Russell tatsächlich als Dealer arbeiten um seine Tarnung aufrecht zu erhalten und steigt dabei immer tiefer in den Sumpf aus Geld, Drogen und Macht…
Im Gegensatz zu manch anderem Copthriller muss Bill Dukes Copthriller mit einem kleineren Budget auskommen, traut sich dafür aber einschneidendere Kritik und zeigt, wie der schwarze Russell von seinen weißen Vorgesetzten immer wieder im Stich gelassen wird und irgendwann tatsächlich Drogen verkaufen muss, den ersten Mord begehen und andere Verbrechen verüben, nur damit er an dem Fall arbeiten kann. Vor allem die späte Erkenntnis, dass das so hehre Anliegen der Ermittlungen politischen Zielen geopfert werden könnte, übt harsche Kritik am Versagen im Kampf gegen die Drogenkriminalität, die vor allem von der Crack-Epidemie in den Schwarzenvierteln Amerikas befeuert wurde. An einem Punkt sieht Russell keinen Unterschied mehr zwischen sich und einem regulären Dealer und fasst den Entschluss nur noch seiner kriminellen Karriere zu frönen, da er doch so gut darin ist.
Das ist auch eine gute Umschreibung für die Person Russells, der vor allem gut funktioniert: Als verdeckter Ermittler, als Dealer, als geschickter Taktiker zwischen Behörden und Bandenkriminalität. Ein Rädchen im Getriebe, aber ein sehr effektives. Das ist aber auch der Grund, warum „Deep Cover“ ein stellenweise kalter Film ist: Trotz der Rückblende zu Beginn und trotz der Tatsache, dass man ihm fast den ganzen Film über folgt, bleibt einem dieser Ermittler fremd, kann man ihn doch ebenso wenig durchschauen wie die Gangster es tun. So bleiben auch die persönlich gefärbten Subplots wie die Liebschaft mit einer Komplizin oder der Moment, in dem der aufgrund des Schicksals seines Vaters abstinent lebende Russell doch zu Drogen greift, kurze Episoden ohne großen Nachhall; Russell als Arbeitstier ist der Fokus des Films, der aber sehr eindrücklich von einer Undercoverkarriere erzählt, bei der Ansprüche und Wirklichkeit auseinanderklaffen.

Dabei zieht Bill Dukes Film als Portrait einer Ermittlung und als Aufzeigen gesellschaftlicher Missstände packend und es ist in jenen Momenten schade, in denen der Regisseur und seine Drehbuchautoren ihrer Geschichte nicht ganz zu vertrauen scheinen: Eine Autojagd sorgt für etwas Action, wirkt aber wie ein Fremdkörper in diesem ruhigen Film, das heroische Finish doch sehr an Hollywoodkonventionen angelehnt und nicht wie ein konsequenter Abschluss des zuvor wenig hoffnungsvollen Films. All das hätte „Deep Cover“ nicht gebraucht, zumal er neben Russell auf ein starkes Inventar an Nebenfiguren zählen kann: Den zunehmend manischen Anwalt David, die eitlen Hintermänner, einen prolligen Dealerrivalen, den idealistischen Polizeibeamten Taft (Clarence Williams III), der nichts von Russells wahrer Identität weiß, oder eine Junkiemutter von nebenan, die Russell gar den Vorschlag macht ihm ihren Sohn zu verkaufen. Gerade in der Aktion mit diesen Figuren ergeben die Handlungen des Protagonisten Sinn, so verschlossen er auch als Figur an sich sein mag.
Das zu spielen ist eine Herausforderung und Laurence Fishburne meistert sie hervorragend, zieht den Zuschauer als Cop, der als Dealer zu gut ist, in den Bann und kann Russell trotz seiner Undurchschaubarkeit als Fokuspunkt des Films etablieren. Ähnlich klasse ist Jeff Goldblum, der die langsame Transformation des Anwalts sehr glaubwürdig darstellt: Anfangs noch der Familienmensch mit idyllischer Fassade, wird zunehmend zum Möchtegern-Kingpin mit Lederjacke und zurückgegelten Haaren, der nicht nur eine neue Designerdroge in Auftrag gibt, sondern auch dem eigenen Produkt verfällt. Dagegen muss Charles Martin Smith eher eindimensional das Ekel geben, macht das aber brauchbar, während vor allem Clarence Williams III noch unter den Nebendarstellern herausragt. Etwas over the top, aber dadurch einprägsam ist der Auftritt von Clifton Powell als mörderisches Dealer-Großmaul.

Bill Duke macht bei „Deep Cover“ aus der Not eine Tugend und nutzt das knappe Budget für einen kargen Look, der die Botschaft seines gesellschaftskritischen Copthrillers unterstreicht: Drogenkriminalität ist nicht nur eine Sache der Straße, sondern hat seine Wurzeln auch in politischen Ränkespielen und behördlichem Versagen, während ihre Opfer meist mittellose Schwarze sind. Dass „Deep Cover“ dabei sehr kalt bleibt und seiner Dramaturgie manchmal nicht zu vertrauen scheint, ist schade, ein durchaus fesselndes, ruhiges Portrait einer verdeckten Ermittlung mit zwei tollen Hauptdarstellern ist Duke aber trotzdem gelungen.

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