Und wieder muß ich mich korrigieren...
Einst bezeichnete ich Ed Woods unsterblichen Sci-fi-Klassiker „Plan 9 from Outer Space“ als den „schlechtesten Film aller Zeiten“. Falsch! Das war unüberlegt und stimmt natürlich nicht einmal im Ansatz. Relativ flott wurde er gleich haufenweise von anderen, um ein Vielfaches mieseren Exemplaren abgelöst, darunter Bruno Matteis italienisches Hai-Desaster „Cruel Jaws“ (aka „The Beast - Unheimliche Tiefe“ aka „Jaws 5“ (!)) sowie der lange als Favorit auf den Spitzenplatz in meinen persönlichen Schlechtigkeitscharts gehandelte DeCoteau-Ultra-Murks „Killer Eye“ (der Titel sagt alles).
Doch dann kam „Voyeur.com“...
Zwar geben die Kritiken hier und die miserable, trotzdem immer noch viel zu hohe Durchschnittsbewertung bereits einen hervorragenden Überblick für alle Unwissenden, was von diesem filmischen Exkrement zu halten ist, so daß ich meine kostbare Zeit eigentlich mit Sinnvollerem verbringen könnte, als selbst noch einen Kommentar dazu abzugeben, aber manchmal bin ich Masochist.
Wer schon immer mal einen Film sehen wollte, der es über 90 Minuten schafft (d.h. über seine komplette Lauflänge), stechende Kopfschmerzen zu verbreiten, ist bei „Voyeur.com“ genau an der richtigen Adresse: Keine 30 Sekunden sind vergangen, da befinden sich schon die ersten Gehirnzellen auf Abschiedstour - der Dank geht an den Look des Streifens, der so unsagbar grottig ist, daß man ein Taschentuch benötigt, um das Blut aus den Augen zu wischen. Und als würde das nicht für den Anfang reichen, kriegen wir auch just unsere wahrscheinliche Heldin Mary mit trübem Blick am Steuer ihres Wagens geliefert, die uns fortan in unregelmäßigen Abständen mittels Voice-over immer und immer wieder ungefragt (so 9 bis 18 Mal) verklickern wird, was für eine arme Seele sie doch ist (keine feste Bleibe, keine Freunde, weil schüchtern, gehemmt, prüde usw. - völlig verblödet zwar auch, doch das sagt sie nicht), vorgetragen in einem Tonfall, der den Verdacht nahelegt, ihre Synchronsprecherin habe vorher eine Überdosis Valium geschluckt. Jajaja, so hat sich der Film bereits nach einer geschlagenen Minute des Zuschauers Haß zugezogen, und der Vorspann hat noch nicht mal angefangen.
Danach die spätestens seit „Scream“ obligatorische, für den „Plot“ (Plot? Welcher Plot?) irrelevante Killer-hat-seinen-ersten-Auftritt-Sequenz, die man eigentlich vor dem Vorspann erwartet hätte, aber egal, für Abwechslung im Slasher-Genre bin ich ja immer zu haben. So wird hier erst ein Fotograf während eines Shootings per Kehlenschnitt dahingemeuchelt, ehe sein blondes weibliches Model bei einer Selbstbefriedigungseinlage gleich dutzendfach Bekanntschaft mit einer Messerklinge macht, nachdem der Killer dem armen Ding zur Entspannung eine „erotische“ Geschichte rund um ein Einhorn (?) in den Telefonhörer gesäuselt hatte. Die auffälligsten Merkmale dieser Szene: viel Kunstblut, aber keine sichtbaren Einschnitte, Killer trägt an Dämlichkeit nicht zu überbietende Maske, der IQ-Wert des blonden weiblichen Models entspricht/entsprach rekordverdächtig in etwa der winterlichen Durchschnittstemperatur am Nordpol, die Dialoge erreichen nur stellenweise Kleinkinderniveau. Daran wird sich auch nichts mehr ändern.
