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Lange ist es her, als ich von Patrick Süskinds bildhafter Sprache in "Das Parfüm" überwältigt wurde. Lektüre zum anfassen, die plastische Beschreibung von Düften, gedruckt auf Papier, das in Wort und Sprache wahrhaftig Gerüche emporsteigen lässt. Die Geschichte des Mörders Jean-Baptiste Grenouille wurde von der Filmindustrie jahrelang umgangen, selbst Stanley Kubrick entschied sich gegen das Projekt. Der deutsche Produzent Bernd Eichinger kaufte trotzdem die Filmrechte und engagierte den jungen Regisseur Tom Tykwer, der hierzulande vor allem mit "Lola rennt" bekannt wurde.

Es ist zweifelsohne ein schweres Unterfangen, Kenner des Buches sind sich der Problematik bewusst, da Süskind viel mit Gedanken umschreibt. Ein Blick auf das für hiesige Verhältnisse, mit 50 Millionen Euro recht teuere Produktionsbudget, deutet an, dass man zumindest finanziell die Möglichkeiten ausschöpft, um das Gelingen zu garantieren. Zusammen mit Andrew Birkin und Tykwer selbst wandelte Eichinger die Literaturvorlage in ein Drehbuchformat. Es geht in erster Linie darum an der richtigen Stelle zu kürzen, die Geschichte für Kenner und Nichtkenner gleichermaßen attraktiv zu gestalten und dabei so wenig wie möglich zu verfälschen.

Angefangen mit dem Todesurteil für Grenouille (Ben Whishaw), begibt man sich zu den Ursprüngen, der Geburt einer außergewöhnlichen, genialen und abscheulichen Figur in Paris, im Jahre 1738 auf einem dreckigen Fischmarkt, der erste Impressionen einer verkommenden, bestialisch stinkenden Stadt gibt. Erzählt aus dem Off von Otto Sander lässt Tykwer Bilder sprechen und die vermitteln von Beginn an eine unbehaglich melancholische Grundstimmung in dunklen, düsteren Gassen - im Kontext eines hervorragenden Set-Designs, das Paris als Dreckmoloch so greifbar macht, dass man sich im Kinositz davor ekelt. Negative Gerüche steigen in die Nase empor - das Auge wird zum Geruchsorgan. Wort und Bild verschmelzen in düstere Harmonie, und hiermit kreieren die Macher eine Erzählgerüst, das die Geschichte eines Mörders wiedergibt - angefangen von der Geburt, der Kindheit im Waisenhaus, der Episode als hart arbeitender Sklave bis hin zur Besessenheit, Düfte, die nur er selbst in aller Vollkommenheit riechen kann, zu konservieren. Wir befinden uns auf einer wortkargen Ebene, insofern war es eine gute Idee Otto Sander als Erzähler fungieren zu lassen.

Gedanken, Empfindungen, wenn Grenouille Düfte aufsaugt, werden von Twyker in einer Bildsprache festgehalten. Schnelle Schnitte hinzu verschiedenen Motiven, die einen Bezug von Gedanken zu Geruchsempfinden herstellen, kanalisieren den direkten Weg zum Publikum. Man spürt, dass dieser Mann eine besondere Gabe hat. Grenouille will mehr - als er bei Parfumeur Giuseppe Baldini (Dustin Hoffman), anfängt und die ersten Möglichkeit Düfte mit Destillation festzuhalten kennen lernt, erinnert er sich an jene Frau, deren Körperduft ihn zum ersten Mord verleitete. Baldini profitiert von Grenouilles Gabe und aus Dankbarkeit ermöglicht er ihm den Zugang in die ultimative Welt der Düfte, der naturalistisch schönen Stadt Grasse. Hier lernt der geniale und abscheuliche Protagonist eine Technik kennen, die es ihm ermöglicht alle Gerüche zu konservieren. Besessenheit, das perfekte Parfüm zu erstellen, kreiert einen Mörder, der den Duft der Frauen aufsaugt.

Das Drehbuch erfüllt seinen Zweck als narrative Grundlage, obwohl einige Stellen auffallend gekürzt wurden, beispielsweise die im Buch ausführlich geschilderte Bergsequenz auf dem Weg nach Grasse - durch die man bei der Literaturvorlage Einblicke in Grenouilles Gedankenwelt erhält. Hier verbleibt man bei einem Fazit des Off-Erzählers, der allgemein eine Klammer zwischen Twykers bildgewaltigen Szenen herstellt. Trotzdem taucht man tief in das Innenleben des Protagonisten ein, vordergründig wegen der gelungenen Visualisierung seines außergewöhnlichen Geruchsempfindens, wodurch die Motivation nicht im Dunklen bleibt. Der Fokus liegt klar auf den zum Mörder werdenden Sammler der Gerüche, Nebenfiguren haben nur eine gewisse Funktionalität, um die Charakterisierung von Grenouille zu unterstützen. Baldini und Co. erfüllen überwiegend nur den Zweck, die Lebensgeschichte des Mörders voranzutreiben, wodurch einige im Schatten von Ben Whishaw, der wortkarg alleine auf nonverbaler Ebene einen beeindruckenden, schauspielerischen Beitrag leistet, verblassen. Man möge sich Grenouille laut Literaturvorlage weniger charismatisch vorstellen, andererseits gleicht Whishaws Körpersprache einige Kürzungen, die noch mehr Einblicke in das Innenleben gewährt hätten, auf diese Art und Weise aus, ohne dabei den Grundcharakter zu verfälschen.

Im Grunde ist die Nähe zum Protagonisten beeindruckend. Bildsprache, Off-Erzähler und Whishaws darstellerisches Fundament tragen dazu bei, dass sich die Ambivalenz der Hauptfigur manifestiert. Mit einem der schwermütigen Atmosphäre angepassten Score, der speziell bei der Erfassung von Gerüchen die schnell geschnittenen Bilder funktional komplementiert, haucht man dem Ganzen stimmungsvoll Leben im Kontext der Trostlosigkeit des 18. Jahrhunderts ein. Der Protagonist wird mit allen Mitteln als eine besondere, fremdartige Figur dargestellt. Ein Mann auf der Suche nach dem Elixier der Liebe, die er schlussendlich nur auf dramatische Art und Weise spürt. Grenouille ist geruchlos, man nimmt in nicht als Mensch aus Fleisch und Blut wahr. Er ist ebenso genial wie abscheulich, seine Absicht der Welt mit seiner Gabe den perfekten Duft zu schenken, wird zuerst missverstanden, danach sieht man nur sein Werk, nicht die Person, die dahinter steht. Er wählt den Tod, indem er seinen geruchlosen Körper an dem stinkenden Ort seiner Geburt mit der Vollkommenheit des perfekten Parfüms duften lässt - zum ersten Mal wird er begehrt, ein Gesindel verspeist ihn bei lebendigem Leib.

Letztendlich haben Eichinger und Tykwer bei der Visualisierung von "Das Parfüm" viel richtig gemacht, was man auch daran erkennt, dass konkrete Alternativvorschläge schwer zu nennen sind. Die Literaturvorlage wurde gekürzt, aber nicht ihrer zentralen Aussage beraubt. Bild und Ton harmonieren, dem Regisseur gelingt es den Betrachter in die Welt der Düfte eintauchen zu lassen und Grenouille ist auch in der filmischen Umsetzung genau das, was er sein soll - eine geniale und abscheuliche Figur. Das ist Geruchskino - wenn man so will. (7/10)

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