Review

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Süskinds berühmter Bestseller endlich verfilmt wird. Und da gerade die als "unverfilmbar" geltenden Bücher einen Erfolg versprechen, ist es nicht erstaunlich, dass außgerechnet Tykwer "Das Parfüm - Die Geschichte eines Mörders" verfilmt.

Wie bei allen Romanverfilmungen, darf man bei der Kritik der filmischen Umsetzung den Bezug zu der Romanvorlage nicht vergessen, gerade bei Bestsellern. Und gerade bei einem Bestseller nicht, der deshalb als unverfilmbar galt, da er die flüchtige Welt der Gerüche zum Thema macht.

Gerüche - viele Leser des Buches vermochten sie geradezu zu erschnuppern. Dicht und schwer ist die Atmosphäre. Süskind spielte mit detaillierten Beschreibungen und vielen Assoziationen zu bekannten Düften, um diese im Kopf des Lesers zum Leben zu erwecken. Tykwer bediente sich eines einfachen, aber wirksamen Mittels: eine rasant auf den Zuschauer einströmende Bilderflut soll eben dies bewirken. Dieses Vorhaben kann getrost als gelungen bezeichnet werden, obgleich die Bilder, mal düster, mal schön, mal hell, mal eklig, nicht denselben Effekt haben wie die literarischen Stilmittel Süskinds. Durch die Gegensätze der Bilder jedoch wird dieses Manko recht gut ausgeglichen.
Blumen. Schöne Frauen. Maden. Stinkende Füße.

Zu bemängeln ist jedoch die zum Teil starke Entfremdung von der Romanvorlage. Wo das Buch ins Surreale abdriftet, das ganze zweite Kapitel eben, der siebenjährige Aufenthalt in der Höhle, das animalische Verhalten Grennouilles, seine fantastischen Traumschlösser im Kopf und schliesslich seine bittere Erkenntnis, dass er keinen eigenen Geruch besitzt: dies alles ist leider nicht Gegenstand des Filmes; die Ankunft in die nächste Stadt, die amüsante Parodie auf die französische Mode, Wissenschaft zu betreiben (Lethal Fluidum), die Experimente Grenouilles, sich durch gepanschte Parfums menschlichen Geruch zu verpassen, all das ist gestrichen worden.

Und wozu?

Zu Gunsten der Hoolywood-Dramaturgie. Leider.
Tykwer will Macht über die Welt, will geliebt werden. Der arme kleine Mensch Tykwer. Aber das ist ja nun mal geschmacksache. Leider. Ob das daran liegt, dass die meissten Menschen keinen Riecher für Kunst haben? Keine Nase für Große Ideen? Kein Gespür für Romantik? Tykwer betonte im Interview, er nahm die Änderung zugunsten des Mainstream-Publikums vor und wolle "ihnen geben, was sie wollen". Wie Spielberg (dem im Abspann gedankt wird). Und die zu ermordenden Damen? Sind diese im Buch noch als mollig bis füllig beschrieben worden (klar, solche Frauen riechen ja auch stärker), mutierten diese im Film zu mageren Theaterskeletten, die sich, wie im Theater so üblich, nackt zeigen können, ohne dass jemand durch zu viel Weiblichkeit abgeschreckt wird (oder durch zu viel Geruch?).
Schade. Hollywood auf Kosten der Kunst.
Besorgte Väter. Schöne Frauen. Ein weinender Grenouille. Viele inhaltliche Verdrehungen, weggelassene Szenen, pompöse Bilder. Eine auf Kunst gemachte Orgie.

Was bleibt?

Es bleibt ein Film, der in der Nase sticht und noch lange kribbelt.
Kopfnote: Aura Arte
Herznote: Emotionalis Romantica
Basisnote: Hollywoodia Commercis

Ein guter, durchaus sehenswerter Film, durchaus, und durchaus auch mit einem fulminatem Ende.
Trotz dem faden, schmierig riechendem Nachgeschmack der harten Währung. Eine egoistische Verfilmung eines Bestsellers eines egoistischen Autors.

Reinschnupern, einsaugen, selbst urteilen.

8 Punkte.

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