Wäre das abgehakt, auf zur eigentlichen... äh... „Handlung“ und seinen Haupt-... äh... „-figuren“, wo erstmals die „Schlimmer geht’s immer“-Regelung greift. Die „Handlung“: Die wahrscheinliche Heldin Mary hat sich zu einem Vorsprechtermin bei zwei Hirnis eingefunden, die ihr ganzes Vermögen in das Projekt „Voyeur.com“ gesteckt haben - ein Projekt - man kann es sich denken -, in dem eine Reihe von Mädels 24 Stunden am Tag vorzugsweise nackt durch ein überall mit Kameras ausgestattetes Haus laufen soll, Duschen und Geschlechtsverkehr inbegriffen, und das wird dann live und in Farbe im Internet übertragen. Somit ist klar - Intelligenzbestien sind da nicht gefragt, es müssen schon die dümmsten Vertreter der weiblichen Spezies herhalten. Bitte schön, hier sind sie, die Haupt„figuren“, mit denen wir es künftig zu tun haben werden, ob wir nun wollen oder nicht: zwei Blondinen, die eine zickig und bescheuert (Heidi), die andere bloß bescheuert (Lisa); eine Lesbe, nicht weniger bescheuert (Ricci); eine den Drogen nicht abneigte Tusse mit einem - um es freundlich auszudrücken - ziemlich häßlichen Gesicht, natürlich bescheuert (Jennifer); eine Sportskanone, sicherlich auch bescheuert, aber für ein endgültiges Urteil zu kurz im Bild, da als erstes weggeschnetzelt (Sarah). Dazu käme die uns bekannte Mary trotz eines vollends in den Sand gesetzten Bewerbungsgesprächs, das jeden Arbeitgeber zum Strick greifen lassen dürfte. Andererseits: Bei Fragen wie „Besitzen Sie Sexspielzeug?“ oder „Können Sie sich Rudelbums vorstellen?“ hätte ich an ihrer Stelle auch keine Lust, detaillierte Antworten zu geben.
Wie dem auch sei: Bis der geheimnisvolle Killer endlich die Freundlichkeit besitzt, ein zweites Mal die Filmbühne zu betreten, um alles und jeden abzustechen, was ihm in die Quere kommt, vergehen die Minuten langsam und vor allem quälend, wie das halt so ist, wenn sechs bescheuerte und obendrein überwiegend nymphoman veranlagte Hohlbirnen aufeinandertreffen. Da wird gezickt, gelästert, angemacht (wir erinnern uns: eine Lesbe ist auch dabei) und gelabert (hauptsächlich - selbstverständlich - über Sex), wobei bei jedem gesprochenen Satz der plötzliche Hirntod des Publikums droht, erst recht, als das Skript sogar so frech wird und mit Tim und Ricky zwei „Charaktere“ (= Kanonenfutter) zusätzlich einführt, die es wagen, noch debiler zu sein als alle in diesem Film vorgestellten Dumpfbacken zusammen.
Bald beginnt, wie gesagt, die Metzelei, aber alle Hoffnungen, wenigstens dadurch ließe sich ein leichter Qualitätsanstieg verzeichnen (und sei es, weil die „Figuren“ immer weniger werden), bitte ich umgehend zu begraben, denn in „Voyeur.com“ mag die rote Farbe vielleicht im Übermaß fließen, Geld für Effekte ist indes nach wie vor nicht vorhanden und wird bis zum Abspann nicht vorhanden sein, und mehr als wenige Sekunden machen die einzelnen Mordsequenzen sowieso nicht aus, so daß das nervtötende Gelabere der Weiber schneller weitergeht als erhofft. Ärgerlich auch die Einfallslosigkeit des Killers, seine Opfer stets mit der unspektakulären Halsaufschneid-Methode ins Jenseits zu befördern. Einzig Gärtner Newton darf gänzlich seinen Kopf verlieren - richtig so, hat er doch kurz zuvor mächtig angegeilt Mary heimlich beim Pinkeln durchs Fenster zugesehen, der olle Spanner.
Im Laufe des Fetenabends, der bei weitem nicht so ausschweifend verläuft, wie es der Titel dieses Trauerspiels vermuten läßt (gleich mehrere günstige Gelegenheiten, nackte Tatsachen zu präsentieren, werden beinahe schon fahrlässig vergeben, u.a. während der unvermeidlichen Duschszene), strolcht der Übeltuer also lange unentdeckt durch die Gegend, killt hier und da mal eine/n weg (manchmal gar zwei oder drei auf einmal), bis einem der beiden Projektveranstalter-Hirnis dann doch irgendwann mal die verdächtige Abwesenheit eines Großteils der Partyteilnehmer auffällt. Damit wäre der himmelschreiend schwachsinnige Showdown eingeläutet, der sich immerhin damit rühmen kann, eine der haarsträubendsten Serientäter-Auflösungen in den Annalen der Filmgeschichte aufzufahren (noch vor „Do You Wanna Know a Secret?“, was eine stolze Leistung ist). Die macht nämlich - hohoho, was ein genialer Drehbuchkniff! - lustigerweise von vorn bis hinten nicht den Hauch eines Sinns. Wozu auch? Wäre ja noch schöner. Wo kämen wir denn da hin? - Ein endlos langer Epilog nach dem tollen Finale zieht uns zum Abschluß den letzten Zahn.
Was es sonst noch zu bemängeln gäbe? Och, so einiges. Okay, präziser: eigentlich alles. Daß am Tag gedrehte Szenen nachlässig als Nacht getarnt wurden (die Sonne schimmert üüüberhaupt nicht durch). Daß die immergleiche einfallslose Musik leise im Hintergrund vor sich hin düdelt, anstatt die „Handlung“ zu unterstreichen. Daß die Qualen, die die Dünnpfiff-Dialoge der hochgradig nervigen Gesellen hervorrufen, so stark sind, daß sie die tödliche Langeweile, die aus dem dilettantisch geschriebenen Skript resultiert, mühelos übertönen (lieber vor Langeweile eingehen als 90 Minuten Folter am Stück). Daß ein „Schauspieler“ so schlecht agiert wie der andere. Daß der Film in punkto Menschenverachtung und Frauenfeindlichkeit selbst dem in der Hinsicht wenig zimperlichen Slasher-Genre neue Dimensionen eröffnet. Und natürlich daß die nachträgliche Schnittarbeit mit „stümperhaft“ noch wohlwollend umschrieben ist. Da werden ständig aus dem Zusammenhang gerissen Bilder eines Highways oder vom Strand oder vom heiteren Himmel oder was-auch-immer eingeblendet, ohne daß man erfährt, was das eigentlich soll; da redet Sarah davon, zum Tagesausklang eine Runde Joggen gehen zu wollen (über zehn Meilen übrigens!), um in ihrer nächsten Szene doch immer noch im Fitneßraum herumzuturnen; da starrt der geile Gärtner den das Haus betretenden Weibern noch hinterher, obwohl er sich einen Moment vorher bereits zum Rasensprengen in den Hintergarten verzogen hat; da gestattet die Kamera, kurz bevor Newton um einen Kopf kürzer gemacht wird, dem Zuschauer sekundenlang unbeabsichtigt einen ausführlichen Blick auf die unverhüllte Mördervisage, obwohl sie in den zwischengeschnittenen Close-ups eine Maske trägt, ganz zu schweigen davon, daß das Gesicht des Killers in dieser Szene nicht das Gesicht des Killers ist, das im Finale enthüllt wird; da nimmt der/die letztlich Überlebende das Messer des Bösewichts an sich, um kurz darauf von dem Bösewicht mit ebendiesem in der Hand angegriffen zu werden. Um nur einige Punkte aufzuzählen.
Kurzum: „Voyeur.com“ ist ein entsetzlich dummer Möchtegern-Horrorfilm voller Vollidioten und technischer Mängel, spannungslos und ohne Talent inszeniert. Wenn überhaupt etwas bemerkenswert ist (abgesehen von der allgegenwärtigen unbeschreiblichen Idiotie) an diesem... an diesem mülligen Dingsbumms, dann der Spitzenwert hinsichtlich des Bodycounts: 93% der teilnehmenden 14 Akteure überleben das Filmende nicht. Kann man sich was drauf einbilden. Nichtsdestotrotz ein heißer Anwärter auf den schlechtesten Genre-Film aller Zeiten. Hut ab, Mr. Feldman! 1/10.